BMVI wg. Gutachten in Kritik

Was das Eis der West-Antarktis vor 10.000 Jahren gerettet hat, wird heute nicht helfen

Der Rückgang der westantarktischen Eismassen nach der letzten Eiszeit wurde überraschenderweise vor etwa 10.000 Jahren zum Teil umgekehrt, wie Wissenschaftler vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) jetzt herausgefunden haben. Die Zunahme der Eisausdehnung damals steht in starkem Gegensatz zu den bisherigen Annahmen. Tatsächlich war es das Schrumpfen selbst, welches das Schrumpfen beendete: Entlastet vom Gewicht des Eises hob sich die Erdkruste, dadurch schob sich das Eis wieder vom Landesinneren in Richtung Meer. Dieser Mechanismus ist allerdings viel zu langsam, um einen gefährlichen Anstieg des Meeresspiegels durch den möglichen Eisverlust in der Westantarktis in naher Zukunft zu verhindern. Nur eine schnelle Reduktion des Ausstoßes von Treibhausgasen kann dies leisten.

Die Autoindustrie will Hardware-Nachrüstungen unter allen Umständen vermeiden, weil sie technisch aufwändig und teuer sind. VW zahlt lieber eine Milliarde Euro Bußgeld, als – im Gegensatz zu den USA –  irgendeinen Anspruch auf Schadensersatz anzuerkennen – die geprellten Dieselkäufer gehen leer aus. „Die Meinungsbildung innerhalb der Bundesregierung ist noch nicht abgeschlossen“, lautet die lapidar-offizielle Linie des BMVI. Eine äußerst umstrittene Studie könnte diesen Prozess beeinflussen, schreiben Arne Meyer-Fünffinger, Verena Nierle und Josef Streule am 14.06.2018 auf der BR-Internetseite.

Diesel-Nachrüstungsstudie des BMVI – Titel

Die vom BMVI in Auftrag gegebene und seit 01.05.2018 auf der BMVI-Webseite abrufbare 153seitige Kurzstudie („Wissenschaftliche Untersuchungen hardwareseitiger NOx-Reduzierungsnachrüstungsmöglichkeiten im PKW-Bereich und im Segment der leichten Nutzfahrzeuge“) könnte dabei eine wichtige Rolle spielen – sie wurde von fünf Autoren erstellt, „deren Nähe zur Autoindustrie Experten problematisch finden“ (die BR-Autoren). Denn der Auftrag sei im vergangenen Jahr an fünf Professoren gegangen, die vor ihrem Wechsel in die Wissenschaft viele Jahre in der Autoindustrie tätig gewesen seien – bei BMW, Daimler, VW und dem Motorenentwicklers AVL List GmbH. Die BR-Mitarbeiter: „Hinweise auf diese früheren Tätigkeiten fehlen in der 153-seitigen Studie. Ebenso wenig ist dort vermerkt, dass die Autoren an gemeinsamen Forschungsprojekten mit der Autoindustrie beteiligt waren und sind, teilweise mit finanzieller Unterstützung der Konzerne.“

Christian Kreiß, Lobby-Experte der Hochschule Aalen, erkenne denn auch „ganz starke Interessenkonflikte, das geht überhaupt nicht“. Kreiß weiter: „Es bricht alle wissenschaftlichen Ethikregeln, denn alle Arten von Interessenkonflikten müssen mindestens im Anhang ausgewiesen werden, da ist gar nichts. Kreiß zitiert das Motto „Die Hand, die mich füttert, die beiß ich nicht“, so könne es sich keiner leisten, gegen seinen Geldgeber zu schreiben, denn dann gebe es kein Geld mehr.

Hartmut Bäumer, stellvertretender Vorsitzender von Transparency Deutschland, argwöhnt, aufgrund der Auswahl der Studienautoren habe das Ergebnis schon vorher festgestanden. Seiner Einschätzung nach ist die Untersuchung vor diesem Hintergrund „substanzlos“. Wenn auch Kooperationen zwischen Forschungsinstituten und der Industrie völlig normal sind, sind Interessenkonflikte nicht auszuschließen. Bäumer: „Ich sage mal ganz hart, es gibt ein schönes deutschen Sprichwort: Wes Brot ich es, des Lied ich sing. Und so ist das hier“. Dem widerspricht das BMVI gegenüber BR Recherche: Die Gutachter seien wegen ihrer besonderen „Fachkenntnisse in den Bereichen der Kraftfahrzeugtechnik, Verbrennungsmotoren und der Abgasnachbehandlung bei Kraftfahrzeugen“ ausgewählt worden. Bedingung sei gewesen, dass sie die Studie „vertragsgemäß […] unparteiisch und weisungsfrei“ erstellen würden.

Die Gutachter:

  • Prof. Michael Bargende (Universität Stuttgart – war 16 Jahre in der Motorenentwicklung bei Daimler)
  • Prof. Roland Baar (TU Berlin – war Führungskraft bei Volkswagen)
  • Prof. Christian Beidl (TU Darmstadt – vor seiner Tätigkeit an der Universität in Diensten des Motorenentwicklers AVL List GmbH)
  • Prof. Thomas Koch (KIT Karlsruhe – ebenfalls bei Daimler im Bereich Verbrennung)
  • Prof. Hermann Rottengruber (Universität Magdeburg – war als Projekt- und Teamleiter bei BMW).

Die Verbindungen der fünf zur Automobilbranche seien immer noch eng (BR). Bargendes Institut habe beispielsweise von 2014 bis 2017 für 19 Auftragsforschungsprojekte fünf Millionen Euro bekommen – „von deutschen Automobilherstellern aus dem süddeutschen Raum“, so der Professor gegenüber den BR-Rechercheuren. Aber aufgrund von Geheimhaltungsvereinbarungen könne man „ohne Rücksprache mit den Auftraggebern keine konkreten Projekte benennen“. Und Baar, Fachgebiet Fahrzeugantriebe an der TU Berlin, betreue für VW das Forschungsprojekt „Energieeffizienter Antriebsstrang“. Rottengrubers Institut für Mobile Systeme an der Uni Magdeburg habe nach seinen Angaben in den vergangenen eineinhalb Jahren für fünf Forschungsprojekte 196.000 Euro erhalten, von einem japanischen und von ungenannten deutschen Automobilherstellern und Zulieferern. Beidl (Institut für Verbrennungskraftmaschinen und Fahrzeugantriebe an der TU Darmstadt) kooperiere, wie er sage, mit Audi, BMW, Daimler, Honda, Opel, Porsche und VW. Auf Anfrage von BR Recherche habe er mitgeteilt: „2012 bis 2016 erhielt die TU Darmstadt von den großen Automobil- und Zulieferfirmen (alle Marken des Volkswagen-Konzerns, Daimler, BMW, Opel, ZF, Continental, Bosch, Magna) jährlich rund 3,5 bis 4 Millionen Euro an Forschungs-Drittmitteln – das sind zwischen rund 8 und knapp 10 Prozent der gesamten Drittmitteleinnahmen aus der Industrie bzw. rund 2 bis 2,5 Prozent der Drittmittel total, die die TU Darmstadt jeweils pro Jahr eingeworben hat.“

Die Professoren verteidigten sich zwar ( „persönliche Expertise“, „freier Gutachter“, „kein formaler Zusammenhang mit dem Institut“), doch völlig überraschenderweise kamen die fünf zu einem einhelligen Schluss: Hardware-Nachrüstungen seien technisch kompliziert und (zu) teuer. Aber schließlich stellte sich noch dazu heraus, dass drei der Wissenschaftler Autos ihrer früheren Arbeitgeber untersucht hatten. Zwei (Koch und Beidl) wollten dazu keine Stellung nehmen.

[note Aus der Studie: „In jedem Fall sind die Kosten für eine HW Nachrüstung > 5000€ anzusetzen, der Fahrzeugnutzer muss auch bei sorgfältiger Umsetzung mit Qualitätseinbußen und einem Kraftstoffmehrverbrauch rechnen. Die Analyse der EURO6 Fahrzeug(e) zeigt deutlich, dass in keinem untersuchten Fahrzeug eine HW-Änderung des Abgassystems sinnvoll erscheint, da ein noch deutlich höherer Aufwand einem eingeschränkten Nutzen gegenüber steht. Demgegenüber ist in diesem Technologiestand die Entwicklung der letzten Jahre deutlich vorangeschritten, sodass Softwareupdates eine signifikante Verbesserung bringen und deutlich schneller und überdies flächendeckend im Realverkehr wirksam werden.“]

Auf diese Behauptungen habe sich Scheuer wiederholt gestützt – auch wenn etwa der ADAC und ein weiterer vom BVMI beauftragter Gutachter die Kosten für eine Hardwarenachrüstung auf weniger als die Hälfte angesetzt hätten. So habe Scheuer Mitte Mai im Bundestag erklärt: „Allen, die sich jetzt nur auf die Hardwarenachrüstung konzentrieren, sei gesagt: Es gibt weiterhin technische, rechtliche und finanzielle Bedenken. Die Nachrüstung wird auch höhere Verbräuche nach sich ziehen.“

Im Handelsblatt kommentierte : „Mit seinem schnellen Vorpreschen will Scheuer vor allem eines zeigen: In der Diesel-Krise sollen die mutmaßlichen Verantwortlichen nicht geschont werden. Sie sollen aufklären und für etwaige Manipulationen geradestehen. Dass Scheuer so energisch auftritt, hat noch einen anderen Grund: Er hat sich selbst unter Druck gesetzt, indem er eine schnelle Umrüstung abgasmanipulierter Diesel-Autos versprochen hat. Doch das Ganze hat einen Haken: Scheuer hat keine Druckmittel gegen die Autokonzerne in der Hand, um sein Versprechen einzulösen.“

[note Solarify meint: Scheuer muss also aufpassen – sonst könnte er nur ganz kurz im Berliner Verkehrsministerium residiert haben. Die um einen großen Teil des Wertes ihres Autos betrogenen Halter oder Fahrer werden sicher nicht ewig schweigend zuschauen…]

->Quellen: