Ernüchternde BEE-Bilanz – mutlose Energie- und Klimapolitik in den ersten 100 Tagen der Großen Koalition
„Ernüchternd“ nannte Simone Peter, die Präsidentin des Bundesverbands Erneuerbare Energie (BEE), die Bilanz der ersten 100 Tage Energie- und Klimapolitik der Bundesregierung. Im Rahmen einer Pressekonferenz unter dem Titel „Klima- und energiepolitische Zwischenbilanz – 100 Tage Große Koalition“ gemeinsam mit den Chefs anderer Verbände (v.r.: Hermann Albers, Bundesverband Windenergie, Carsten Körnig, Bundesverband Solarwirtschaft, Martin Sabel, Bundesverband Wärmepumpe, und Horst Seide, Fachverband Biogas) kritisierte sie, die im Koalitionsvertrag skizzierten Ansätze würden nicht verfolgt, die Initiativen fehlten.
EE-Ausbau stagniert – EU-Verpflichtung wird nicht erfüllt
Peter: „Die Bundesregierung bremst auf nationaler u n d europäischer Ebene. Dieses Zaudern verhindert Klimaschutz, nimmt der Erneuerbaren-Industrie Planungssicherheit und verschleppt den Aufbau eines modernen, zukunftsfähigen Energieversorgungssystems.“ Dabei sehe der Koalitionsvertrag einige konkrete Handlungsfelder vor, allen voran bei den Sonderausschreibungen für Wind- und Solarenergie oder dem Ziel, bis 2030 den Anteil Erneuerbarer Energien auf 65 Prozent auszubauen. Stattdessen stagniere der Ausbau, vor allem in den Bereichen Wärme und Verkehr. Nach einer aktuellen Prognose des BEE werde Deutschland seine EU-Verpflichtung, bis 2020 den Endenergieverbrauch zu 18 Prozent aus Erneuerbarer Energie zu decken, nicht erfüllen. Die Klimaschutzziele 2020 würden noch krachender verfehlt als befürchtet, wie der kürzlich vorgestellte Klimaschutzbericht 2017 zeige. Vor allem der jahrelange Leerlauf bei Wärme und Verkehr offenbare die fehlenden Konzepte und Ideenlosigkeit, wie eine saubere Energieversorgung aussehen kann.
Kommissionen gingen“ verloren“
Selbst von den ursprünglich vorgesehenen drei Kommissionen sei offenbar nur noch eine übrig geblieben, jene für Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung. Peter: „Die Kommissionen für Gebäude und Mobilität sind offenbar verloren gegangen.“ Bei der Kohlekommission bleibe es fraglich, ob sie ohne einen vorab skizzierten politischen Rahmen den erforderlichen schnellen Kohleausstieg bewirken könne. Fortschritte beim Gebäudeenergiegesetz blieben ebenso aus wie die steuerlichen Anreize bei der energetischen Gebäudesanierung. Der CO2-Bepreisung – einem der wirksamsten Hebel für fairen Wettbewerb bei der Preisbildung – sei wiederholt eine Absage erteilt worden. Dass sozialverträgliche CO2-Preise möglich seien, machte uns manche anderen Länger vor. Die Initiative für ein Klimaschutzgesetz fehle.
Die bisher einzige Gesetzesänderung – die Verlängerung des Moratoriums bei der BImSchG-Regelung der Windenergie, die in den vergangenen 100 Tagen auf den Weg gebracht worden sei, sei vom Bundesrat gekommen. „Die Arbeit in der Energie- und Klimapolitik braucht endlich einen beherzten Anfang“, drängte Peter. Die Weichen müssten jetzt gestellt werden, um sich den Zielen für 2020 wenigstens noch anzunähern und um die Folgeziele für 2030 und 2050 zu erreichen. „Die Glaubwürdigkeit der Großen Koalition misst sich an die Vereinbarungen des Koalitionsvertrages. Deswegen sind jetzt die Sonderausschreibungen für die nächsten beiden Jahre auf den Weg zu bringen sowie Maßnahmen einzuleiten, die in allen Sektoren Erneuerbare Energien beschleunigt voranbringen, um die selbst gesteckten Ziele zu erreichen. Die Branche der Erneuerbaren Energien steht bereit.“
Sondervolumen muss kommen
BWE-Präsident Hermann Albers forderte von der Regierungspolitik „eine klare Perspektive jenseits von drei Jahren: Heute nicht zu wissen, wie groß das Volumen 2019/20 sein wird, ist für Antragssteller sehr problematisch.“ Dabei setze nicht nur die Windbranche auf eine Anhebung des Volumens. Leider sei die Frage der CO2-Bepreisung bisher leider nicht konkret beantwortet worden, dabei seien jetzt weitere Maßnahmen zur Stabilisierung des ETS nötig. Albers nannte es ein „Scheinargument, dass der Ausbau der Erneuerbaren vom Netzausbau abhängig gemacht wird“. Simone Peter dazu: „Der Kohleausstieg würde das Netz entlasten!“
Hausaufgaben gemacht
BSW-Hauptgeschäftsführer Carsten Körnig sagte, seine Branche habe „ihre Hausaufgaben gemacht: Inzwischen kostet die Kilowattstunde weniger als 5 ct, auch die Speicherkosten haben sich halbiert“. Körnig forderte, zur Umsetzung der Klimaziele müssten die Bremsen für den Photovoltaik-Ausbau schnell gelöst werden; er mahnte eine schnelle Umsetzung des Koalitionsvertrages sowie eine Gesetzesänderung zur Aufstockung der Ausbauziele und Auktionsvolumen für Photovoltaik an; Deckel und Korridore müssten abgeschafft werden.
Die derzeitige Deckelung des jährlichen Photovoltaik- Zubaus auf lediglich 2,5 GW sowie die starke Begrenzung der Auktionsvolumina stamme aus einer Zeit, als Solarstrom noch teuer war. Körnig: „Alle wissenschaftlichen Arbeiten zeigen, dass wir deutlich mehr Ausbau der Erneuerbaren Energien brauchen“. Experten halten einen jährlichen Solarzubau von rund 10 Gigawatt für erforderlich, um den wachsenden Bedarf an sauberen Strom auch im Mobilitäts- und Wärmebereich zu decken. Bisher hätten aber positive Investitionssignale gefehlt. Die Bereitschaft ist laut Körnig vorhanden, das belege die mehrfache Überzeichnung jüngster Ausschreibungen.
Allerdings kritisierte Körnig, dass die geplanten (aber fraglichen) Sonderausschreibungen lediglich ein Zehntel zu den nötigen CO2-Einsparungen von 100.000 t beitrügen. „Das ist der Lackmustest für die Bundesregierung“, so Körnig: „Wenn die Bundesregierung weiter mit angezogener Handbremse fährt, droht uns irgendwann eine ernsthafte Versorgungslücke.“
Um die große Lücke zu den selbst gesteckten Klimazielen für das Jahr 2020 zu verkleinern, sind im Koalitionsvertrag unter anderem Sonderausschreibungen für Photovoltaik und Windenergie im Umfang von jeweils 4 Gigawatt vorgesehen, die bereits im Jahr 2019 und 2020 „wirksam“ werden sollen. Eine Gesetzesinitiative dazu liege aber seit Wochen auf Eis.
„Die solaren Sonderauktionen sind ein entscheidender Lackmustest für die Glaubwürdigkeit der Bundesregierung beim Klimaschutz. Sie müssen vom Bundestag jetzt ohne Abstriche schnell beschlossen werden, auch wenn sie nur ein erster Schritt sein können, um die gravierenden Defizite beim Klimaschutz zu beseitigen.
Verzerrung durch Steuern, Umlagen und Abgaben
Martin Sabel vom Bundesverband Wärmepumpe beklagte einen Rückgang in seiner Branche – durch die vielfältigen Steuern, Abgaben und Umlagen werde das Ergebnis verzerrt. Es sei dringend eine Verstärkung der Dynamik erforderlich.
CO2– Einsparung im Verkehrssektor rückläufig
Horst Seide vom Fachverband Biogas prangerte an, dass durch die Politik der Regierung die notwendigen CO2– Einsparungen im Verkehrssektor sogar zurückgingen. Die Bundesregierung sei in Europa der Bremser und habe niedrige Zwischenziele durchgesetzt – wenn das EU-Parlament nicht angeschoben hätte, wäre das Ergebnis noch dürftiger geworden. Ein Ziel von einem Prozent Treibhausminderung im Verkehrssektor bis 2025 sei armselig, „wir hätten viel mehr gebracht! Es liegt nicht an den Erneuerbaren Energien, wenn bei der THG-Minderung nichts vorwärts geht.“
->Quellen:
- bee-ev.de/ernuechternde-bilanz-mutlose-energie-und-klimapolitik-in-den-ersten-100-tagen-der-grossen-koalition
- solarwirtschaft.de/regierungsziel-umsetzen-mehr-solarenergie-jetzt
- Eigene Aufzeichnungen und Fotos: Gerhard Hofmann