Deutschland lädt ein und reißt die Latte

Peinlicher Auftakt der Petersberger Klimakonferenz: (Ex-)Klimavorreiter verfehlt eigene Ziele deutlich

Auf Einladung Polens und Deutschlands kommen am 18. und 19.06.2018 in Berlin hochrangige Klimaschutzvertreter und Minister aus rund 35 Ländern zusammen und wollen beim sogenannten „Petersberger Klimadialog IX“ (das erste Treffen fand 2010 auf dem Bonner Petersberg statt) soll die UN-Klimakonferenz COP24 in Kattowitz im Dezember vorbereiten – dabei musste der Gastgeber Deutschland letzte Woche eingestehen, die eigenen Klimaziele weit zu verfehlen. Eine Medienmitteilung aus dem BMU, ein Beitrag von Florence Schulz auf EURACTIV.de und eigene Aufzeichnungen.

Petersberger Klimadialog IX, Eröffnung – Screenshot © BMU

„Gerechtigkeit“ („Changing together for a just transition“) steht über dem Gespräch, in dem die Klimaexperten unter der Leitung von Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) die sozialen Aspekte des Klimawandels besprechen. Eingeladen hat neben Schulze Michal Kurtyka, Staatssekretär im polnischen Energieministerium und designierter COP24-Präsident. Der Begriff „Just Transition“ beschreibt einen gerechten Umbau der fossilen in eine nachhaltige Wirtschaft. Dafür war die Leiterin des Just Transition Center des Internationalen Gewerkschaftsbundes ITUC, Samantha Smith, eingeladen.

In der Vorbereitung auf COP24 beraten die Delegierten zusammen mit der polnischen Präsidentschaft, wie ein ausgewogenes Konferenzergebnis aussehen kann. In Kattowitz sollen immerhin die Umsetzungsregeln des Pariser Klimaschutzabkommens COP21 beschlossen werden, welche die Beiträge der einzelnen Staaten messbar und vergleichbar machen. Der polnische Klimaexperte Tomasz Chruszsczow hatte zuvor zwar angekündigt, man wolle keinen übermäßigen Enthusiasmus schüren, sondern „gesunden Menschenverstand walten lassen“ (Umweltschützer halten das für wenig ambitioniert). Aber Svenja Schulze widersprach am 18.06.2018 im Rahmen einer Pressekonferenz dieser Einschätzung: „Ich glaube, dass alle sehr gut verstanden haben, worum er hier geht.“

Deutschland verdoppelt Beitrag

Allerdings sagte die Ministerin zu Beginn der Petersberger Konferenz die Verdoppelung des deutschen Anteils an den Mitteln für den Klimaschutz der armen Staaten zu. Denn das Thema Klimafinanzierung wird ebenfalls ausführlich behandelt. Auch hier geht es um Gerechtigkeit – nämlich die Unterstützung der Entwicklungsländer durch die Industrieländer. Die Industrieländer haben den Großteil des CO2 in der Atmosphäre zu verantworten, viele Entwicklungsländer leiden besonders unter den Folgen des Klimawandels. Eine der Frage in den Gesprächen ist, wie diese Unterstützung möglichst effektiv, glaubwürdig und vorhersehbar gestaltet werden kann. Vor allem für Deutschland, das – eben noch Vorreiter mit Klimakanzlerin – sich eben anschickt, auf sehr peinliche Weise die selbst hochgelegte Latte der geplanten Treibhausgas-Emissionen zu reißen.

Daher wirkt die Rolle Deutschlands als Gastgeber angesichts dieser eigenen (eher halbherzigen) Bemühungen um Klimaschutz mindestens „ambivalent“ (Euractiv). Denn zu Beginn des Klimadialogs musste die Ministerin kleinlaut zugeben, dass das deutsche Ziel, bis 2020 den Ausstoß von Treibhausgasen im Vergleich zu 1990 um 40 Prozent zu senken, längst nicht erreicht wird („…es ist bitter für mich, Ihnen sagen zu müssen, dass wir unsere selbstgesteckten Ziele für 2020 verfehlen werden“): gerade mal bei 32 Prozent sei man angelangt, heißt es dort (und nicht einmal das ist sicher, so die Ministerin am 18.06.2018 noch kleinlauter – sie fasste beherzt gute Vorsätze: „Wir brauchen verschiedene Maßnahmen, Sonderausschreibungen, Ausstieg aus der Kohleverstromung, im Verkehr, im Gebäudesektor, auch in der Landwirtschaft ist noch etwas möglich. Das Bewusstsein dafür ist da.“).

Vor der Bundestagswahl hatte Angela Merkel noch angekündigt, die Regierung wolle die deutschen Klimaziele unbedingt erreichen. Dass Deutschland so weit hinter den eigenen Zielen hinterherhinkt, liegt laut Schulze daran, dass man in Punkto Umweltschutz zu lange stehen geblieben sei. Mittlerweile hätten viele andere Länder beim Klimaschutz aufgeholt und man merke, dass die bisherigen Maßnahmen in Deutschland schlicht nicht ausreichten, so Schulze.

Die Ministerin befürchtet sogar, dass Deutschland seine Ziele noch weiter unterschreiten könnte, als im Klimabericht angekündigt: „Die Annahmen, die da zugrunde liegen, sind leider nicht so wahrscheinlich“, sagte Schulze am 18.06.2018 der Süddeutschen Zeitung („Vorreiter waren wir mal“). Ein am gleichen Tag erschienenes Ranking des Climate Action Network (CAN) Europe (siehe: solarify.eu/deutschland-drittklassig) positioniert Deutschland nur auf Platz acht bei der Reduzierung von CO2-Emmissionen auf dem Weg zur den Pariser Klimazielen. Die Bemühungen der Bundesrepublik werden dort als „schlecht“ eingestuft.

Deutschland gegen unerreichbare Ziele

Auf EU-Ebene hatte Deutschland letzte Woche den Zorn einiger Parlamentarier auf sich gezogen: bei einem Treffen der EU Energieminister letzten Montag hatte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) sich offen gegen eine Erhöhung der EU Klimaziele ausgesprochen. Nötig sei stattdessen ein Kompromiss auf europäischer Ebene, der „verhindert, dass wir innerhalb kurzer Zeit wieder ein Ziel haben, das nicht erreicht worden ist. Die Bürgerinnen und Bürger in Europa verlieren auch das Vertrauen in die Politik, wenn sie feststellen, dass wir sehr ambitionierte Ziele haben, und einige Jahre später sich herausstellt, dass wir weit von ihrer Erfüllung entfernt sind“ sagte Altmaier.

Die letztendliche Einigung zur Erhöhung der EU-Ziele für den Ausbau der erneuerbaren Energien und die Steigerung der Energieeffizienz auf 32 Prozent bis 2030 war daraufhin in mühsamen Trilog-Verhandlungen zwischen den Institutionen zustande gekommen. Während die Mitgliedsstaaten im Rat nicht mehr als 27 Prozent Erneuerbare-Energien-Anteil bis 2030 vorschreiben wollten, hatte die Kommission 30 Prozent gefordert, das Parlament sogar 35 Prozent.

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