Merkel: „…müssen zugeben, dass wir besser werden müssen“

Petersberger Klimadialog: Eingeständnis des Scheiterns

Der 9. Petersberger Klimadialog am 18. und 19.06.2018 in Berlin ist ein Treffen der Eingeständnisse und schönen Worte, nicht aber aktiver Handlungszusagen geworden. Im Rahmen der Konferenz erläuterte Bundeskanzlerin Merkel, was sich ändern muss. Zuvor hatte sie eingeräumt, dass Deutschland seine selbst gesteckten und noch von ihr im Wahlkampf stur hochgehaltenen Klimaziele verfehlt. Ihre Konsequenz: Deutschland müsse mehr tun, um seine Klimaziele zu erreichen: „Wir in Deutschland müssen zugeben, dass wir besser werden müssen.“ Klimaforscher und NGO-Vertreter reagierten enttäuscht.

Petersberger Klimadialog IX, Eröffnung – Screenshot © BMU

Man habe sich sehr ambitionierte Ziele gesetzt: Eine Reduktion des CO2-Ausstoßes um 20 Prozent in den Jahren von 1990 bis 2010 sowie eine weitere Reduktion um 20 Prozent in zehn Jahren. „Das war ambitioniert und deshalb haben wir jetzt auch alle Hände voll zu tun.“ Gleichzeitig warnte die Kanzlerin vor den hohen Kosten des Klimawandels ohne Klimaschutz und erklärte das Ansteigen der Treibhausgas-Emissionen im Verkehr mit dem Transitverkehr durch Deutschland.

Petersberger Klimadialog: Klimaschutz und Gerechtigkeit gehören zusammen – MinisterInnen wollen Klimakonferenz in Katowice zum Erfolg führen

Aus einer Medienmitteilung des BMU: „Der neunte Petersberger Klimadialog ist mit einem klaren Bekenntnis zu einer ambitionierten und sozialen Umsetzung des Pariser Klimaschutzabkommens zu Ende gegangen. Die Vertreter aus 35 Staaten formulierten die klare Erwartung, dass bei der kommenden Weltklimakonferenz in Katowice Ende des Jahres die Umsetzungsregeln für das Pariser Abkommen beschlossen werden. Sie machten zugleich deutlich, dass sie die anstehenden Veränderungen im Sinne einer „Just Transition“ sozial gerecht gestalten wollen.

Bundesumweltministerin Svenja Schulze: „Klimaschutz und Gerechtigkeit gehören zusammen, das ist eine wichtige Botschaft dieses Petersberger Klimadialogs. Beim Klimaschutz stehen viele Volkswirtschaften vor großen Umbauarbeiten. Die internationale Erfahrung zeigt: Je früher man sich auf die Veränderungen einstellt, desto besser lassen sich Brüche vermeiden und der gesellschaftliche Zusammenhalt erhalten. Dabei dürfen wir nicht vergessen, dass es der Klimawandel selbst ist, der in vielen Regionen die weitaus größte Bedrohung für den gesellschaftlichen Zusammenhalt ist. Dieser Petersberger Klimadialog war erst der Auftakt für eine internationale Debatte über sozial gerechten Klimaschutz, bei der wir noch viel voneinander lernen können.“

Der polnische Umweltminister Henryk Kowalczyk unterstrich, dass die Annahme des kompletten Umsetzungspakets des Pariser Klimaschutzabkommens bei der Weltklimakonferenz in Katowice ein wichtiger Nachweis wäre für den gemeinsamen Willen, mehr und schneller gemeinsam zu handeln. Die Präsidentschaft, orientiert an den Vertragsstaaten, wird sicherstellen, dass das Ergebnis der Konferenz alle Länder in eine friedliche, nachhaltige Zukunft führt.

Staatssekretär Michal Kurtyka, designierter Präsident der 24. Weltklimakonferenz COP24 in Kattowitz: „Die Menschen gehören in das Herz unserer Politik. Das heißt, dass unsere Klimapolitik Vorteile für die Gesellschaft und einen gerechten Wandel für alle Bürgerinnen und Bürger sicherstellen muss. Um Klimaneutralität zu erreichen, brauchen wir sowohl Durchbrüche bei Klimaschutztechnologien, als auch eine bessere Nutzung von Biosystemen als Kohlenstoff-Senken. Die Nutzung von Technologien, die gerade reif werden, kann uns helfen, unsere Langfristziele zu erreichen – so wie erneuerbare Energien, Elektromobilität und die Digitalisierung.“

Anders Levermann: „Gerechtigkeit braucht Klimaschutz“

Die großen Bremser im Kampf gegen den Klimawandel sind laut dem Klimaforscher Anders Levermann vom PIK-Potsdam Lobbyinteressen. Er sieht den Zusammenhang umgekehrt: Soziale Gerechtigkeit gebe es nicht ohne Klimaschutz. „Die Armen leiden immer am meisten, bei einer Überflutung an der Elbe und bei einer Überschwemmung in Bangladesch. Deswegen ist es so entscheidend, dass man den Kohleausstieg nicht noch weiter verzögert.“ Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit dürften nicht dazu dienen, dass man das Tempo verlangsame. „Das muss man anders lösen. Wir müssen uns um beides kümmern und früh anfangen. Sonst bekommt man das kaum mehr hin.“ Der Pariser Klimagipfel sei ein großer Schritt nach vorne gewesen – der Durchbruch nach mehr als 20 Jahren Verhandlungen: „Aber seit dem Pariser Klimagipfel ist nicht genug passiert, um die Klimaziele einzuhalten. Das muss man ganz klar sagen.“

Levermann zufolge seien die Erreichung der langfristigen Klimaziele und die Einleitung des Strukturwandels vor allem für Deutschland ein Problem. Er forderte „einen klaren Blick darauf, dass bis zur Mitte dieses Jahrhunderts die CO2-Emissionen auf Null kommen müssen, wenn die von den Regierungen beschlossene Grenze der globalen Erwärmung eingehalten werden soll. Das ist eine große Herausforderung, und man hat nicht mehr viel Zeit: Man muss raus aus der Kohle, aus der Verstromung von Kohle, Gas und Öl, und der Transportsektor muss CO2-neutral werden. Es gilt, jetzt den Strukturwandel einzuleiten. Abwarten macht Klimapolitik teurer, und zugleich wachsen Risiken wie Wetterextreme und Meeresspiegelanstieg.“

Deutschland und Polen hatten den neunten Petersberger Klimadialog als Ko-Gastgeber ausgerichtet und unter das Motto „Changing together for a just transition“ gestellt. Das Thema „Just Transition“ – der sozial gestaltete Umbau hin zu einer klimafreundlicheren Volkswirtschaft – stand damit erstmals prominent auf der Tagesordnung der internationalen Klimadiplomatie. Es wurden zahlreiche Beispiele für Strukturwandel, Neuqualifizierung von ArbeitnehmerInnen und neue Klima-Jobs ausgetauscht. Auch Kommissionen zu Strukturentwicklung und Klimaschutz sowie Dialogformate mit Sozialpartnern waren Thema der Konferenz. Ebenfalls im Zentrum der Gespräche stand die Vorbereitung der Weltklimakonferenz COP24 in Katowice im Dezember. Dort sollen robuste Umsetzungsregeln für das Pariser Klimaschutzabkommen beschlossen werden. Außerdem findet dort die politische Phase des Talanoa-Dialogs statt, einer Informationsgrundlage für die Vorbereitung der nationalen Klimaschutzbeiträge. Denn bislang reichen die Beiträge noch nicht aus, um die Erwärmung auf deutlich unter 2 Grad, besser noch 1,5 Grad zu begrenzen.

BUND: Angela Merkel verliert zunehmend die klimapolitische Glaubwürdigkeit

Die Rede von Bundeskanzlerin Angela Merkel kommentierte Hubert Weiger, Vorsitzender des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND): „Die Kanzlerin hat sich einmal mehr als Verwalterin des Status quo dargestellt. In hübsche Worte hat die Bundeskanzlerin verpackt, dass zu wenig auf dem Tisch liegt, um die eigenen Klimaziele und die des Pariser Vertrags zu erreichen. Sie hat es wieder einmal vermieden, konkret zu sagen, was die Bundesregierung tun werde, um die Ziele zu erreichen. Visionen oder konkrete Pläne hat sie keine geliefert. Ihr fehlt damit zunehmend die klimapolitische Glaubwürdigkeit. Finanzielle Versprechen und ein Ausruhen auf den Erfolgen des Ausbaus der Erneuerbaren reichen nicht mehr aus, um die enormen klimapolitischen Versäumnisse Deutschlands zu verbergen. Die Verschiebung des Kohleausstiegs macht es der Bundesregierung immer unmöglicher, auf internationaler Ebene eine Lanze für den Klimaschutz zu brechen – Deutschland hat seine Vorbildfunktion verloren. Nur die Länder, die zu Hause aus Kohle, Öl und Gas aussteigen, werden als klimapolitische Vorreiter akzeptiert. Der Bundesregierung empfehle ich dringend, die nächsten Monate zu nutzen, um Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen und das Ende der Kohleverstromung einzuläuten. Vor der Bundesregierung liegt ein gutes Stück Arbeit.“

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