Kanadisches Unternehmen legt Untersuchung vor
Die Kohlendioxid-Extraktion aus der Luft ist möglicherweise nicht so teuer, wie Wissenschaftler dachten. Die geschätzten Kosten dieser Geo-Engineering-Technologie sind Experten zugolge seit einer Analyse im Jahr 2011 gesunken. CO2 aus der Atmosphäre abzuscheiden, könnte mehr sein als nur eine teure Strategie zur Vermeidung von Klimakatastrophen. Eine am 07.06.2018 im Magazin Joule veröffentlichte detaillierte wirtschaftliche Analyse deutet darauf hin, dass sich die Geo-Engineering-Technologie der Wirtschaftlichkeit nähert.
Die Studie verfassten Forscher von Carbon Engineering in Calgary, Kanada, die seit 2015 eine Pilotanlage für CO2-Extraktion in British Columbia betreiben. Diese Anlage – basierend auf dem Konzept der direkten Luftabscheidung – bildete die Grundlage für die wirtschaftliche Analyse mit Kostenschätzungen von kommerziellen Anbietern aller wichtigen Komponenten. Abhängig von vielen Gestaltungsmöglichkeiten und wirtschaftlichen Annahmen liegen die Kosten für die Entnahme einer Tonne CO2 aus der Atmosphäre zwischen 81 und 200 Euro. Die letzte umfassende Analyse der Technologie, die von der American Physical Society im Jahr 2011 durchgeführt wurde, schätzte, dass sie 520 €/t kosten würde.
Carbon Engineering will mit der Publizierung des Artikels Diskussionen über die Kosten und das Potenzial der Technologie vorantreiben. „Wir versuchen wirklich, die direkte Luftabscheidung ernsthaft zu kommerzialisieren, und um das zu tun, muss man jeden in der Lieferkette an Bord haben“, sagte der Leitautor der Studie, David Keith, leitender Wissenschaftler bei Carbon Engineering und Klimaphysiker an der Harvard School of Engineering and Applied Sciences in Cambridge, Massachusetts.
Carbon Engineering wurde 2009 gegründet und ist eines der wenigen Unternehmen, das sich mit der Direktabscheidung von Luft beschäftigt. Ein Wettbewerber, Climeworks in Zürich, Schweiz, hat im vergangenen Jahr eine kommerzielle Anlage eröffnet, die jährlich 900 Tonnen CO2 aus der Atmosphäre für den Einsatz in Gewächshäusern abscheiden kann (Solarify berichtete erstmals am 03.01.2017 auf solarify.eu/co2-aus-der-luft). Climeworks hat als Teil des Forschungsprojekts CarbFIx2 eine zweite Anlage in Island eröffnet, die 50 Tonnen CO2 pro Jahr abtrennen und in unterirdischen Basaltformationen verpressen kann (solarify.eu/ccs-in-island-ausgebaut). Climeworks zufolge kostet die Abscheidung einer Tonne CO2 im Schweizer Werk etwa € 520. Unternehmensverantwortliche erwarten, dass diese Zahl in 5-10 Jahren unter 85 €/t sinkt, wenn der Betrieb ansteigt. In der Zwischenzeit bietet die Untersuchung von Carbon Engineering den bisher detailliertesten Blick auf die Kosten einer solchen Technologie.
Ein industrielles Verfahren zur großtechnischen Abscheidung von atmosphärischem CO2 (Direct Air Capture – DAC) erfüllt zwei Aufgaben:
- als CO2-Quelle für die Herstellung kohlenstoffneutraler Kohlenwasserstoffbrennstoffe, welche die Umwandlung kohlenstofffreier Energie in Kraftstoffe mit hoher Energiedichte ermöglicht. So können beispielsweise Solarbrennstoffe an hochisolierten Low-Cost-Standorten aus DAC-CO2 und elektrolytischem Wasserstoff mittels Gas-to-Liquids-Technologie hergestellt werden, welche die Dekarbonisierung von schwer zu elektrifizierenden Sektoren wie der Luftfahrt ermöglicht.
- ermöglicht DAC mit CO2-Sequestrierung die Entfernung von Kohlenstoff.
Die Durchführbarkeit von DAC ist zum Teil umstritten, weil die Veröffentlichungen nicht genügend technische Details liefern, um eine unabhängige Bewertung der Kosten zu ermöglichen. David Keith et al. beschreiben eine Kostenbasis für ein kommerzielles DAC-System, bei dem alle wichtigen Komponenten entweder aus dem etablierten kommerziellen Erbe stammen oder ausreichend detailliert beschrieben sind, um eine Bewertung durch Dritte zu ermöglichen. Dieses Design spiegelt etwa 100 Personenjahre der Entwicklung von Carbon Engineering wider.
Keith et al. beschreiben zudem ein Verfahren zur Abtrennung von CO2 aus der Atmosphäre in einer Industrieanlage. Das Design erfasst etwa 1 Mio. t CO2/a in einem kontinuierlichen Prozess mit einem wässrigen Absorptionsmittel aus Kaliumhydroxid (Ätzkali oder kaustisches Kali), das an Kalziumlauge gekoppelt ist. Sie beschreiben die Gründe für das Design, fassen die Leistung der wichtigsten Einheiten zusammen und erstellen eine im Zusammenarbeit mit einem unabhängigen Ingenieurbüro entwickelte Kapitalkostenaufstellung. Sie berichten über die Ergebnisse einer Pilotanlage, die Daten über die Leistung der wichtigsten Einheiten liefert. Sie fassen die mit einer Aspen-Prozesssimulation berechnete Energie- und Materialbilanz zusammen. Wenn CO2 mit 15 Megapascal (MPa) geliefert wird, benötigt der Prozess entweder 8,81 GJ Erdgas oder 5,25 GJ Gas und 366 kWh Strom pro Tonne abgetrenntes CO2. Abhängig von den finanziellen Annahmen, den Energiekosten und der spezifischen Wahl der Inputs und Outputs liegen die nivellierten Kosten pro Tonne CO2 aus der Atmosphäre zwischen 81 und 200 €/t CO2.
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