US-Erdgasindustrie hat Leckageproblem
„Die amerikanische Öl- und Gasindustrie verliert mehr Methan, als die Regierung denkt – viel mehr, heißt es in einer neuen Studie“ – schreiben John Schwartz und Brad Plumer am 21.06.2018 in der New York Times. Das Treibhausgas Methan (CH4) erwärmt die Erdatmosphäre – abhängig vom untersuchten Zeitraum – 28 bis 84mal so stark wie Kohlendioxid.
Die am 22.06.2018 in der Zeitschrift Science*) veröffentlichte Studie beziffert die Methanemissionen aus amerikanischen Öl- und Gasunternehmen auf 2,3 Prozent der jährlichen Gesamtproduktion und liegt damit etwa 60 Prozent über der aktuellen Schätzung der US-Umweltschutzbehörde EPA. Schätzungsweise gehen 13 Millionen Tonnen pro Jahr verloren. In Staaten wie Texas und Pennsylvania hat Erdgas dank des Fracking-Booms die Kohle als Haupt-Brennstoff für die Stromerzeugung schnell abgelöst. Teilweise hat es damit sogar zur Dämpfung des Klimawandels beigetragen: weil bei seiner Verbrennung entsteht etwa halb so viel CO2 wie bei Kohle entsteht, sind die Emissionen amerikanischer Kraftwerke seit 2005 um 27 Prozent zurückgegangen.
Etwa ein Fünftel der Erderwärmung geht auf das Konto von Methan, nach Kohlendioxid das zweitwichtigste anthropogene Treibhausgas, mit einem Strahlungsantrieb von 0,48 W/m2 gegenüber 1,66 bei CO2. Während der letzten 650.000 Jahre lag die Methankonzentration der Atmosphäre zwischen 400 ppb während der Kaltzeiten und 700 ppb während der Warmzeiten. Sie hat sich seit 1750 von 722 ppb auf ca. 1803 ppb im Jahre 2011 mehr als verdoppelt. Der aktuelle Wert ist in 650.000 Jahren beispiellos (s. Grafik). Während frühere Daten aus in Eis oder Firn eingeschlossenen Luftbläschen stammen, wird die Methankonzentration seit 1983 global repräsentativ direkt in der Atmosphäre gemessen. In dieser Zeit ist die Methankonzentration noch einmal deutlich angestiegen. Die Wachstumsrate der Methanzunahmen ist allerdings seit den frühen 1980er Jahren bis 2005 auf nahezu Null zurückgegangen. Dieser Rückgang ist in der Forschung bis heute nicht hinreichend verstanden. 2007 registrierten Atmosphärenforscher eine Überraschung: Nach einigen ruhigen Jahren verstärkte sich die Zuwachsrate plötzlich. Bis heute ist die Konzentration bereits auf etwa 1850 ppb gestiegen. Hauptverantwortliche: Landwirtschaft und Energiebranche. (nach wiki.bildungsserver.de/Methan und sueddeutsche.de/klimawandel-die-loesung-des-methan-puzzles.)
Eine aktuelle Studie ergab laut NYT, dass Erdgaskraftwerke für den Klimawandel schlechter sein könnten als Kohlekraftwerke, wenn ihre Leckrate über 4 Prozent steigt. Allerdings deuten bislang weder die Schätzungen der EPA über die Leckraten noch die höheren Schätzungen in der neuen Studie darauf hin, dass diese Schwelle überschritten wäre.
Treibhausgase
- CO2 hat per Definition ein Erderwärmungspotenzial von 1, unabhängig vom verwendeten Zeitraum, da das Gas als Referenz verwendet wird. CO2 bleibt sehr lange im Klimasystem: Die CO2-Emissionen führen zu einem Anstieg der CO2-Konzentration in der Atmosphäre, der Tausende von Jahren andauern wird.
- Das Erderwärmungspotenzial von Methan (CH4) wird auf 28-36 über 100 Jahre geschätzt. Heute emittiertes CH4 bleibt heute im Durchschnitt etwa ein Jahrzehnt in der Atmosphäre, viel weniger als CO2. CH4 nimmt dafür viel mehr Energie auf als CO2. Der Nettoeffekt der kürzeren Lebensdauer und höheren Energieaufnahme spiegelt sich im Erderwärmungspotenzial wider. Das von CH4 ist zudem für einige indirekte Effekte verantwortlich, wie etwa die Tatsache, dass CH4 Vorläufer von Ozon und Ozon selbst ein Treibhausgas ist.
Distickstoffoxid (N2O) hat 265-298 mal so viel Erderwärmungspotenzial wie CO2 für einen Zeitraum von 100 Jahren. Das heute emittierte N2O bleibt im Durchschnitt mehr als 100 Jahre in der Atmosphäre. - Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW), Fluorkohlenwasserstoffe (FKW), teilhalogenierte Fluorchlorkohlenwasserstoffe (H-FCKW), perfluorierte Kohlenwasserstoffe (PFC) und Schwefelhexafluorid (SF6) werden manchmal als hochgiftige Gase bezeichnet, weil sie bei einer bestimmten Menge an Masse wesentlich mehr Wärme binden als CO2. (Die Erderwärmungspotenziale für diese Gase können in die Tausende oder Zehntausende gehen.) – Aus: „Understanding Global Warming Potentials“ (Globale Erwärmungspotenziale verstehen) der US-Umweltbehörde EPA.
Das emittierte Methan hat einen Schätzwert von 1,7 Milliarden Euro pro Jahr , die Leckagen wären aber mit relativ geringen Kosten zu beheben. Exxon Mobil, der größte Gasproduzent des Landes, kündigte denn auch kürzlich an, ältere, undichte Anlagen zu ersetzen und so die Methanemissionen bis 2020 um 15 Prozent zu reduzieren. Umweltorganisationen haben dagegen die Bundesbehörden aufgefordert, weiterreichende Reduzierungen anzuordnen. Der frühere Präsident Barack Obama hatte zwar Regelungen zur Begrenzung von Leckagen vorgeschlagen, aber die Trump-Regierung hat aber die meisten politischen Maßnahmen der Obama-Ära im Bereich Methan rückgängig gemacht.
Ein Vertreter der Gasindustrie argumentierte der NYT zufolge, dass die neue Schätzung bei dem Versuch, sogenannte Ausreißerlecks hinzuzufügen, übers Ziel hinausgeschossen sei. Eine Sprecherin der E.P.A. sagte, dass die Agentur „sich auf die Überprüfung dieser Studie freut“.
[note *)Abstract in Science: „Assessment of methane emissions from the U.S. oil and gas supply chain – Bewertung der Methanemissionen aus der amerikanischen Öl- und Gaslieferkette“: „Die Methanemissionen aus der US-amerikanischen Öl- und Gaslieferkette wurden mit Hilfe von Messungen am Boden im Maßstab der jeweiligen Anlage geschätzt und mit Flugzeugbeobachtungen in Gebieten, die ~30% der US-Gasproduktion ausmachen, validiert. Im nationalen Maßstab liegt unsere anlagenbezogene Schätzung der Emissionen in der Lieferkette im Jahr 2015 bei 13 ± 2 Tg/J, was 2,3% der Brutto-Gasproduktion in den USA entspricht. Dieser Wert ist ~60% höher als die US-EPA-Inventarschätzung, wahrscheinlich, weil bestehende Inventurmethoden die Emissionen, die bei abnormalen Betriebsbedingungen freigesetzt werden, verfehlen. Methanemissionen dieser Größenordnung pro verbrauchter Erdgaseinheit erzeugen über einen Zeithorizont von 20 Jahren einen Strahlungsantrieb, der mit dem CO2 aus der Erdgasverbrennung vergleichbar ist. Signifikante Emissionsminderungen sind durch die schnelle Erkennung der Ursachen für hohe Emissionen und den Einsatz weniger störanfälliger Systeme möglich.]
->Quellen und ganzer NYT-Artikel: