DIW: Zweite Ostseepipeline überflüssig

Studie: Europäische Erdgasversorgung krisenfest, außerdem sinkt Erdgasbedarf

Die geplante (und schon begonnene) Ostseepipeline Nord Stream 2 ist zur Sicherung der Erdgasversorgung nicht notwendig, schreibt das DIW Berlin (Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung) in seinem Monatsbericht 27/2018. Deutschland und Europa verfügten bereits jetzt über ein gut ausgebautes Netzwerk von Pipelines und Lieferregionen, das weiter diversifiziert und darüber hinaus im Bedarfsfall durch Flüssiggaslieferungen ergänzt werden könne. Sowohl die deutsche als auch die europäische Erdgasversorgung seien damit krisenfest. Das zeigten DIW-Modellrechnungen.

„Die Erdgasversorgung ist sicher. Dank einer gut entwickelten Infrastruktur und einer Vielfalt an Lieferländern kann und wird es keine Versorgungsengpässe geben. Selbst ein unwahrscheinlicher Totalausfall der russischen Erdgaslieferungen könnte durch alternative Bezugsquellen und Effizienzsteigerungen ausgeglichen werden. Zudem zeigen Szenarien, dass der Erdgasbedarf eher zurückgeht“, sagte DIW-Energieexpertin Claudia Kemfert.

Unrealistische Bedarfsschätzungen

Energiewirtschaftliche Analysen überschätzten oftmals den zukünftigen deutschen und europäischen Erdgasbedarf erheblich, unter anderem, weil sie die Kosten für Erneuerbare Energien zu hoch ansetzen und die Bedeutung von Klimaschutz unterschätzten. Dies gelte vor allem für das EU-Referenzszenario, das dem Projekt Nord Stream 2 zugrunde liege und dessen Annahmen bereits vom Europäischen Rechnungshof bemängelt worden seien. Berechnungen des DIW Berlin zeigten dagegen, dass sowohl die Erneuerbaren Energien als auch die Klimaschutzpolitik dazu führen würden, dass der Erdgasbedarf in Europa aller Voraussicht nach eher zurückgehen werde.

Flüssiggas als zusätzliche Option

Im Rahmen der Energieunion setzt die EU schon seit Jahren auf eine Diversifikation ihrer Erdgasimporte, um vor allem die Abhängigkeit von russischen Lieferungen zu vermindern. Insbesondere besteht die Möglichkeit, Flüssiggas (Liquefied Natural Gas, LNG) in zahlreichen Importterminals entlang der europäischen Küsten anzulanden, die derzeit nur schwach ausgelastet sind. Deutschland hat zwar keinen eigenen LNG-Hafen, kann aber Flüssiggas problemlos über die Niederlande beziehen und im gut ausgebauten Pipelinenetz transportieren.

Nord Stream 2 ist betriebswirtschaftlich unrentabel und politisch motiviert

Auch aus betriebswirtschaftlicher Perspektive sei Nord Stream 2 fragwürdig. Mehrere Analysen deuteten darauf hin, dass das Projekt weit von wirtschaftlicher Rentabilität entfernt sei . „Die Projektgesellschaft wird die zusätzlichen Kosten in einem überwiegend gesättigten europäischen Erdgasmarkt tendenziell auf die Endverbraucher umlegen. Es ist wahrscheinlich, dass politische Gründe hinter der Entscheidung für die Nord Stream 2 Pipeline stehen“, so Kemfert. Neben der Vermeidung des Transits durch die Ukraine gehe es Gazprom auch um die Stärkung seiner Position im europäischen Erdgasmarkt.

[note Baustopp von Nord Stream 2 abgelehnt – NABU: „Schwarzer Tag für die Ostsee“ – Zwei Wochen nach Beginn der Baggerarbeiten in der Ostsee hat das Oberverwaltungsgericht Greifswald den Antrag des Naturschutzbunds Deutschland (NABU) auf einen vorläufigen Baustopp für die umstrittene Gaspipeline Nord Stream 2 abgelehnt. Am 03.07.2018 hat der NABU einer Medienmitteilung folgend gegen diese Entscheidung Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe eingereicht. Damit lässt der NABU an höchster Stelle den effektiven Rechtsschutz im Fall überprüfen. Im Antrag wird eine sofortige Unterbrechung der Bauarbeiten gefordert, bis eine Entscheidung aus Karlsruhe vorliegt.
55 Milliarden Kubikmeter Erdgas soll die Pipeline Nord Stream 2 pro Jahr von Russland nach Mecklenburg-Vorpommern mitten durch die Ostsee transportieren. Mit dem Bau wurde im Mai 2018 begonnen. Von Anfang an bewertete der NABU das Projekt kritisch. Denn die Trassenführung durch vier Meeresnaturschutzgebiete führt zu irreparablen Schäden der empfindlichen Meeresumwelt der Ostsee.
Nachdem das Bergamt Stralsund Anfang 2018 per Planfeststellungsbeschluss den Bau der Pipeline in den Küstengewässern genehmigte, prüfte der NABU mit Hilfe eigener Fachgutachten die Möglichkeiten der Verbandsklage. Am 02.03.2018 hat der NABU Klage gegen die Genehmigung zum Bau der Gaspipeline am zuständigen Oberverwaltungsgericht Greifswald eingereicht. Der NABU befürchtet erhebliche Umweltauswirkungen in mehreren FFH- und Vogelschutzgebieten. Die Klage begründet sich darüber hinaus auch durch eine Reihe von Verfahrensfehlern.]

->Quellen:

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