Projekt „Empower Refugees“ fördert Integration und Qualifizierung

Geflüchtete werden zu Facharbeitern für Windenergieanlagen

Sie kamen als Geflüchtete nach Deutschland – zukünftig arbeiten sie als Facharbeiter in der Windenergiebranche. Seit März nehmen zwölf geflüchtete junge Männer an einer fünfmonatigen Maßnahme der Kraftwerksschule e.V. (KWS) in Essen teil, die sie auf eine Ausbildung im elektrotechnischen Bereich vorbereitet. Im Anschluss daran haben die Teilnehmer die Möglichkeit, in einer 16-monatigen Umschulung den Beruf des IHK-geprüften Industrieelektrikers für Windenergieanlagen zu erlernen. Damit wird zum einen ein Beitrag zur Integration geleistet und gleichzeitig dem massiven Fachkräftemangel entgegengewirkt, den die Serviceunternehmen in der Windindustrie schon seit langem beklagen.

Bau eines Windgenerators – Foto © Gerhard Hofmann für Solarify

Qualifizierter Nachwuchs in Windenergiebranche ist begehrt

Wenn die Auszubildenden in der KWS nicht Elektrotechnik büffeln oder in der Lehrwerkstatt sägen, feilen und bohren, erlernen sie ihren zukünftigen Beruf im Rahmen einer innerbetrieblichen Ausbildung bei den Unternehmen psm Nature Power Service & Management in Erkelenz, Umwelt Technik Windkraft in Hamm, RTS Wind AG in Bremen und Deutsche Windtechnik X-Service in Osnabrück. „Integration ist eine gesellschaftliche Aufgabe, die am besten gelingt, wenn man die Leute in Ausbildung und Arbeit bringt“, sagt Torsten Stoll, Geschäftsführer von psm. „Wir haben uns gefragt: Welchen Beitrag können wir als Betrieb dabei leisten?“ Zusammen mit der KWS entstand 2016 die Idee, Geflüchtete zu Facharbeitern für Windenergieanlagen zu qualifizieren. Dies kommt auch den Unternehmen zugute: „Wir suchen permanent qualifizierte Mitarbeiter“, sagt Geschäftsführer Ian Paul Grimble, „finden aber einfach keine. Statt über den Fachkräftemangel zu jammern, bilden wir seit langem Lehrlinge aus und setzen nun auch auf die Geflüchteten, um unseren Bedarf zu decken.“

Es sei nicht einfach gewesen, geeignete Interessenten für die Qualifizierungsinitiative zu finden, erinnert sich Christian Jaffke, Lehrgangsleiter der KWS. Ein Jahr lang wurde über verschiedene Jobcenter in Nordrhein-Westfalen und über die direkte Ansprache in Deutschkursen geworben. Eingangsvoraussetzungen sind ausreichende Sprachkenntnisse und körperliche Fitness. Gut 150 Interessenten kamen so zu den Info-Veranstaltungen, bei denen das Projekt detailliert vorgestellt wurde. „Die Windenergiebranche hat ein riesiges Problem, Nachwuchs zu finden, weil die Berufe sehr herausfordernd sind“, erklärt er, „zunächst einmal muss man als Techniker schwindelfrei sein und körperlich so fit, dass man gegebenenfalls mehrmals am Tag 100 Meter hohe Windräder hinauf klettern kann.“ Hinzu komme, dass sich die Anlagen nicht in direkter Nähe zum Wohnort befinden, so dass die Mitarbeiter stets zu mehrtägigen Dienstreisen bereit sein müssten.

Hohe Anforderungen an Schüler

Die insgesamt zwölf Männer aus Syrien und dem Irak, die an der Umschulung teilnehmen, haben bereits ihre Höhentauglichkeit bei der Testbesteigung einer Windenergieanlage bewiesen als auch die Unterweisung zum Arbeitsschutz und die Arbeitssicherheitstrainings absolviert. Mitte April haben die Teilnehmer bereits ein jeweils fünfwöchiges Praktikum in insgesamt vier Serviceunternehmen der Windenergiebranche begonnen. Die Praktikanten sammelten dabei erste Erfahrungen bei Inspektionen und der Instandhaltung von Windenergieanlagen.

Für Hossein Mowludi, Alayawi Salam Al-Mohamad, Anas Du Alghna und Ali Mahmoud sind die besonderen Bedingungen kein Problem. Die vier Männer absolvieren bei psm in Erkelenz ihr erstes Betriebspraktikum. „Ich bin begeistert und freue mich sehr, durch die Arbeit die Chance zu haben, in Deutschland Fuß zu fassen“, sagt Hossein Mowludi, der aus dem Iran stammt. Sein syrischer Kollege Anas Du Alghna ergänzt: „Die Mitarbeiter sind alle so nett. Ich lerne gern Neues und hoffe, dass ich durch das Projekt eine feste Arbeit finde.“

Hardi Gronau, Schulungsleiter bei psm, ist voll des Lobes über seine Schützlinge. „Die Motivation bei den Jungs ist riesig. Wie oft haben wir uns in der Vergangenheit schon Praktikanten mit dieser Motivation gewünscht.“ Die Akzeptanz bei den übrigen Mitarbeitern sei vorbildlich. „Als ich denen erzählt habe, dass wir jetzt Geflüchtete zu uns in den Betrieb holen, haben die gesagt ‚Klasse, da machen wir mit.“

Windenergie-Trainingsanlage ermöglicht praktisches Training

Um ihren Teilnehmern eine möglichst praxisnahe Lernumgebung zu ermöglichen, errichtet psm im Auftrag der KWS eine reale Windenergieanlage zu Trainingszwecken auf dem Campus der KWS in Essen. Die Anlage wird aus einem 12 Meter hohen Turm bestehen, der die komplette und voll funktionsfähige Gondel einer Südwind MD 1,5 MW inklusive gekürzten Rotorblättern trägt. Teilumrichter, Trafohaus und ein Netzanschluss komplettieren die Trainingsanlage und ermöglichen Sicherheitstrainings und Qualifizierung unter Realbedingungen. Die Trainingsanlage wird voraussichtlich im Herbst einsatzbereit sein.

Pilotprojekt mit Signalwirkung

Gronau hofft, dass das Pilotprojekt Signalwirkung in die Branche hinein hat und darüber hinaus für die Gesellschaft ein Zeichen setzt. Für den nächsten Jahrgang wolle man mehr Projektpartner gewinnen und mehr Teilnehmer finden. Auch die Übertragung auf andere Bundesländer sei denkbar. Denn dank „Empower Refugees“ zeigt sich, dass Integration und Fachkräftesicherung Hand in Hand gehen können. „Win-win eben“, sagt Gronau und lächelt stolz.

Interessierte haben die Möglichkeit, das Projekt am Dienstag, den 14. August 2018 (10:30 bis 13:00 Uhr) in den Räumlichkeiten der KWS näher kennenzulernen. Bei Interesse und Fragen können Sie sich gerne an anja.langenbach@kraftwerksschule.de, Tel. 0201-8489201 wenden.

-> Quelle: energieagentur.nrw/eanrw/meldungen/wie_gefluechtete_zu_geprueften_facharbeitern_fuer_windenergieanlagen_werden