Zynischer Zeitgewinn
Am 20.07.2018 präsentierte Autominister Scheuer den ersten (wirklich!) hardware-nachgerüsteten ÖPNV-Diesel-Bus (mit SCR, selektiver katalytischer Reduktion, einer Technik zur Umwandlung von Stickoxiden mittels Ammoniak zu Wasser und Stickstoff, selektiv deshalb, weil bevorzugt NOx reduziert werden). Dem erstaunten Beobachter fällt auf, dass viele Politiker bisher das nachbeteten, was ihnen die Millionen-schweren Vorbeter auf den Chefsesseln der deutschen Auto-Groß-Schmieden vorsagten: Hardware-Nachrüstung geht entweder gar nicht, oder ist zu teuer, dauert jedenfalls endlos lange; der automobil-grüne Ober-Schwabe Kretschmann wiederholte das jedenfalls ständig brav. Offenbar geht es doch – aber nur im ÖPNV. Den Armen, die stickstoffoxid-krank vorzeitig aus dem Leben scheiden, ist es jedoch sehr egal, ob ein privater oder ein öffentlicher Auspuff ihre NOx-Sterbehilfe emittiert. Zumal die SCR-Technik seit langem zur Verfügung steht: Beim ersten Diesel-Gipfel am 02.08.2018 demonstrierten eine Menge Vans und Busse vor dem BMVI mit entsprechenden Aufschriften. Hat die damals kein Politiker gesehen? Oder warum brauchten sie seitdem fast ein Jahr? Denn erst im November 2017 erfand die Politik allen Ernstes ein „Sofortprogramm“ (das sollte in Wahrheit die Gewinne der Automobilindustrie absichern, vordergründig aber angeblich Arbeitsplätze und die betrügerische Industrie vor dem Ruin schützen). Dann gingen bis Ende März 2018 erneut fast vier Monate für die Konkretisierung für den ÖPNV ins Land (gut – es waren Wahlen…), dann schließlich noch einmal vier Monate, bis der erste (ein einziger!) Bus nachgerüstet war – dreist-stolz von einem Minister präsentiert, der (oder keiner seiner PR-Berater) sich mitnichten der Gefahr bewusst zu sein schien, dass er damit Komiker und Kabarettisten landauf landab unfreiwillig mit Material versorgte („Comedy-Gold“). Dabei ist das Thema angesichts (geschätzt) 12.000 vorzeitiger Todesfälle viel zu ernst für lustige Wortspiele. SZ-Redakteur Michael Bauchmüller hat die wahre Absicht Merkels/Scheuers im März weitsichtig zusammengefasst: Die Regierung habe „nur ein Ziel: Zeitgewinn“. Die unlogisch „Sofortprogramm“ genannte Augenwischerei soll helfen, dass erstmal „keine flächendeckenden Fahrverbote für alte Diesel und keine blauen Plaketten für saubere Autos kommen werden, in denen die Autohersteller keine Nachrüstung an ihren Motoren vornehmen müssen, auch wenn diese um ein Vielfaches mehr Stickoxid ausstoßen als zulässig. Die Bundesregierung, zur Einhaltung von Recht und Gesetz verpflichtet, dehnt die Grenzwerte, dass einem schwindlig wird.“ Die Kanzlerin hat übrigens (wiederholt) geschworen , „Schaden vom deutschen Volk abzuwenden“. Bleibt die Frage, warum man all das an den Umfragewerten der Parteien kaum merkt. -Gerhard Hofmann-