Österreicher will Fusionsreaktor bauen – viele folgen ihm
Es klingt schier unglaublich: Der Österreicher Michl Binderbauer will einen emissionsfreien Fusions-Reaktor bauen. Die Meldung würde schnell in der „Ablage P“ verschwinden, würden nicht in paar Dinge stutzig machen: Zu den Unterstützern zählt beispielsweise Google. Das Handelsblatt berichtete breit: Mit seinem Start-up TAE Technologies habe Binderbauer, dessen CEO er erst vor wenigen Tagen (17.07.2018) wurde, prominente Investoren wie den Staatsfonds von Kuwait, die Rockefeller-Familie oder Microsoft-Mitbegründer Paul Allen an Land gezogen. Im Verwaltungsrat sitzen große Köpfe: Ex-Vorstandschef von General Electric, Jeffrey Immelt und der ehemalige US-Energieminister und Nuklearphysiker Ernest Moniz. Diese illustre Galerie legt nahe: Da muss etwas dran sein.
Langer Atem der Geschichte nötig
Aber: Viele haben schon Hoffnungen in die die Kernfusion gesetzt – immer noch lässt ein Erfolg auf sich warten: 1973 wurde in Garching nach Anfangsversuchen der HBS II mit 16 Metern Torusdurchmesser eingeweiht. Damals hieß es: In 15 Jahren könne die erste Fusion gelingen. Der Aufbau verzögerte sich, und schon 1980 wurde die HBS-Linie wieder aufgegeben. 1991 hat dann ein europäischen Forscherteam im englischen Culham zum ersten Mal zwei leichte Atomkerne zu einem schweren Atomkern verschmolzen und die Fusion zwei Sekunden aufrechterhalten. Noch musste 1omal so viel Energie hineingesteckt werden wie herauskam. Begonnen hatte der Joint European Torus (JET) 1978. Damals hieß es: In 15 Jahren werden wir mehr Energie herausholen als hineinstecken. Doch bis heute – inzwischen laufen neue Experimente mit zwei verschiedenen Reaktortypen (ITER in Frankreich mit dem Tokamak und Wendelstein 7-X in Greifswald mit dem Stellarator); ständig werden Rekorde von Plasmatempraturen gemeldet.
2014 schließlich meldete der US-Konzern Lockheed Martin, man habe in nur vierjähriger Entwicklungsarbeit – völlig unbemerkt von der Öffentlichkeit – einen kompakten Kernfusionsreaktor gebaut. Diese Mitteilung stieß bei der Forschergemeinde auf Unglauben: Die wissenschaftliche Direktorin des Max-Planck-Instituts für Plasmaphysik in München-Garching (IPP), Professor Sibylle Günter, fällte ein vernichtendes Urteil: „Die vorgeschlagene Anordnung ist gar nicht zum Einschluss heißer Plasmen geeignet.”
Inzwischen waren zig Milliarden in die (seriöse) irdische Sonnenkopie gesteckt worden. Doch der Horizont eines möglichen Erfolges ist immer weiter zurückgewichen. Am 09. 10. 2014 wurde in Brüssel das Konsortium EUROfusion gegründet. Es umfasst 29 nationale Fusionszentren aus 26 EU-Ländern und der Schweiz. Die Kräfte sollen effizienter auf das gemeinsame Ziel – ein Energie lieferndes Fusionskraftwerk – ausgerichtet und die EU-Finanzierung neu geregelt werden. Koordinator des Konsortiums ist das Max-Planck-Institut für Plasmaphysik (IPP) in Garching bei München.
ITER und Wendelstein mal eben überholen? Skepsis
Und nun ein einfaches Fusionskraftwerk in zehn Jahren – ganz schnell? „Das Geschäftsmodell von TAE (ursprünglich „Tri Alpha Energy“) ist vor allem ein großes Versprechen“, schrieb Thomas Jahn im Handelsblatt. Das kalifornische Start-up wolle schon in zehn Jahren den ersten Fusionsreaktor auf den Markt bringen. Google helfe mit und „durchkämmt mit Software und künstlicher Intelligenz die ungeheuren Datenmengen aus der TAE-Versuchsanlage“. Skepsis allenthalben: „In 100 Jahren schafft es TAE vielleicht, aber nicht in einem Jahrzehnt“, zitiert das Handelsblatt den langjährigen Princeton-Fusionsforscher Daniel Jassby. Binderbauer konterte kühl: „Wir haben bislang alle mit unseren Investoren vereinbarten Meilensteine erreicht.“ Immerhin in den vergangenen 15 Jahren 600 Millionen Dollar durch Fundraising.
[note Handelsblatt: „An Fusionsenergie arbeiten auch andere Firmen mit prominenter Unterstützung. Das Unternehmen Commonwealth Fusion Systems ist eine Ausgründung der Eliteuniversität MIT und erhielt von wenigen Monaten 50 Millionen Dollar vom Energiekonzern Eni. Der italienische Energieversorger will 2033 einen Fusionsreaktor ans Netz bringen. Der deutschstämmige prominente Investor Peter Thiel hat sich beim TAE-Konkurrenten Helion Energy engagiert, Amazon-Gründer Jeff Bezos beim kanadischen Start-up General Fusion.]
Angeblich geht TAE in der Fusionsenergie einen neuen Weg: Bei ITER oder Wendelstein 7-X werden Deuterium und Tritium verwendet – Ergebnis: ein Helium-Kern und viel nutzbare Energie. Problem: Tritium ist radioaktiv, weil es aus angereichertem AKW-Kühlwasser gewonnen wird. Folge: „radioaktiver Abfall“. TAE dagegen nimmt Wasserstoff und Bor. Problem: Extrem hohe Temperaturen von drei Milliarden Grad Celsius sind notwendig.
Wer ist TAE Technologies? Ein amerikanisches Unternehmen mit Sitz in Foothill Ranch, Kalifornien, das für die Entwicklung von (sogenannter) aneutronischer Fusionsenergie gegründet wurde. Das Design des Unternehmens basiert auf einer feldumgekehrten Konfiguration (FRC), die Merkmale anderer Fusionskonzepten kombiniert. Das Unternehmen wurde 1998 mit privatem Kapital gegründet. Es agierte viele Jahre als Tarnkappenunternehmen und verzichtete bis 2015 auf den Start seiner Website. TAE diskutierte in der Regel weder über Fortschritte noch über einen Zeitplan für die kommerzielle Produktion. Es hat jedoch verschiedene Patente angemeldet und erneuert. Es veröffentliche in den vergangenen fünf Jahren regelmäßig theoretische und experimentelle Ergebnisse in wissenschaftlichen Zeitschriften mit über 150 Publikationen und Postern auf wissenschaftlichen Konferenzen. TAE bietet diese Artikel auf seiner Website als Forschungsbibliothek an. (nach en.wikipedia.org)
->Quellen: