Durchbruch bei industrieller CO2-Nutzung

Klimaschädliches Gas als Grundstoff für wichtigen Futtermittelzusatz

Professor Arne Skerra ist es einer Medienmitteilung der Technischen Universität München (TUM) vom 26.07.2018 zufolge erstmals gelungen, in einer biotechnischen Reaktion gasförmiges CO2 als Grundstoff für die Produktion eines chemischen Massenprodukts zu verwenden. Es handelt sich um Methionin, das als essenzielle Aminosäure vor allem in der Tiermast eingesetzt wird. Das neu entwickelte enzymatische Verfahren könnte die bisherige petrochemische Produktion ersetzen.

CO2-Rauch-Wasserdampf-Fahne Kraftwerk Reuter-West und Müllverbrennungsanlage, Berlin – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft für Solarify

Die heute gängige industrielle Herstellung von Methionin erfolgt in einem 6-stufigen chemischen Prozess aus petrochemischen Ausgangsstoffen, wobei unter anderem hochgiftige Blausäure benötigt wird. Im Rahmen einer Ausschreibung lud das Unternehmen Evonik Industries – einer der weltweit größten Hersteller von Methionin – 2013 Hochschulforscher ein, neue Verfahren vorzuschlagen, mit denen sich die Substanz weniger gefährlich herstellen lassen würde. Im Laufe des bisher verwendeten Prozesses entsteht das technisch unproblematische Zwischenprodukt Methional, das in der Natur als Abbauprodukt von Methionin vorkommt.

„Ausgehend von der Überlegung, dass Methionin in Mikroorganismen von Enzymen unter Abgabe von CO2 zu Methional abgebaut wird, versuchten wir diesen Prozess umzukehren“, erklärt Skerra, Inhaber des Lehrstuhls für Biologische Chemie an der TUM. „Denn jede chemische Reaktion ist im Prinzip umkehrbar, allerdings oft nur unter hohem Einsatz von Energie und Druck.“ Mit diesem Konzept beteiligte sich Skerra an der Ausschreibung. Evonik prämierte die Idee und förderte das Projekt.

Zusammen mit dem Postdoc Lukas Eisoldt begann Skerra, die Rahmenbedingungen für den Herstellungsprozess zu ermitteln und die nötigen Biokatalysatoren (Enzyme) herzustellen. Die Wissenschaftler unternahmen erste Versuche und erprobten, welcher CO2-Druck nötig wäre, um in einem biokatalytischen Prozess Methionin aus Methional herzustellen.

Überraschend ergab sich eine unerwartet hohe Ausbeute schon bei relativ niedrigem Druck – etwa entsprechend dem Druck in einem Autoreifen von zirka zwei Bar. Aufgrund der bereits nach einem Jahr erzielten Erfolge verlängerte Evonik die Förderung, und nun untersuchte das Team, verstärkt durch die Doktorandin Julia Martin, die biochemischen Hintergründe der Reaktion und optimierte mit Hilfe von Protein-Engineering die beteiligten Enzyme.

Effizienter als Photosynthese

In mehrjähriger Arbeit gelang es schließlich, die Reaktion im Labormaßstab nicht nur bis zu einer Ausbeute von 40 Prozent zu verbessern, sondern ebenso die theoretischen Hintergründe der biochemischen Abläufe aufzuklären. „Im Vergleich zur komplexen Photosynthese, in der die Natur ebenfalls auf biokatalytischem Wege CO2 als Baustein in Biomoleküle einbaut, ist unser Verfahren hochelegant und einfach“, berichtet Skerra. „Die Photosynthese verwendet 14 Enzyme und hat eine Ausbeute von nur 20 Prozent, während unsere Methode bloß zwei Enzyme benötigt.“

Das Grundmuster dieser neuartigen biokatalytischen Reaktion kann künftig auch Vorbild für die industrielle Herstellung anderer wertvoller Aminosäuren oder von Vorprodukten für Arzneimittel sein. Skerras Team wird das inzwischen patentierte Verfahren durch Protein-Engineering nun so weit verfeinern, dass es sich für die großtechnische Anwendung eignet. Damit könnte es zum ersten Mal einen biotechnologischen Herstellungsprozess geben, der gasförmiges CO2 als unmittelbaren chemischen Grundstoff nutzt. Bisher scheiterten Versuche, das klimaschädliche Treibhausgas stofflich zu verwerten, an dem äußerst hohen Energieaufwand, der dazu nötig ist.

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Methionin ist eine Aminosäure, also ein Grundbaustein von Eiweißstoffen, der für viele Lebewesen – vor allem den Menschen – essentiell ist, aber von diesen nicht selbst produziert werden kann. Diese Aminosäure muss deshalb mit der Nahrung aufgenommen werden. Ähnlich wie Mineraldünger das Wachstum von Pflanzen beschleunigt, verbessert Methionin das Wachstum von Masttieren wie etwa Geflügel oder Fisch. Die Jahresproduktion von Methionin beträgt derzeit etwa eine Million Tonnen weltweit.

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