„Deutschland wirtschaftet, als gäbe es drei Erden“

Erdüberlastungstag:  Stopp umweltschädlicher Subventionen gefordert

„Ab diesem Mittwoch leben wir auf Pump, aber auf lange Sicht wird die Erde uns keinen Kredit mehr geben können. Brennende Wälder, schmelzende Gletscher – längst leuchten die roten Warnlampen des Planeten“, so der Vorsitzende des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Hubert Weiger am 01.08.2018. Am 01.08.2017, einen Tag früher als 2017, sind die natürlichen Ressourcen aufgebraucht, welche die Erde 2018 regenerieren und damit ohne Schaden zur Verfügung stellen kann. Ab jetzt muss die Menschheit bis Jahresende bei der Natur einen Kredit aufnehmen.

Die Erde hat Fieber – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft für Solarify

Ein Parameter für diesen Kredit ist der „Earth Overshoot Day“ (EOD) – deutsch: Weltüberlastungstag oder -erschöpfungstag), jährlich berechnet vom footprintnetwork. Auch 26 Jahre nach der UNCED (United Nations Conference on Environment and Development) 1992 in Rio de Janeiro überschreitet der Ressourcenverbrauch jedes Jahr früher die globale Kapazität – auch wenn es dieses Jahr nur ein Tag früher als 2017 ist.

„Die Menschen verbrauchen immer schneller immer mehr Ressourcen – und Deutschland gehört zu den größten Verschwendern. Von der Bundesregierung erwarten wir, dass sie eine ökologisch und sozial nachhaltige Entwicklung zur Maxime macht und das verstaubte Wachstumsparadigma endlich ausrangiert. Weniger Verbrauch lässt sich mit mehr Lebensqualität gut vereinbaren, wenn die Politik entsprechende Rahmenbedingungen schafft“, so Weiger.

Bessere politische Anreize für Industrie und Bevölkerung nötig

Angesichts des weltweit steigenden Konsums und des wachsenden Verbrauchs – auch von nicht Erneuerbaren Ressourcen und Rohstoffen wie Öl, Gas, Metallen, seltenen Erden und Mineralien – würden natürliche Güter immer knapper. Hinzu komme die Belastung von Ressourcen wie Wasser, Luft und Boden durch Pestizide, Treibhausgase oder auch Müll. „Unsere Ökosysteme weltweit sind durch Raubbau und die Folgen des übermäßigen Konsums stark unter Druck. Wir brauchen bessere politische Anreize für Industrie und Bevölkerung, um natürliche Rohstoffe zu schonen und Müll zu vermeiden. Dazu gehören Mehrweg, Recycling und geschlossene Wertstoffkreisläufe, besonders für Plastik“, sagte Weiger.

In Deutschland überziehen Industrie und Bevölkerung ihr Ressourcen-Budget mit der Folge entsprechend hoher CO2-Emissionen. Essenziell seien daher der Ausstieg aus der Kohle vor 2030 und eine Wende in der Verkehrs- und Agrarpolitik, sagte Weiger. „Die Regierung sollte alle öffentliche Subventionen streichen, die dem Ziel einer nachhaltigen Entwicklung entgegenstehen“, so der BUND-Vorsitzende. Auch sei es notwendig, den Ressourcenschutz rechtlich besser zu verankern. Entsprechende Studien und Entwürfe für ein Ressourcenschutzgesetz lägen im Umweltbundesamt bereits vor. „Ein Ressourcenschutzgesetz ist sehr sinnvoll, ihm müssen aber auch konkrete Zielvorgaben zur Reduktion des Ressourcenverbrauchs folgen“, sagte Weiger.

Zum Schutz von Ressourcen sieht der BUND zudem bei der industriellen Landwirtschaft dringenden Handlungsbedarf. „Durch die industrielle Tierhaltung fallen enorme Mengen Gülle an, die das Grundwasser, Flüsse, Seen und Meere mit Nitrat und die Atmosphäre mit Ammoniak belasten. Wegen Monokulturen und Pestiziden gehen natürliche Lebensräume für Insekten und andere Tiere verloren, der Artenschwund dadurch ist rasant. Damit die Landwirtschaft weiterhin unsere Lebensgrundlagen erhalten kann, muss sie dringend klima- und umweltfreundlicher werden“, so der BUND-Vorsitzende.

Eigentlich alle einig

Andere Umweltschützer forderten – wie jedes Jahr – ebenfalls einen schonenderen Umgang mit Rohstoffen. So sagte Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) der Deutschen Presseagentur: „Ab heute leben wir für das restliche Jahr auf Pump – und auf Kosten kommender Generationen. Eine Folge unserer Übernutzung ist der Klimawandel mit immer häufigeren Extremwettereignissen, die wir schon jetzt zu spüren bekommen. Weiter so ist keine Option.“

„Wir müssen unsere Lebensweise endlich klimafreundlicher und nachhaltiger gestalten, um den Raubbau von Ressourcen zu stoppen“, sagte auch Grünen-Chefin Annalena Baerbock. „Energiewende, ökologische Landwirtschaft und das zunehmende Bewusstsein für nachhaltige Produktion müssen auf die politische Agenda.“Alle Gesetze müssten auf ihre Folgen fürs Klima abgeklopft werden.

Greenpeace wollte in etwa 30 deutschen Städten für ein Gesetz zum Ressourcenschutz protestieren. „Wir ignorieren konsequent die schlichteste Regel des Wirtschaftens: Niemand kann auf Dauer mehr ausgeben, als er einnimmt“, kommentierte Sprecherin . Ein Ressourcenschutzgesetz sei überfällig. Es soll unter anderem verbieten, dass neuwertige und gebrauchsfähige Waren vernichtet werden, wie es im Online-Handel und der Textilbranche bei Retouren oft geschehe.

Swiss Overshoot - wie viele Erden bräuchten wir - Grafik © footprintnetwork.org

[note Global Footprint Network ist ein internationaler Think Tank mit dem Ziel, Nachhaltigkeit voranzutreiben. Dazu wird der Ecological Footprint genutzt. Der Footprint ist ein Buchhaltungswerkzeug, das misst, wie viele Naturressourcen und –dienstleistungen wir verbrauchen, wie viele wir haben und wer wie viele Ressourcen konsumiert. Indem wir ökologische Grenzen ins Zentrum aller relevanten Entscheidungsfindungs-Prozesse rücken, unterstützen wir die Bemühungen, den globalen Overshoot zu beenden und eine Gesellschaft zu schaffen, in der alle Menschen innerhalb der verfügbaren Ressourcen unseres Planeten gut leben können.]

Jörg-Andreas Krüger, Direktor Ökologischer Fußabdruck beim WWF Deutschland:„Die Entwicklung ist so gefährlich, da sie seit über dreißig Jahren ungebremst anhält.“ Die Folgen der jahrzehntelangen Übernutzung sind laut WWF bereits heute weltweit spürbar. Die Klimakrise und das größte Artensterben seit Verschwinden der Dinosaurier haben alle Kontinente erfasst. „Wir sind es künftigen Generationen schuldig, den Raubbau endlich zu stoppen. Entscheidungen, die wir heute nicht treffen, werden katastrophale Konsequenzen haben. Zugleich sind die Würfel noch nicht gefallen. Noch haben wir es in der Hand, unsere Zukunft positiv zu gestalten“, so Krüger. Seine Forderung: Deutschland als erfolgreiche Industrienation muss sich endlich an die Spitze einer weltweiten Öko-Bewegung stellen – aus purem Eigennutz: „Wir Menschen brauchen eine gesunde, stabile Umwelt. Das zeigen nicht zuletzt dieser Dürresommer oder die seit Jahren zu trockenen Frühjahre, unter denen Landwirtschaft und Ökosysteme gleichermaßen leiden. Zugleich befeuern paradoxerweise Teile der deutschen Agrarindustrie mit der konventionellen Massentierhaltung diese Entwicklung. Für die Futtertröge in unseren Mastanlagen werden etwa in Südamerika wertvolle Ökosysteme und CO2-Speicher gerodet um Platz für Soja-Monokulturen zu schaffen.“

Frankreichs Regierung arbeitet laut Greenpeace schon daran, das Vernichten neuwertiger Textilien zu verbieten. Supermärkte in Frankreich müssen Lebensmittelabfälle bereits spenden, kompostieren oder als Tierfutter einsetzen.

[note Solarify denkt sich: 35.800 Fundstellen ergibt eine bekannte Suchmaschine auf die Eingabe Weltüberlastungstag hin – eigentlich müssten es doch alle wissen… Wir machen aber so weiter, als wäre nichts geschehen…]

->Quellen: