Positionspapier zu bio- und CO2-basierter Ökonomie 2018-08: Erneuerbarer Kohlenstoff ist der Schlüssel zur Zukunft einer nachhaltigen Chemie
Einleitung
Die chemische Industrie steht vor großen Herausforderungen, um die Klimaziele der Europäischen Kommission und die Nachhaltigkeitswünsche der Gesellschaft zu erfüllen: Der Energiebedarf muss durch Prozessoptimierungen weiter gesenkt und durch Erneuerbare Energien gedeckt werden. Die Nachhaltigkeit der Produkte in der Nutzungsphase und am Lebensende muss verbessert werden. Eine konsequente Kreislaufwirtschaft muss die Ressourceneffizienz steigern, die Nachfrage nach Rohstoffen verringern sowie Verlustpfade in die Umwelt (Kunststoffabfall, Mikroplastik) minimieren. „Ein solcher politischer Ehrgeiz erfordert einen Paradigmenwechsel, der durch technologische Durchbrüche unterstützt werden muss.“ (DECHEMA 2017)
Was dabei oft übersehen wird und untrennbar mit den genannten Herausforderungen verbunden ist: Die Chemische Industrie kann nur nachhaltig werden, wenn sie sich von fossilen Rohstoffen wie Erdöl, Erdgas und Kohle vollständig verabschiedet und nur noch erneuerbaren Kohlenstoff als Rohstoff für die organische Chemie einsetzt.
Es ist eben nicht die Dekarbonisierung, wie sie im Energiebereich mit Recht und Sinn gefordert wird. Denn die organische Chemie kann nicht dekarbonisiert werden, da sie vollständig auf der Nutzung von Kohlenstoff basiert. In den aktuellen politischen und öffentlichen Diskussionen geht es zurzeit vor allem um Verbote, Gebote und Steuern in den unterschiedlichsten Anwendungsfeldern von Kunststoffen und Chemikalien, oft nicht mehr als populistische Symbolpolitik. Das große Ziel, die chemische Industrie auf erneuerbaren Kohlenstoff umzustellen, gerät dabei leicht aus dem Blickfeld, obwohl viele Probleme hierdurch systemisch gelöst werden könnten. Politik und Öffentlichkeit scheinen vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr zu sehen.
Klimaexperte Joachim Schellnhuber vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung sagte am 15. Mai 2018 in einem Interview für die Süddeutsche Zeitung: „Es herrscht eine seltsame Gelassenheit. Wir steuern im Irrsinnstempo auf eine unbeherrschbare globale Situation zu, die Risiken erhöhen sich quasi stündlich, aber viele Medien berichten nur noch mit gequälter Beiläufigkeit darüber.
Wissenschaftler haben in mehreren Studien ausgerechnet, wie viel fossiler Kohlenstoff noch aus der Erde geholt werden darf, bis die Klimaziele endgültig aufgegeben werden müssen. So schreiben z. B. Christophe McGlade und Paul Ekins in Nature: „Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass weltweit ein Drittel der Ölreserven, die Hälfte der Gasreserven und über 80 Prozent der derzeitigen Kohlereserven von 2010 bis 2050 ungenutzt bleiben sollten, um das Ziel von 2°C zu erreichen.“
Solange die chemische Industrie fossilen Kohlenstoff nutzt, trägt sie weiter zum Treibhauseffekt bei; und dies in immer relevanterer Weise. Während heute die stoffliche Nutzung von Erdöl nur etwa 8 % (inkl. Asphalt) der Gesamtnutzung ausmacht, erwarten Experten, dass dieser Anteil bis zum Jahr 2050 auf ca. 30 % anwachsen könnte. Dies aus zwei Gründen: Der starke Ausbau von Solar- und Windenergie dämpft zunehmend die Nachfrage nach fossilen Energieträgern und die Zunahme an Elektroautos verringert die Nachfrage nach fossilen Kraftstoffen. Im Bereich von Chemie und Kunststoffen sehen die meisten Marktforscher dagegen weltweit eine jährlich steigende Produktion mit einem Wachstum von 3 bis 4 %, da der Bedarf an Wohnraum, Kleidung, Mobilität und Verpackungen durch eine wachsende Weltbevölkerung und steigende Lebensstandards weiter stark wächst.
Das heißt aber auch, dass der Anteil der Chemie an den Treibhausgasemissionen trotz aller Effizienzsteigerung weiter wachsen und auch zunehmend in den Fokus der Öffentlichkeit geraten wird. Nur eine klare Strategie hin zu erneuerbarem Kohlenstoff kann einen weiteren Imageschaden für die chemische Industrie verhindern oder sogar ins Positive wenden.
Folgt: Erneuerbarer Kohlenstoff aus Recycling von Kunststoffen und anderen Produkten der organischen Chemie