Schlüssel zu nachhaltiger Chemiezukunft

Erneuerbarer Kohlenstoff aus direkter CO2-Nutzung aus fossilen und biogenen Punktquellen und „Direct Air Capture“ – „Carbon Capture and Utilisation“ (CCU)

Eine nahezu unbegrenzt verfügbare Quelle für Erneuerbaren Kohlenstoff ist das in Abgasen, Abluft und der Atmosphäre vorhandene CO2, das mit unterschiedlichen Technologien als Rohstoff für die Chemie genutzt werden kann.

Fossiles CO2 fällt heute vor allem bei fossilen Punktquellen bei Kraftwerken, der Stahl- und Zement-/Kalkindustrie und der chemischen Industrie an und bei einigen dieser Industrien ist die CO2-Produktion auch in den nächsten Jahrzehnten aufgrund der spezifischen Technologien unvermeidbar. Biogenes CO2 entsteht vor allem bei der Fermentation in der Lebens- und Futtermittelindustrie oder auch bei Biogasanlagen sowie bei der Verbrennung von Biomasse oder in der Papierindustrie. Der größte Vorrat anCO2 befindet sich in der Atmosphäre, aus der CO2 mit speziellen Anlagen via „Direct Air Capture“ gewonnen werden kann.

Um den Kohlenstoff im CO2 wieder nutzbar zu machen, muss das CO2 mit Hilfe großer Mengen an Energie chemisch reduziert werden. Ökologisch betrachtet kommen hierzu nur Erneuerbare Energien oder vorhandene Prozessenergie in Frage. Um also das CO2 selbst als Rohstoffquelle nutzen zu können, müssen erneuerbare Energien wie Sonne, Wind, Wasser und Geothermie weltweit massiv ausgebaut werden.

Wenn genügend erneuerbare Energie zur Verfügung steht, stellt die direkte CO2-Nutzung eine unerschöpfliche und nachhaltige Kohlenstoffquelle für die Chemie dar. Eigene Rechnungen zeigen, dass bereits 2 % der weltweiten Wüstenflächen ausreichen würden, um über Photovoltaik und CO2-Nutzung den wachsenden gesamten Kohlenstoffbedarf der Chemie im Jahr 2050 decken zu können!

Aus CO2 (Kohlendioxid) und H2 (Wasserstoff), gewonnen aus erneuerbarer Energie, können in einfachen Reaktionen Methan, Methanol, Ameisensäure, Ethen und Alkohole gewonnen werden. Hieraus kann bereits ein Großteil der heutigen Chemikalien hergestellt werden. Mit dem Fischer-Tropsch-Verfahren kommen Naphtha und langkettige Wachse hinzu, sodass selbst die heutige Raffineriestruktur für die Herstellung von Plattformchemikalien erhalten und von fossilen Rohstoffen entkoppelt werden kann. Mit Hilfe neuer chemischer Katalysatoren können zudem neue CO2-basierte Chemikalien und Polymere entwickelt und mit Hilfe von Biotechnologie selbst komplexe organische Moleküle direkt aus CO2 gewonnen werden.

Schon über diese Wege muss die Gesellschaft auf nichts verzichten, wenn die Chemie auf erneuerbaren Kohlenstoff umgestellt wird. Mittel- bis langfristig werden zudem erhebliche Fortschritte bei der Entwicklung der künstlichen Photosynthese und der Photokatalyse erwartet, mit deren Hilfe Sonnenlicht direkt für Herstellung von Chemikalien genutzt werden soll. Grundlage sind Entwicklungen auf Basis neuartiger Nanomaterialien und Polymersysteme, durch die eine effiziente Nutzung der Solarstrahlung, Wasserspaltung und CO2-Reduzierung direkt mit der Synthese der gewünschten Produkte gekoppelt werden kann. Es wird erwartet, dass bis 2050 kommerzielle Systeme mit künstlicher Photosynthese auf dem Markt sein werden.

Gegenüber der Biomassenutzung hat die direkte CO2-Nutzung einige erhebliche Vorteile: Der Flächen- und Wasserbedarf liegt deutlich unter dem der Biomassenutzung. Searchinger et al. haben 2017 berechnet, dass der Flächenbedarf für die Ethanolherstellung aus Holz im Weltdurchschnitt die 85-fache Fläche benötigt wie die Herstellung über Photovoltaik und direkter CO2-Nutzung. Der Grund dafür ist die erheblich bessere Ausbeute moderner Solarzellen (20 – 25 %, Experten halten bis 2050 sogar Wirkungsgrade von 40 % für möglich), gegenüber der natürlichen Photosynthese, bei der über die gesamte Prozesskette inklusive Landwirtschaft und „Down-Stream“-Prozesse nur 0,1 bis 0,3 % der Solareinstrahlung in das finale Produkt gelangt.

Es ist daher zu erwarten, dass Massenchemikalien in einer nachhaltigen Chemie primär auf einer chemischen CO2-Nutzung via Methan, Methanol und Naphtha basieren, während Feinchemikalien und komplexe Moleküle eher aus Biomasse (und CO2-Fermentation) hergestellt werden. Gleichzeitig werden mechanisches und chemisches Recycling den Bedarf an zusätzlichem erneuerbaren Kohlenstoff insgesamt senken.
Während das klassische Recycling Produkte und Werkstoffe wiederverwendet, findet bei der Nutzung von Biomasse und direkter CO2-Nutzung ein Kohlenstoff-Recycling statt, das ebenso einen Teil einer erweiterten Kreislaufwirtschaft darstellt.

Ein zukünftiges Szenario für die Kunststoffindustrie könnte dann wie folgt aussehen: Mit einem jährlichen Wachstum von 3 – 4 % wird die weltweite Kunststoffproduktion bald die Marke von 400 Mill. t erreichen.

Mit großen Recyclinganstrengungen könnte es gelingen, den weiter wachsenden Bedarf an Neukunststoffen bis 2050 zwischen 400 und 500 Mil. t zu halten. Dieser Bedarf könnte dann z. B. zu 30 % durch Biomasse und 70 % durch direkte CO2-Nutzung gedeckt werden. Die hierzu notwendige Menge an Biomasse entspräche etwa 1 % der aktuell global genutzten Biomasse in allen Anwendungen (13 – 14 Milliarden t, davon allein 60 % für Futtermittel zur Milch- und Fleischproduktion).

Richard Northcote, Chief Sustainability Officer beim Chemiekonzern Covestro, sagte im April 2018: „Können Sie sich zum Beispiel vorstellen, dass wir im Jahr 2050 das Öl als Industrie nicht berühren, sondern im Grunde genommen CO2 aus der Luft nehmen und all diese Produkte herstellen? Dann haben Sie eine Branche, die völlig zirkular ist. Das ist der Traum. Wir sind nicht in der Nähe davon, aber wenn man sich ansieht, was man erreichen kann, wenn wir anfangen, Künstliche Intelligenz und andere Dinge wirklich zu nutzen, wer weiß, wohin wir in Sachen Chemie kommen könnten?“ Sang Yup Lee vom Korea Advanced Institute of Science and Technology (KAIST) schrieb im Januar 2018: „Letztendlich wird Kohlendioxid ein Rohstoff sein.“

Das nova-Institut für politische und ökologische Innovation GmbH wurde 1994 als privates und unabhängiges Forschungsinstitut von Michael Carus in Hürth gegründet. Die 30 Mitarbeiter arbeiten im Bereich im Rahmen der bio- und CO2-basierten Ökonomie in den Bereichen Nahrungsmittel- und Rohstoffversorgung, technisch-ökonomische Evaluierung, Marktforschung, Nachhaltigkeitsbewertung, Öffentlichkeitsarbeit, B2B-Kommunikation und politische Rahmenbedingungen. In diesen Bereichen veranstaltet das nova-Institut jedes Jahr mehrere große Konferenzen.

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