Gasnetz als Speicher?

Zweifel ausgeräumt – Wintershall: „Effektiver als Stromnetz“

Das Erdgasnetz kann Gas nicht nur leiten, sondern auch speichern. Kritiker halten diese oft gehörte Feststellung für falsch: Im Gasnetz befinde sich Gas, das zur Aufrechterhaltung des Drucks gebraucht werde und daher nicht verbraucht werden könne. Hinrich Neumann untersuchte am 10.08.2018 in einem Faktencheck auf topagrar online, wie es sich mit dem Gasnetz als Speicher verhält. Der Wintershall-Chef nannte am 13.08.2018 das Gasnetz ein „Rückgrat der Energiewende“.

Gaslager Berlin-Spandau – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft für Solarify

Hochdrucksysteme als Speicher geeignet

Neumann: „Wir wollten es genau wissen und haben einen Gasnetzbetreiber befragt.“ Ove Struck, Sprecher der HanseWerk AG aus Quickborn (Schleswig-Holstein) erklärte gegenüber Neumann: „Die Aussage stimmt nur in Bezug auf Nieder- und Mitteldruckleitungen. In einer Druckstufe unter 1 bar  sind die Schwankungen zu gering, um nutzbares Puffervolumen zu erzeugen“. Die Hochdrucksysteme über 5 bar könnten aber mit einem variablen Druck betrieben werden und somit als Speicher fungieren, so Struck. Ein Beispiel sei eine Leitung der Tochtergesellschaft HanseGas, die in Mecklenburg eine Hochdruckleitung mit einer Länge von rund 150 Kilometern und einer Dimension DN 300 sowie einem maximalen Druck von 25 bar betreibt. Diese Leitung lässt sich in einem Druckbereich zwischen 11 und 21 bar betreiben. „Bei 11 bar sind rund 120.000 m³ Erdgas in der Leitung, bei 21 bar sind es fast 230.000 m³“, rechnet er vor.

Neumanns Schluss: „Die Differenz aus beidem ist das Volumen, das sich einspeichern lässt, wenn mehr Gas gefördert oder produziert wird. Auch kann diese Gasmenge aus dem Speicher abgegeben werden, ohne dass etwas nachgefördert werden muss. In diesem Falle könnte der Netzbetreiber ca. 100.000 m³ Erdgas speichern. Damit ließe sich der Verbrauch von Stunden bis Tagen puffern.“ Das größte nutzbare Speichervolumen bergen allerdings Erdgasspeicher: Ein Speicher der Hansegas in Kraak speichere mit einem nutzbaren Druckgefälle von mehr als 100 bar so viel Erdgas, dass der Netzbetreiber sein Versorgungsgebiet in Mecklenburg-Vorpommern mehrere Monate ohne äußere Einspeisung versorgen könnte.

Wintershall: „Gasnetz ist das Rückgrat der Energiewende“

Auf das hervorragend ausgebaute und funktionierende deutsche Gasnetz hat Wintershall-Vorstandsvorsitzender Mario Mehren in einer per Mail versandten Medienmitteilung hingewiesen: „Das mehr als 500.000 Kilometer umfassende deutsche Gasnetz reicht praktisch in jeden Winkel der Republik und transportiert schon heute die doppelte Energiemenge des Stromnetzes. Es ist kosteneffizienter als der Energietransport in Stromleitungen“, sagte Mehren am Montag vor Medienvertretern: „Gasleitungen sind sozusagen schon jetzt das nicht-sichtbare Rückgrat der Energiewende.“

Zum einen, weil sie akzeptiert seien – das Netz sei verlegt und es könnten zusätzliche Leitungen folgen. Zum anderen sei die Nutzung von Gasinfrastruktur „zukunftssicher“. Denn langfristig könne je nach Bedarf darin auch mehr und mehr erneuerbares Gas gespeichert oder transportiert werden.

Die Wintershall-Medienmitteilung wörtlich: „Das deutsche Gasnetz transportiert schon heute rund 1.000 Milliarden kWh pro Jahr. Das ist die doppelte Energiemenge des Stromnetzes, dessen Transportleistung bei rund 540 Milliarden kWh pro Jahr liegt. Gas lässt sich leichter transportieren als Strom. Und das zu einem viel günstigeren Preis. Nach Erhebungen des DVGW kostet der Energietransport via Gasnetz nur rund ein Fünftel dessen, was der Transport in Stromleitungen kostet.“

„Die Nutzung der vorhandenen Gasinfrastruktur bietet eine besonders kosteneffiziente Option für die Sektorenkopplung und erhöht die Akzeptanz der Energiewende in der Bevölkerung“, zeigte sich Mehren überzeugt. „Bereits heute sind Gas und seine Infrastrukturen in der Lage, den künftigen Bedarf und damit die Kosten des Stromnetzausbaus zu mindern. Nicht zielführend ist es, Sektorenkopplung ausschließlich im Sinne einer Vollelektrifizierung aller Sektoren auf Basis Erneuerbarer Energiequellen zu verstehen.“

Gerade aufgrund der Verspätungen und Kostensteigerungen beim Stromnetzausbau sei der Wert der deutschen Gasinfrastruktur kaum zu überschätzen. „Ganz grundsätzlich sollten wir Strom- und Gasnetze daher als integrierte Energieinfrastrukturen begreifen und sie entsprechend miteinander koppeln“, sagte Mehren weiter: „Wir plädieren deshalb dafür, noch in dieser Wahlperiode die bisher getrennte Netzentwicklungsplanung der Strom- und Gasnetze in eine gemeinsame Netzentwicklungsplanung zu überführen.“

Deutschland habe das Potenzial, sich im Rahmen der Energiewende als starker Wirtschaftsstandort zu positionieren und gleichzeitig eine Vorreiterrolle beim Klimaschutz zu übernehmen. „Ich bin überzeugt, dass der Energieträger Erdgas und seine Infrastrukturen angesichts ihrer Potenziale eine noch wichtigere Rolle für eine erfolgreiche Energiewende übernehmen können.“

->Quelle: topagrar.com/Faktencheck-Ist-das-Gasnetz-als-Speicher-geeignet