Im Wortlaut – Aktionsplan Stromnetz
I. Herausforderungen
Der schnelle Ausbau der erneuerbaren Energien und die Öffnung der grenzüberschreitenden Leitungen für Strom im europäischen Binnenmarkt erhöhen den Transportbedarf für Strom in einem Ausmaß, dem das bisherige Übertragungsnetz kaum noch gewachsen ist. Um die Netze nicht zu überlasten, müssen die Netzbetreiber mittlerweile regelmäßig in den Netzbetrieb eingreifen und Netzengpässe entlasten. In den letzten Jahren blieb insbesondere der Ausbau der (überregionalen) Übertragungsnetze weit hinter dem Ausbau der erneuerbaren Energien zurück. Zukünftig müssen beide stärker synchronisiert werden.
Diese Doppelstrategie ist die Antwort auf die Herausforderungen:
- Wir müssen mit neuen Technologien und Betriebskonzepten die Bestandsnetze optimieren und höher auslasten. Im bestehenden Stromnetz gibt es nicht ausgeschöpfte Kapazitätsreserven, die wir damit heben können. Bereits in den nächsten 5 Jahren können wir hiermit greifbare Fortschritte erzielen.
- Wir müssen den Netzausbau beschleunigen. Dazu gehört zuallererst ein vorausschauendes Controlling des Netzausbaus, bei dem Bund und Länder sowie die Netzbetreiber an einem Tisch sitzen und regelmäßig in einem professionellen Verfahrensmanagement sich darauf verständigen, wie sie die Ausbauvorhaben konkret voranbringen. Aber auch eine Beschleunigung der Planungs- und Genehmigungsverfahren durch Verfahrenserleichterungen gehören dazu. Alle Akteure müssen schließ-lich politisch stärker Verantwortung für den Netzausbau übernehmen.
II. Optimierung und höhere Auslastung der Stromnetze
In einem ersten Schritt kommt es entscheidend darauf an, bereits in den nächsten Jahren die bestehenden Stromnetze zu optimieren und die vorhandenen Kapazitätsreserven zu heben. Die neuen Nord-Süd-Trassen werden frühestens im Jahr 2025 fertiggestellt. Und auch bei anderen Netzausbau-Vorhaben im Übertragungsnetz hinken wir hinterher.
Um die Herausforderungen zu bewältigen, benötigen wir aber schon vor 2025 deutlich leistungsfähigere Netze. Außerdem gilt: Je besser das bestehende Netz ausgelastet wird, desto weniger Stromleitungen benötigen wir über die bisherigen Planungen hinaus.
Zwei Handlungsebenen sind zu unterscheiden. Zum einen geht es um eine Vielzahl eher kurzfristiger Maßnahmen, die mit verfügbarer Technik umgesetzt werden können. Der Bericht der Deutschen Energieagentur (dena) und des BET Aachen „Höhere Auslastung des Stromnetzes“ aus dem letzten Jahr dokumentiert wichtige Bausteine. Zum anderen geht es darum, neue Technologien zielstrebig zu erproben und danach auch breit einzusetzen. Beide Handlungsstränge tragen dazu bei, dass Engpässe im Netz in geringerem Umfang auftreten. Darüber hinaus werden damit die Kosten zur Behebung von Engpässen durch ein besseres Engpassmanagement verringert:
1. Technische Optimierungen auf Basis des Standes der Technik (eher kurzfristige Perspektive), z. B.
- Konsequentes, flächendeckendes Monitoring der Freileitungen in Echtzeit, um das Netz besser auszulasten,
- Neue Leiterseile nutzen, die höhere Ströme und Temperaturen aushalten (Netzverstärkung),
- Gleichmäßigere Belastung der Netze durch Bau und Betrieb von Phasenschiebern,
- Intelligentere Steuerung von Leistungsflüssen auch an der Schnittstelle zwischen Übertragungsnetzen und Verteilnetzen,
- Einsatz regelbarer Ortsnetztransformatoren in den Verteilnetzen,
- Standardisierung von Verfahren und Technologien beim Netzbetrieb.
2. Neue Technologien und Innovationen erproben und einsetzen
Die Digitalisierung und der technische Fortschritt eröffnen auch für den Netzbetrieb völlig neue Möglichkeiten. So bestehen teilweise in den Stromnetzen noch erhebliche Kapazitätsreserven, die wir soweit möglich erschließen sollten.
Auch mit einem stärker automatisierten und digitalisierten Netz wollen wir das weltweit anerkannt hohe Niveau an Versorgungssicherheit erhalten. Es gilt der Grundsatz: Soweit durch eine höhere Auslastung der Netze die Gefahr der Überlastung steigen könnte, muss durch wirksame neue Sicherheitsvorkehrungen, z. B. die automatisierte Erfassung des Netzzustandes in Echtzeit und die intelligente Steuerung des Netzes ein hohes Sicherheitsniveau gewährleistet bleiben.
Im Ergebnis bedeutet dies, dass die neuen Möglichkeiten zügig erprobt und wenn der Praxistest bestanden ist, auch umgesetzt werden:
- Die stärkere Digitalisierung und Automatisierung der Stromnetze ermöglicht eine optimale Betriebsführung und Auslastung der Stromnetze,
- Durch neue automatisierte Betriebskonzepte, welche eine Überlastung von Stromleitungen in Sekundenbruchteilen erkennen und beseitigen, könnten bestehende Sicherheitsreserven besser genutzt werden,
- Mit Leistungselektronik kann der Stromfluss in den Netzen gesteuert und können die Leitungen gleichmäßiger belasten werden,
- Verbreitung und Standardisierung neuer Technologien und Betriebsweisen auch in den Verteilnetzen („Smart-Grids“).