Zügiger Kohleausstieg sichert Klimaziel 2030

DIW Berlin: Erfolgreicher Klimaschutz in Deutschland und NRW möglich

„Der Kohleausstieg in Deutschland ist aus Klimaschutzgründen notwendig und energiewirtschaftlich sinnvoll: Braunkohle bis 2030, Steinkohle bis 2040“, schreiben Leonard Göke, Martin Kittel, Claudia Kemfert, Casimir Lorenz, Pao-Yu Oei und Christian von Hirschhausen in einer neuen Untersuchung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin)  – und: „Auch das traditionelle Energieland NRW sollte den Kohleausstieg vornehmen und den Anteil der erneuerbaren Energien im Sinne des Klimaschutzplans wesentlich steigern.“

Einer der weltgrößten Steinkohlebrocken, Museum Zeche Zollverein Essen – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft für Solarify

DIW-Thesen: Nur ein zügiger Kohleausstieg in Deutschland und Nordrhein-Westfalen sichere die Klimaziele für das Jahr 2030 und fördert zudem die Dekarbonisierung in Europa. Ein ausreichender Beitrag zum Klimaschutz für das Jahr 2020 kann nur mit einer zusätzlichen Begrenzung der jährlichen Laufzeit von Kohlekraftwerken erreicht werden. Im traditionellen Energieland Nordrhein-Westfalen leistet der Kohleausstieg auch einen positiven Beitrag zum Landschafts- und Umweltschutz in den Braunkohlerevieren. Die Politik sollte die Rahmenbedingungen für den Kohleausstieg sowie den Umbau hin zu einem flexiblen und erneuerbaren Stromsystem setzen.

Kohleausstieg steht und fällt mit Nordrhein-Westfalen

Nur ein forcierter Ausstieg aus der Stromerzeugung mit Braun- und Steinkohle kann das Erreichen des Klimazieles für den Energiesektor für das Jahr 2030 in Deutschland noch sicherstellen. Dabei kommt Nordrhein-Westfalen als größtem Emittenten unter den Bundesländern eine Schlüsselstellung zu. Dies zeigen Modellrechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin). Ein Team von Wissenschaftlern um die Energieökonomin Claudia Kemfert hat vor dem Hintergrund der anstehenden Tagung der Kohlekommission, die bis Jahresende einen Termin für den Ausstieg vorschlagen soll, die Wirkungen unterschiedlicher Ausstiegsszenarien auf die CO2-Emissionen anhand detaillierter Modellrechnungen verglichen. „Anders als beim Klimaziel für 2020, das bereits als gescheitert gilt, bestehen für 2030 durchaus noch Chancen, die Klimaziele zu erreichen“, sagt Kemfert. „Aber nur, wenn man mit dem Kohleausstieg so schnell wie möglich beginnt und den Ausbau der erneuerbaren Energien forciert.“ Die Analyse zeige auch, dass sich die Kohleverstromung nur zu einem vernachlässigbaren Teil in die Nachbarländer verlagere und stattdessen dort vor allem der Anteil der erneuerbaren Energien steige.

Stromsektor spielt zentrale Rolle für Erreichen der Klimaziele

In der Stromerzeugung werden nach wie vor große Mengen an Braun- und Steinkohle eingesetzt, die im Jahr 2016 für mehr als ein Viertel der Treibhausgas-Emissionen in Deutschland verantwortlich waren. Ohne zusätzliche Maßnahmen ist deshalb nicht zu erwarten, dass die Klimaziele der Bundesregierung erreicht werden können: eine Senkung der Emissionen bis 2030 um mehr als 55 Prozent gegenüber dem Jahr 1990.

Die Modellrechnungen simulieren drei Szenarien: Bei einem langsamen Ausstieg (Referenz-Szenario) werden die bestehenden Kohlekraftwerke ausschließlich nach Erreichen ihrer technischen Lebensdauer stillgelegt; dabei werden die Klimaziele für CO2-Emissionen in der Energiewirtschaft auch für 2030 deutlich verfehlt. Bei einem forcierten mittleren Ausstieg wird die gesamte Kohlekapazität bis 2030 auf gut 17 Gigawatt reduziert und zusätzlich Kapazitäten gedrosselt. Bei einem forcierten schnellen Ausstieg wird die Gesamtkapazität auf 8,6 Gigawatt reduziert. Sofern gleichzeitig die erneuerbaren Energien den Zielen der Bundesregierung entsprechend ausgebaut werden, können in den beiden letzteren Fällen die Klimaziele 2030 erreicht werden. Bei einer zusätzlichen Begrenzung der jährlichen Laufzeit alter Kohlekraftwerke kann der Stromsektor zudem noch zur Annäherung an das Klimaschutzziel 2020 beitragen.

Energiewirtschaftliche Modellrechnungen zu unterschiedlich ambitionierten Pfaden des Kohleausstiegs bis 2030 – Grafik © DIW

Entgegen häufig geäußerten Befürchtungen heben sich die Effekte auch nicht durch gegenläufige Tendenzen im restlichen Europa wieder auf, sondern es entstehen zusätzliche Anreize für den Ausbau erneuerbarer Energien, weil der günstige Import deutschen Kohlestroms entfällt und etwa die französischen Atom- oder die polnischen Kohlekraftwerke bereits ausgelastet sind.

Traditionelles Energieland NRW müsste zügig aus Kohle aussteigen

Nordrhein-Westfalen nimmt im Rahmen der Energiewende eine Schlüsselposition ein. Erstens stehen dort noch sehr viele alte und ineffiziente Kohlekraftwerke, und zweitens liegt NRW gerade beim Ausbau der erneuerbaren Energien im Ländervergleich noch immer sehr weit hinten. Weil NRW der größte Emittent unter den Bundesländern ist, sind hier die Klimaschutzeffekte bei einem Kohleausstieg auch besonders groß. Im Falle eines mittleren Ausstiegspfades reduzieren sich die kohlebedingten Emissionen allein durch die Abschaltung von Braunkohlekraftwerken in NRW bis 2030 um circa 40 Prozent gegenüber dem Referenz-Szenario. Bei einer zusätzlichen Begrenzung der jährlichen Laufzeit aller verbleibenden Kohlekraftwerke sinken die Emissionen um rund 64 Prozent, im Falle eines schnellen Ausstiegs um etwa 69 Prozent. Fazit der DIW-ExpertInnen: Die nordrhein-westfälischen Braunkohlekraftwerke sollten bis 2030, die Steinkohlekraftwerke bis 2040 abgeschaltet werden.

Der Ausstieg aus der Braunkohle würde nicht zuletzt auch dem Landschafts- und Umweltschutz dienen. Claudia Kemfert ist überzeugt: „Der Kohleausstieg in Nordrhein-Westfalen kann so gestaltet werden, dass im Tagebau Garzweiler II keine weiteren Ortschaften weichen müssen und auch der Hambacher Forst größtenteils erhalten bleibt.“

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