Endlich allmählich adäquate CO2
, bisher kaum als Energiewende-Protagonist und Enthusiast Erneuerbarer Energien hervorgetreten (eher mit Geschichten wie: „Das Märchen von der erfolgreichen Energiewende“ – „Frust über die Energiewende“, etc., etc.) setzte in der Ausgabe vom 25.08.2018 zur Rolle rückwärts an: Am 25.08.2018 lobte er überraschend den europäischen Zertifikatehandel ETS. Der Grund für seine Wende: Der Verschmutzungs-Handel, einst Erfindung der amerikanischen Neo-Cons, hat sich, offenbar den selbstheilenden Kräften des Marktes folgend unversehens zu ungeahnten Preisen aufgeschwungen.
Der rasant steigende Preis für zum CO2-Ausstoß berechtigende Zertifikate beweise (jetzt) die Wirksamkeit des Emissionshandels, so Wetzel, und setze alle jene „unter Druck, die behaupten, dass es ohne Subventionen nicht geht“. Es gerieten die Hauptdarsteller der „aktuell planwirtschaftlich geprägten Klimaschutz-Politik unter Rechtfertigungsdruck“. Denn jahrelang habe „die Szene behauptet, milliardenschwere Subventionen und Staatseingriffe in den Energiemarkt seien alternativlos, weil das zentrale Klimaschutzinstrument der Europäischen Union, der Emissionshandel, ja offensichtlich nicht funktioniere“.
Lange waren die Zertifikate viel zu billig und deshalb wirkungslos, zunächst deshalb, weil sie anfangs den Verschmutzern schlicht und einfach geschenkt wurden – die nahmen sie gerne an, senkten aber keineswegs, wie von der Politik erhofft, die Preise. Weil aber in den ETS eine (von vielen bald vergessene) Verknappungsklausel eingebaut worden war, steigt der Preis (viel zu spät, meinen viele) seit einem Jahr auf mehr als das Dreifache: Seit dem September 2017 von ca. € 6 auf aktuell 20,27. Wetzel: „Jetzt straft der Emissionshandel seine Kritiker Lügen.“
[note: Bloomberg schrieb schon im März 2018 unter dem Titel „Europas 38-Milliarden-Dollar-Klimamarkt macht endlich seinen Job“, vom Automobilhersteller bis zum Energieversorger seien Unternehmen dabei, ihre Emissionen zu senken, während Investoren ihre Zertifikate auf einem Sechsjahreshoch stapelten: „Der europäische Kohlenstoffmarkt mit einem Volumen von 38 Milliarden Dollar pro Jahr beginnt endlich so zu funktionieren, wie er geplant war, indem er die Umweltverschmutzung mit einem Minimum an Störmanövern seitens der Industrie eindämmt.
Dreizehn Jahre nach seiner Schaffung zur Begrenzung der Kohlendioxidemissionen steigen die Preise für die Zertifikate.“ Die politischen Entscheidungsträger der Europäischen Union hätten Maßnahmen ergriffen, um die Kosten der Umweltverschmutzung bis 2030 in die Höhe zu treiben. „Mehr als fünf Jahre lang war dieser Markt in der Wüste“, sagte Per Lekander , Fondsmanager bei Lansdowne Partners U.K. LLP in London, gegenüber Bloomberg. „In den vergangenen fünf Monaten stand die Investment-Community wieder dahinter und nahm Positionen ein.“]
Mit 310 Prozent in nur einem Jahr stieg der Wert der Zertifikate am Finanzmarkt mehr als jede andere Rohstoff-Kategorie. Und das ist noch lange nicht alles: Analysten von Thomson Reuters zufolge, müssen Schmutzfinken wohl noch in diesem Jahr 25 Euro pro Tonne CO2 zahlen. Carbon Tracker rechnet für die Jahre 2019 bis 2022 im Schnitt mit 35 bis 40 Euro pro Tonne: „Der EU-Carbonmarkt war mit einem Preisanstieg von 310% seit Mai 2017 der heißeste Rohstoffmarkt der Welt, 120% seit Jahresbeginn und 33% seit April.“ Diese erstaunliche Leistung sei durch die Erwartung des Marktes getrieben worden, dass ab Januar 2019 die Market Stability Reserve (MSR), das Herzstück der im vergangenen Jahr beschlossenen Reform des EU-ETS, anlaufen werde: „Nur noch fünf Monate bis zum Beginn der MSR, der das Überangebot an EU-Emissionsrechten von 24% des ausstehenden kumulativen Überschusses jedes Jahr im Zeitraum 2019-2023 reduziert, zählt der Markt nun bis zum größten Versorgungsengpass, den das EU-ETS je erlebt hat.“
Laut Wetzel könnte 2021 und 2022 der Preis für eine Tonne CO2 gar auf 50 Euro steigen. Fazit: Die EU-Kommission habe mit ihrer jüngsten Verschärfung der Emissionshandelspreise „offenbar Erfolg gehabt“. Die Berenberg Bank rechne wegen der Knappheit von CO2-Berechtigungen schon 2020 mit 100 Euro pro Tonne. Dabei würden schon ab 50 Euro allmählich Preise erreicht, die zur Einhaltung von COP21 nötig wären. Wetzel: „Staatliche Eingriffe in die Emissionshandelssektoren Strom und Industrie wären dann überflüssig und könnten sich künftig auf Verkehr, Landwirtschaft und Heizenergie beschränken. Denn auf diesem Preislevel sind selbst viele Braunkohlekraftwerke nicht mehr profitabel zu betreiben.“ Und: Der Preisanstieg der CO2-Berechtigungen trifft auch Industriebetriebe, die ebenfalls zur Teilnahme am europäischen Emissionshandel verpflichtet sind – Braun- und Stenkohlekraftwerke.
[note Solarify hofft, dass Kollege Wetzel bei seiner positiven Einschätzung der aktuellen ETS-Entwicklung bleibt, ganz gleich, worauf er sie zurückführt und wer wie zu den selbstheilenden Kräften des Marktes steht.]
->Quelle: loomberg.com/38-billion-carbon-market-is-finally-starting-to-work