Ambitionierter und kohärenter Instrumentenmix nötig
Die von der Bundesregierung beschlossenen Klimaschutzziele im Verkehr sind nur mit einem Mix ambitionierter Maßnahmen zu erreichen. Dazu gehören unter anderem weitgehende Effizienzvorgaben für Pkw und Lkw sowie grundlegende Reformen der Steuern und Abgaben auf Kraftstoffe und Fahrzeuge. Damit die beschlossene CO2-Minderung um 40 bis 42 Prozent bis 2030 im Vergleich zu 1990 erreicht werden kann, ist „das Ausschöpfen der technischen Potenziale der Fahrzeuge zwar notwendig, aber nicht ausreichend“, heißt es in einer Analyse des Berliner Thinktanks Agora Verkehrswende vom 30.08.2018.
In der im Auftrag von Agora Verkehrswende von Öko-Inmnstitut und ICCT (international Council on Clean Transportation) angefertigten Untersuchung wird die „Klimaschutzlücke“, die Differenz zwischen dem Klimaschutzziel 2030 und der ohne weitere politische Weichenstellungen zu erwartenden Emissionsentwicklung, auf „mindestens 48 Millionen Tonnen“ CO2-Äquivalente beziffert. Wieviel davon mit Hilfe welcher konkreten Instrumente eingespart werden könnte ist Gegenstand des ersten Teils der Studie. Dabei zeigt sich, dass ein Instrument allein nicht wirkmächtig genug ist, um das Klimaschutzziel zu erreichen.
„Unser Gutachten macht klar, welche Wirkung von welchem Instrument zu erwarten ist“, sagt Christian Hochfeld, Direktor von Agora Verkehrswende. „Entscheiden über den zielführenden Instrumentenmix muss aber die Politik.“
Zu befürchten ist allerdings laut Hochfeld, dass ohne eine ambitionierte Fortschreibung der Pkw-Effizienzstandards das Klimaschutzziel im Verkehr kaum erreicht werden kann. „Der im Herbst vergangenen Jahres von der EU-Kommission vorgelegte Vorschlag vermindert den Treibhausgasausstoß um lediglich 3,5 Mio. t, das ist deutlich zu wenig“, so Hochfeld. „Wer die Klimaschutzziele ernst nimmt, muss sich in den jetzt auf EU-Ebene beginnenden Verhandlungen für deutlich ambitioniertere Standards stark machen.“
In der Agora-Studie werden die Klimaschutz-Wirkungen von insgesamt 12 Instrumenten analysiert, wobei für jeden Instrumententyp Varianten mit unterschiedlichen Ambitionsniveaus untersucht werden.
So bringt eine Verminderung der CO2-Emissionen von Pkw um 45 Prozent zwischen 2021 und 2030 eine Minderung um 10 Mio. t CO2 (75 Prozent: 20 Mio. t). Eine fahrleistungsabhängige Pkw-Maut auf Autobahnen in Höhe von 2 ct/km kann die Emissionen um 1,8 Mio. t senken (4 ct auf allen Straßen: 12,8 Mio.t) und eine Angleichung der Dieselsteuer an die Steuer auf Benzin kann für 3,7 Mio. t weniger CO2 sorgen (Angleichung plus Erhöhung um 15 ct/l: 9,2 Mio. t). Eine Reform der Dienstwagenbesteuerung kann bis zu 5,8 Mio. t CO2 vermeiden, ein Tempolimit von 120 km/h auf Autobahnen bis zu 3,5 Mio. t.
Die Stärkung des öffentlichen Verkehrs hat laut der Agora-Studie neben der direkten Senkung der CO2-Emissionen einen erheblichen Zusatznutzen. Das Gleiche gilt für Investitionen zur Förderung des Rad- und Fußverkehrs.
„Verkehrsverlagerung sorgt für weniger Lärm und vermindert den Ausstoß von Luftschadstoffen sowie den Flächen- und den Ressourcenverbrauch“, erklärt Wiebke Zimmer, stellvertretende Leiterin des Bereichs Ressourcen und Mobilität beim Öko-Institut. „Hinzu kommen positive Gesundheitseffekte, die individuell aber auch gesellschaftlich zum Tragen kommen“, so Zimmer.
Der zweite Teil der Agora Studie hat drei Szenarien mit unterschiedlicher Kombination und Ausprägung der Instrumente zum Inhalt. Dabei zeigt sich, dass durch Effizienzsteigerung und Elektrifizierung von Fahrzeugen Emissionsminderungen von rund 30 Mio. t möglich ist; für weitere knapp 20 Mio. t, die zum Schließen der Klimaschutzlücke nötig sind, müssten andere Instrumente sorgen.
Soll das Klimaschutzziel statt durch technische Effizienzsteigerung vor allem durch Maßnahmen und Instrumente erreicht werden, die zu Verlagerung und Reduktion der Verkehrsnachfrage führen, dann wären sehr hohe Kraftstoffsteuern oder Straßenbenutzungsgebühren notwendig; dafür sei die „politische und gesellschaftliche Akzeptanz“ erst noch zu schaffen, heißt es in der Agora-Studie.
Theoretisch denkbar ist es auch, den Verkehr mit wachsenden Mengen CO2-freier Kraftstoffe zu versorgen, die auf der Basis von erneuerbar erzeugtem Strom gewonnen werden. Wegen der enormen Energieverluste bei der Umwandlung von Strom in synthetischen Kraftstoff und der dabei entstehenden hohen Kosten ist es allerdings nicht nur die teuerste Variante des Klimaschutzes; zudem sei es „unwahrscheinlich, dass die notwendigen Mengen der CO2-freien Kraftstoffe, die dann im Jahr 2030 zur Erreichung des Klimaschutzziels notwendig wären, tatsächlich bereitgestellt werden könnten“, so die Studie.
„Die in Kürze beginnende heiße Phase der Verhandlungen über die europäischen Pkw- CO2-Flottengrenzwerte bis 2030 sind eine Chance für den Klimaschutz. Verstreicht sie allerdings ungenutzt, wären sehr unpopuläre Maßnahmen notwendig, um den Verkehr auf einen klimaverträglichen Pfad zu bringen“, so Hochfeld. „Je weniger Ambition bei den Effizienzstandards und bei der Elektrifizierung der Fahrzeuge an den Tag gelegt wird, desto mehr muss bei den unbequemen nationalen fiskalischen Maßnahmen getan werden.“
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