UN-Klimakonferenz in Katowice
Nur wenn Klimapolitik gerecht gestaltet wird, kann sie auch erfolgreich sein. Voraussetzung dafür ist, dass die Dringlichkeit des Klimaschutzes ernst genommen wird und die Interessen der Betroffenen – als potenziell Geschädigte von Klimaänderungen sowie als Betroffene des notwendigen Strukturwandels für den Klimaschutz – gleichermaßen berücksichtigt werden. Das ist die Botschaft eines neuen Politikpapiers mit dem Titel „Zeit-gerechte Klimapolitik: Vier Initiativen für Fairness“ das der WBGU am 31.08.2018 an Bundesumweltministerin Svenja Schulze und den Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung und Forschung, Georg Schütte, übergeben hat.
Anlass für das Papier ist die im Dezember 2018 im polnischen Katowice stattfindende 24. Vertragsstaatenkonferenz der UN-Klimarahmenkonvention. Dort werden u. a. der Umgang mit Verlusten und Schäden durch Klimawandel (loss and damage) sowie die gerechte Gestaltung eines Strukturwandels in Regionen, die bisher stark durch kohlenstoffintensive Industrien geprägt waren (just transition) eine Rolle spielen.
Typischerweise sind dies auf der einen Seite vom Klimawandel besonders stark betroffene Bevölkerungsgruppen in Entwicklungsländern und auf der anderen Seite in kohlenstoffintensiven Industrien arbeitende Beschäftigte, etwa in Kohlerevieren. Für beide Gruppen müssen gerechte und zukunftsweisende Lösungen entwickelt werden.
Der WBGU empfiehlt der Bundesregierung, eine zeit–gerechte Klimapolitik mit vier beispielhaften Initiativen voranzutreiben: Damit soll eine rechtzeitige Dekarbonisierung mit gerechten Lösungen für betroffenen Menschen verbunden werden.
Strukturwandel frühzeitig angehen und Teilhabe sicherstellen
Dekarbonisierung erfordert einen schnellen Strukturwandel in Regionen, die bisher von Kohleabbau geprägt sind. Eine frühzeitige, transparente und partizipativ gestaltete Verständigung über potenzielle „Gewinner“ und „Verlierer“ des unumgänglichen Ausstiegs aus der Kohle sowie über zukunftsorientierte Entwicklungsmodelle für die betroffenen Regionen bietet eine große Chance.
Als Initiative für eine zeit–gerechte Transformation empfiehlt der WBGU, eine „Zero Carbon Mission“ auf den Weg zu bringen. Sie soll regionalen Strukturwandel professionell begleiten und finanziell fördern. Damit sollen soziale Risiken reduziert, global verantwortliches Handeln ermöglicht, die Vernetzung Betroffener erleichtert und deren Handlungsfähigkeit gestärkt werden.
Rechtsschutz für Menschen schaffen, die vom Klimawandel geschädigt werden
Unternehmen, die durch Emissionen den Klimawandel mitverursachen, können unter Umständen gerichtlich Schadenersatzansprüche geltend machen, wenn sie vom Staat zum Abschalten ihrer Anlagen gezwungen werden. Dagegen sind die Rechtsansprüche der von massiven Klimaschäden betroffenen Menschen gegenüber Großunternehmen, die für den Klimawandel mitverantwortlich sind, gänzlich ungeklärt.
Der WBGU empfiehlt der Bundesregierung, einige aussichtsreiche Pionierklagen besonders vom Klimawandel geschädigter Menschen und Gemeinden gegenüber Großunternehmen, die für den Klimawandel mitverantwortlich sind, zu unterstützen und die Prozesskostenrisiken für diese Klagen zu übernehmen. Weiterhin sollte sie international darauf hinwirken, dass allen Betroffenen Klagemöglichkeiten über Staatsgrenzen hinweg eröffnet werden.
Würdevolle Migrationsmöglichkeiten für Menschen schaffen, die aufgrund des Klimawandels ihre Heimat verlassen müssen
Bisher besteht nur unzulänglich Schutz und Unterstützung für Menschen, die aufgrund des Klimawandels ihre Heimat verlassen müssen. Der WBGU empfiehlt der Bundesregierung, als Zeichen der internationalen Gerechtigkeit und Verantwortung einen Klimapass für klimabedingte Migranten vorzuschlagen. Er hat sein Vorbild im „Nansen-Pass“ für Staatenlose, der nach dem Ersten Weltkrieg hunderttausenden Menschen Zuflucht in sichere Staaten ermöglichte.
Der Klimapass sollte zunächst der Bevölkerung kleiner Inselstaaten, deren Staatsgebiet aufgrund des Klimawandels unbewohnbar zu werden droht, Zugang und staatsbürgergleiche Rechte in sicheren Staaten gewähren. Auch Angehörigen anderer Staaten und Binnenvertriebenen, die vom Klimawandel betroffen sind, sollte zukünftig eine würdevolle und sichere Migration ermöglicht werden. Staaten mit erheblicher Verantwortung für den Klimawandel sollten sich als Aufnahmeländer für Personen mit Klimapass zur Verfügung stellen. Deutschland sollte sich im Rahmen der anstehenden Verhandlungsrunde in Katowice für die Einführung eines solchen Klimapasses einsetzen.
Durch Transformationsfonds gerechten Strukturwandel fördern
Der für den Klimaschutz notwendige Strukturwandel erfordert eine konsequente Neuausrichtung von Finanzflüssen. Der WBGU empfiehlt der Bundesregierung und anderen Staaten, Transformationsfonds einzurichten. Die Fonds sollen eine dreifache Steuerungswirkung entfalten, indem Aufbau, Anlagestrategie und die Verwendung der Gewinne sich an den Erfordernissen der einer zeit–gerechten Transformation zur Klimaverträglichkeit orientieren. Die Transformationsfonds sollten über Investitionen und Beteiligungen in Schlüsselindustrien die Umsetzung der Klima- und Nachhaltigkeitsziele beschleunigen und die erzielten Gewinne für die frühzeitige und partizipative Gestaltung des Strukturwandels einsetzen.
Das Volumen des Transformationsfonds sollte durch eine Bepreisung von Treibhausgasen, ergänzt durch Einnahmen aus einer reformierten Erbschafts- bzw. Nachlasssteuer, aufgebaut werden. Zudem empfiehlt der WBGU, über eine Fazilität bei der Weltbank oder regionalen Entwicklungsbanken wirtschaftlich schwächere Länder beim Aufbau eigener Transformationsfonds und der Bewältigung von Strukturwandel zu unterstützen.
[noteHintergrund: Transformation zur Nachhaltigkeit
Essenzieller Bestandteil einer globalen Transformation zur Nachhaltigkeit ist die zügige und vollständige Dekarbonisierung der Weltwirtschaft. Um die 2015 im Übereinkommen von Paris vereinbarten Ziele einzuhalten, den Klimawandel deutlich unterhalb von 2°C zu stoppen, sollten die globalen CO2-Emissionen ihren Scheitelpunkt spätestens 2020 erreichen und bis etwa Mitte des Jahrhunderts auf null reduziert werden.]
Der WBGU: Politikberatung zum Globalen Wandel
Der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) wurde 1992 im Vorfeld der Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung („Erdgipfel von Rio“) von der Bundesregierung als unabhängiges wissenschaftliches Beratergremium eingerichtet. Der WBGU hat die Aufgabe globale Umwelt- und Entwicklungsprobleme zu analysieren und zur Lösung dieser Probleme Handlungs- und Forschungsempfehlungen zu erarbeiten. Prof. Dirk Messner und Prof. Sabine Schlacke sind die beiden Vorsitzenden des WBGU.
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