Permafrost-Monitoring mit neuester Radartechnologie in deutsch-kanadischer Zusammenarbeit
Wissenschaftler des Instituts für Hochfrequenztechnik und Radarsysteme des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) entwickeln spezielle Radartechnologien und Analyseverfahren, die eine hochgenaue Beobachtung von Permafrost ermöglichen. Im Rahmen des DLR-Projekts PermASAR (Permafrost Airborne SAR Experiment) führen sie dazu umfassende Messflüge über der Permafrostregion von Kanada durch. Die erste Messkampagne mit einer Befliegung von zehn Testgebieten entlang eines 2.000 Kilometer langen Nord-Süd Gradienten, von borealen Wäldern im Norden Saskatchewans bis an die kanadische Arktisküste, wurde nun erfolgreich abgeschlossen. Kooperationspartner des DLR ist das CCMEO (Canada Centre for Mapping and Earth Observation, CCMEO).
Permafrost prägt seit Jahrtausenden den Untergrund der arktischen und subarktischen Breiten und reicht von wenigen Metern bis mehr als einen Kilometer tief ins Erdinnere. Doch die globale Erwärmung lässt den dauerhaft gefrorenen Boden seit einigen Jahrzehnten drastisch auftauen. Besonders kritisch ist dabei der Austritt der Treibhausgase Methan und Kohlenstoffdioxid, die in riesigen Mengen abgestorbener Pflanzenreste im Eis gebunden sind und nun zunehmend in die Atmosphäre freigesetzt werden.
Im Gegensatz zu räumlich begrenzten Bodenmessungen, die gerade in abgelegenen Regionen wie der kanadischen Artkis nur mit hohem Aufwand realisierbar sind, ermöglicht Erdbeobachtung aus dem All eine flächendeckende und vor allem kontinuierliche Beobachtung des Permafrosts. Aufgrund der Unabhängigkeit von Tageslicht und Wetterbedingungen eignen sich hierfür insbesondere Radarsatelliten wie die aktuellen deutschen Missionen TerraSAR-X und TanDEM-X, die für die Zukunft vorgeschlagene Mission Tandem-L sowie die in Kürze startende RADARSAT Constellation Mission der Kanadischen Raumfahrtagentur CSA.
„Um die Entstehung und Auswirkungen des globalen Klimawandels genau verstehen und vorhersagen zu können, benötigt die internationale Forschungsgemeinschaft dringend Datengrundlagen. Das DLR kann mithilfe der Radar-Fernerkundung einen wichtigen Beitrag dazu leisten – das gilt insbesondere für hochinnovative Satellitenmissionen wie Tandem-L. Die Erkenntnisse aus den PermASAR-Messungen sind essenziell zur Vorbereitung auf Tandem-L, um die dynamischen Prozesse in der Arktis künftig im Wochenrhythmus sichtbar zu machen“, erklärt Prof. Pascale Ehrenfreund, Vorstandsvorsitzende des DLR.
Entlang des Klima- und Vegetationsgradienten
Ausgehend von den Basisstationen Inuvik und Yellowknife in den kanadischen Nordwest-Territorien untersuchte das Projektteam des DLR-Instituts für Hochfrequenztechnik und Radarsysteme insgesamt zehn Testgebiete. Die Messflüge führten von der Nordwestspitze Kanadas mit baumloser Tundra und durchgehendem Permafrost in Richtung Süden, über Taiga-Gebiete mit vereinzelten Waldgebieten und diskontinuierlichem Permafrost, bis an die Grenze zur kanadischen Prärie mit den permafrostfreien großflächigen borealen Wald- und Feuchtgebieten von Saskatchewan.
Im Einsatz war dazu das DLR-Forschungsflugzeug Dornier Do 228-212, das sich aufgrund seiner robusten Bauweise und zahlreichen Modifikationen ideal für Fernerkundungsmissionen eignet und von der DLR-Einrichtung Flugexperimente betrieben wird. Das Betriebsteam ist auch für die Flugplanung zuständig und unterstützt die Wissenschaftler vor und während der Mission. Das Forschungsflugzeug ist mit dem DLR-Radarsystem „F-SAR“ ausgerüstet und zeichnete für die PermASAR-Messungen die polarimetrischen und interferometrischen SAR (Synthetic Aperture Radar)-Daten in vier Frequenzbereichen auf, im X-, C-, S- und L-Band.
Die verschiedenen Frequenzen zusammen mit innovativen 3-D Radartechnologien, der sogenannten „SAR Tomographie“, ermöglichen den Wissenschaftlern aus Oberpfaffenhofen eine umfassende Analyse der Vegetation und unterschiedlicher Umweltsysteme. Erste Auswertungen zeigen bereits die Diversität in Bewuchs und Böden der Testgebiete und den komplementären Informationsgehalt der Bilddaten aus den verschiedenen Radarfrequenzen. So lassen die Messungen im L-Band, aufgrund der langwelligen Radarssignale, bereits Unterschiede zwischen den verschiedenen Bodenbeschaffenheiten unter der Vegetation erkennen.
Veränderungen quantifizieren
Während der aktuellen Messkampagne „PermASAR“ wurden bewusst die Eigenschaften des Permafrosts in den vergangenen vier Augustwochen erfasst, da die Böden im Sommer unterschiedliche Auftautiefen aufweisen. Um auch Einblicke in den komplett bis an die Oberfläche gefrorenen Zustand der Permafrostregionen zu erhalten, wird das PermASAR-Team im Frühjahr 2019 eine zweite Messkampagne mit dem F-SAR-Instrument durchführen und dieselben Testgebiete im kanadischen Norden erneut befliegen. So können die Radarexperten von DLR, CCMEO und weiteren Forschungspartnern speziell die jahreszeitlichen Veränderungen in der Arktis beobachten und charakterisieren.
Der vollständige Datensatz der PermASAR-Messungen wird neue Anwendungsmöglichkeiten für die Radar-Fernerkundung eröffnen und das Verständnis der Permafrost-Veränderungen vertiefen. Die umfassenden Messungen schaffen eine einzigartige Datengrundlage, die den Wissenschaftlern nun die Entwicklung neuer Algorithmen für die optimale Datenauswertung zur Bestimmung bio- und geophysikalischer Parameter erlauben. Für die Klima- und Umweltforschung sind neben der Charakterisierung der Vegetation auch Informationen zur Auftautiefe und Oberflächenstruktur der Permafrostböden, lokale Bodenhebungen und -absenkungen sowie die Ausprägungen von Thermokarst relevant.
Dies sei insbesondere im Hinblick auf die derzeit konzipierte neue Radarsatellitenmission Tandem-L von Bedeutung, so die Wissenschaftler. Denn trotz des Umdenkens in der Erdbeobachtung – hin zu speziellen Geoinformationen für den Endnutzer – gebe es heute nur wenige Missionen, die direkt umwelt- und klimarelevante Informationen mit hoher zeitlicher und räumlicher Auflösung bereitstellten. Dies sei jedoch Voraussetzung, um die dynamischen Prozesse der Arktis und anderer Ökosysteme zu verstehen – ein Kernansatz für Tandem-L.
Kooperation mit Kanada
Für die Zusammenarbeit zwischen dem DLR und Kanada im Bereich der Raumfahrtforschung gilt PermASAR bereits heute als Leuchtturmprojekt im Bereich Erdbeobachtung. Den Grundpfeiler bildet dabei die erfolgreiche Kooperation zum Empfang von Satellitendaten über die „Inuvik Satellite Station Facility“ (ISSF) in der kanadischen Arktis. Das kanadische Erdbeobachtungszentrum CCMEO betreibt die polnahe Station und ist gemeinsam mit dem DLR Gründungspartner. Die ISSF ist entscheidend für den reibungslosen Datenempfang der deutschen Radarsatellitenmission TanDEM-X und feiert nächstes Jahr ihr zehnjähriges Bestehen. Darüber hinaus könnte die ISSF in Zukunft nicht nur für kommende Satellitenmissionen wie die RADARSAT Constellation Mission und Tandem-L vorbereitet werden, sondern neben dem anspruchsvollen Datenverkehr auch zusätzliche Services bieten.
Die kanadischen Partner planen in Inuvik den Aufbau eines Datenauswertungszentrums, das neben operationellen Geo-Informationsdiensten auch lokal die Forschung und Ausbildung fördern soll. So ist unter anderem auch das Aurora Research Institute in Inuvik beteiligt, das seit vielen Jahren in enger Partnerschaft mit dem DLR verbunden ist. PermASAR ergänzt nun die Kooperation in der Arktis auf wissenschaftlicher wie auch auf anwendungsorientierter Seite. Das DLR und CCMEO setzen damit auf zukunftsweisende Technologien und Methoden der Radarfernerkundung aus dem All, um das fragile Ökosystem der Arktis besser verstehen und hinsichtlich des globalen Wandels gezielt schützen zu können.
->Quelle: Deutsches Luft- und Raumfahrt Zentrum (dlr).de/dlr/presse