Keine Nahrungsmittelkonkurrenz
Die potenziellen Vorteile überwiegen für den Mikrobiologen jedoch: „Andere Bakterien nutzen oft Zucker als Substrat“ – biotechnologische Prozesse stünden damit in Konkurrenz zu Nahrungsmitteln. Selbst die Prozesse, die pflanzliche Abfälle als Rohstoff verwenden, können nicht mithalten, denn die Bakterien, mit denen Müller arbeitet, „machen aus einem schädlichen Klimagas etwas Sinnvolles“. Noch ist es allerdings nicht so weit – das Projekt läuft noch bis Ende 2018. Rund 380.000 Euro hat Müller für sein Teilprojekt aus dem ERA-Net Industrielle Biotechnologie (ERA-IB 5) erhalten, seine Partner an der Universität Ulm und Siemens zusätzlich rund 470.000 bzw. 270.000 Euro. Als Erstes mussten aus den Datenbanken bekannter Gene vielversprechende Kandidaten für Enzyme ausgewählt werden, die im Bakterium die nötigen chemischen Umwandlungen vornehmen – denn von CO2 zu 3-Hydroxypropansäure benötigen die Bakterien mehrere Zwischenschritte: Essigsäure, Brenztraubensäure, Milchsäure. Von Natur aus kommt A. woodii nur bis zur Essigsäure, einem wirtschaftlich nicht so interessanten Produkt.
Enzyme einbauen und testen
Die Partner an der Universität Ulm erzeugen zunächst maßgeschneiderte Transportsysteme mit den Kandidatengenen, sogenannte Plasmide, und schleusen diese in den einfacher zu handhabenden Modellorganismus Escherichia coli ein. An Müller und seinem Team ist es dann zu überprüfen, ob diese Gene erfolgreich in das Erbgut der Bakterien aufgenommen wurden und vor allem, ob und in welchem Maße die von ihnen codierten Enzyme das jeweilige Produkt herstellen.
Im 500-Milliliter-Volumen vermehren die Forscher dazu die Bakterien und schließen die Zellen am Ende durch einen plötzlichen Druckabfall auf. Rund 3.800 unterschiedliche Enzymarten schwimmen dann in der resultierenden Brühe. Je nachdem, um welche Zielenzyme es sich handelt, lässt sich deren Aktivität durch individuelle Tests nachweisen und messen – mal spektroskopisch, mal durch Hochleistungs-Flüssigkeitschromatographie. All das muss unter Luftausschluss erfolgen, denn die Enzyme sind – ebenso wie Bakterien, aus denen sie ursprünglich stammen – empfindlich gegen Sauerstoff. Diese Enzymtests zu entwickeln und durchzuführen, ist eine der Stärken von Müllers Arbeitsgruppe.
Zwischenziel erreicht
„Schwierig wird es vor allem dann, wenn man die Substrate für die Enzyme nicht kaufen kann, sondern selbst herstellen muss“, berichtet Müller. Dann müssen die Forscher erst andere Enzyme finden, die das Substrat erzeugen. Trotzdem ist inzwischen ein Zwischenziel des Projektes erfolgreich abgeschlossen: Der Projektverbund hat ein Enzym identifiziert, dass den Schritt von der Brenztraubensäure zur Milchsäure meistert. „Wir haben auch schon einen Kandidaten für den nächsten Schritt“, so Müller.
Sind die richtigen Enzyme für die gesamte Reaktionskette gefunden, müssen sie noch in A. woodii eingeschleust werden – Müller: „In E. coli wäre der Herstellungsprozess wohl nicht möglich, da einige Enzyme außergewöhnliche Cofaktoren und Metallfaktoren benötigen“. Für die spätere industrielle Anwendung müssten der Organismus und die Bedingungen der Kultivierung dann wohl weiter optimiert werden, um die Produktausbeute zu erhöhen und so zu einem ökonomisch interessanten Prozess zu führen. Als Substrat denkt Müller vor allem an Synthesegas, das in zahlreichen Industrieprozessen als Abfall anfällt. Erste biotechnologische Anlagen, die auf diese Weise einfache Plattformchemikalien erzeugen, sind bereits in Betrieb. Autor: Björn Lohmann
->Quellen: