Auch negative Ergebnisse sind Gewinn an Wissen
Das bedeutet: Ein als negativ eingeschätztes Ergebnis ist kein Makel, sondern ebenfalls ein Gewinn an Wissen. Ein Tierversuch, der zum Beispiel die Wirksamkeit eines neuen Medikaments nicht belegen kann, wäre dann in den Augen der Wissenschaft kein Misserfolg, sondern ein wertvolles Ergebnis, das unnötige Folgestudien (und weitere Tierversuche) verhindert und das Entwickeln neuer Therapien beschleunigt.
Wie sich herausstellte, hilft noch ein weiteres Kriterium beim Vorbereiten von Studien, den Erkenntnisgewinn zu erleichtern: Bei biomedizinischen Untersuchungen erhöht eine wissenschaftlich gebotene hinreichend hohe Zahl von Versuchstieren die Wahrscheinlichkeit, bereits im ersten Versuch richtige und reproduzierbare Ergebnisse zu erhalten. Damit lassen sich unnötige, auf falschen Annahmen beruhende Folgeversuche mit Tieren vermeiden. Der Einsatz von mehr Versuchstieren in einem einzelnen Experiment kann somit im Endeffekt die Zahl der eingesetzten Tiere verringern.
Die Berechnungen der BfR-Forschergruppe basieren auf der biomedizinischen Forschung mit Versuchstieren. Die Ergebnisse lassen sich aber generell auf die Lebenswissenschaften anwenden. Zu den Implikationen der Naturwissenschaften schweigt die Studie der Medienveröffentlichung zufolge. Hintergrund für die Untersuchung ist die in den Lebenswissenschaften und der psychologischen Forschung beklagte Reproduzierbarkeitskrise. Je nach Erhebung sind zwischen 51 und 89 Prozent der in biowissenschaftlichen Studien veröffentlichten Ergebnisse nicht von anderen Forschern nachvollziehbar. Untersuchungen in den Neurowissenschaften zeigen, dass häufig Unzulänglichkeiten bei der statistischen Auswertung von Experimenten ein Grund dafür sind, dass sich Studien nicht reproduzieren lassen.
Fazit
Schönfelder et al. haben mindestens zwei Anwendungen für ihr Modell identifiziert.
- „Erstens unterstützen die Ergebnisse einen strengeren Weg, um die Einhaltung der guten wissenschaftlichen Praxis durchzusetzen“. Wissenschaftliche Zeitschriftenredakteure könnten diese durchsetzen, „indem sie von den Autoren eine Selbsterklärung über ein angemessenes Studiendesign und die Offenlegung von ’negativ’/null oder ganz allgemein aller Ergebnisse unabhängig vom Ergebnis verlangen“.
- Die zweite Anwendung ziele darauf ab, die Anreizsysteme für Forscher so zu verbessern, dass die Interessen der einzelnen Forscher mit der Verbesserung der Wissenschaft übereinstimmen. In Bezug auf seine Anwendung könne das Modell mit evolutionären oder spieltheoretischen kombiniert werden. Die Beseitigung der Barriere für die Veröffentlichung negativer Forschungsergebnisse wäre ein einfacher Weg, um die Wissenschaft zu verbessern und Wissenschaftlern den Anreiz für zusätzliche Publikationen zu geben. Vor allem Förderer, Zeitschriften und Arbeitgeber, wie Universitäten und staatliche Stellen, seien gefordert, geeignete Maßnahmen zu ergreifen. Diese Maßnahmen richten sich nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft an verschiedenen Forschungsbereiche.
Natürlich habe das Modell Grenzen. Die Autoren glauben zudem, „dass sich die Wissenschaft auf lange Sicht selbst korrigiert. Aber es könnte Forschungsgebiete geben, in denen dies nicht der Fall ist, weil es generell an einer Korrektur der Ergebnisse mangelt oder weil die Belohnungen für Replikationen im Vergleich zu innovativer Arbeit fehlen. Die Einführung von Replikationen ist ein notwendiger Schritt zur Verbesserung der Wissenschaft im Allgemeinen.“
[note Über Bf3R und BfR
Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) in Berlin bewertet als wissenschaftlich unabhängige Einrichtung im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) unabhängig und wissenschaftsbasiert Risiken aus vielen Bereichen des täglichen Lebens. Das große Spektrum der Chemikalien gehört ebenso dazu wie pflanzliche und tierische Lebensmittel, Kosmetik und Kinderspielzeug. Das BfR berät Bundesregierung und Bundesländer in Fragen der Lebensmittel-, Chemikalien- und Produktsicherheit und betreibt eigene Forschung zu Themen, die in engem Zusammenhang mit seinen Bewertungsaufgaben stehen.
Das Deutsche Zentrum zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) wurde im Jahr 2015 gegründet und ist integraler Bestandteil des BfR. Es koordiniert bundesweit alle Aktivitäten mit den Zielen, Tierversuche auf das unerlässliche Maß zu beschränken und Versuchstieren den bestmöglichen Schutz zu gewährleisten. Darüber hinaus sollen weltweit Forschungsaktivitäten angeregt und der wissenschaftliche Dialog gefördert werden.]
->Quellen: