„Gezähmter Wasserstoff“
So überschrieb die Friedrich-Alexander-Universität Nürnberg ihre Medienmitteilung über eine neue Art der Wasserstoffspeicherung. Drei – neben zwei weiteren Teams soeben für den Deutschen Zukunftspreis nominierte – Nürnberger Forscher entwickelten ein Verfahren, Wasserstoff kostengünstig und sicher an eine leicht handzuhabende Flüssigkeit zu binden – und bei Bedarf wieder davon zu lösen. Die Trägerflüssigkeit dient dabei als „Pfandflasche“ für Wasserstoff und die darin gespeicherte Energie.
Die als „Liquid Organic Hydrogen Carrier“ (LOHC) bezeichnete Trägersubstanz wird nicht verbraucht, sondern lässt sich nach jedem Wasserstoff-Speicherkreislauf wiederverwenden. Als ideale Trägerflüssigkeit erkannten die Forscher Dibenzyltoluol – einen Stoff, der bereits lange in der Industrie als ölartiger Wärmeträger dient und für seine Stabilität und ungiftigen Eigenschaften bekannt ist. Gewinnen lässt er sich aus Toluol, das heute in großen Mengen als Benzinbestandteil verbrannt wird.
Eine einfache und überzeugende Lösung fanden Prof. i. R. Wolfgang Arlt, Prof. Peter Wasserscheid und Daniel Teichmann. Damit stießen die drei nominierten Forscher die Tür zu einer nachhaltigen Energiewirtschaft auf der Basis von Wasserstoff auf: Um regenerativ erzeugten Wasserstoff sicher zu speichern, wird er durch eine chemische Reaktion an Dibenzyltoluol gebunden, eine organische Trägerflüssigkeit, aus der er sich durch eine umgekehrte Reaktion leicht wieder freisetzen lässt. Die Idee ähnelt dem Füllen und Leeren einer Pfandflasche, die danach für den nächsten Speicherzyklus bereitsteht.
Vorhandene Infrastruktur verwendbar
Die von den Nominierten entwickelten Wasserstoffspeichertechnologie bietet Vorteile für die stationäre Energiespeicherung, den Transport regenerativer Energie und neue Formen der Mobilität: Da sich die Trägerflüssigkeit problemlos wie ein heutiger Kraftstoff handhaben lässt, kann dafür die vorhandene und bewährte Infrastruktur an Tankschiffen, Kessel- und Tankwagen sowie Tankstellen genutzt werden. Weder der teure Aufbau einer neuen Versorgungsinfrastruktur ist nötig noch eine aufwendige Kühlung oder Kompression des Wasserstoffs.
Das nominierte Team hat das Stoffkonzept erarbeitet sowie die erforderlichen Katalysatoren, Apparate und Prozesse entwickelt. An Testanlagen belegte es die Machbarkeit und brachte die Technologie zur Marktreife. 2013 gründeten die Forscher die Hydrogenious Technologies GmbH. Das Unternehmen entwickelt, baut und vermarktet Infrastrukturlösungen für die LOHC-Technologie. Etliche Systeme sind bereits in Deutschland und anderen Ländern erfolgreich im Einsatz. Mittelfristiges Ziel ist es, die wasserstoffreiche Trägerflüssigkeit in Schiffen, Zügen, Lkws und Bussen direkt als emissionsfreien Treibstoff zu nutzen.
Ein groß angelegtes Forschungsprojekt für einen sauberen Bahnantrieb auf Basis von LOHC läuft derzeit in Bayern. Das Marktpotenzial der neuartigen Speichertechnik ist groß, der Umsatz damit soll dank des großen weltweiten Interesses rasch steigen. Das wahre Leistungsvermögen der Innovation geht aber weit darüber hinaus: Die LOHC-Technologie schafft die Grundlage dafür, Wasserstoff auf der ganzen Welt als sauberen Energieträger zügig zu etablieren – für Strom, Wärme und Verkehr. Die Vision einer erneuerbaren Wasserstoffgesellschaft rückt dadurch ein großes Stück näher.
Die Forscher:
Peter Wasserscheid leitet den Lehrstuhl für Chemische Reaktionstechnik der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg und ist Direktor am Helmholtz-Institut Erlangen-Nürnberg für Erneuerbare Energien, einer Außenstelle des Forschungszentrums Jülich. Wolfgang Arlt war Inhaber des Lehrstuhls für Thermische Verfahrenstechnik der Universität Erlangen-Nürnberg und Gründungsdirektor des Energie Campus Nürnberg. Daniel Teichmann ist Geschäftsführer und Hauptgesellschafter der Hydrogenious Technologies GmbH, die er gemeinsam mit Peter Wasserscheid und Wolfgang Arlt gegründet hat.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier verleiht am 28.11.2018 den 22. Deutschen Zukunftspreis an eines der drei nominierten Teams. Der mit 250.000 Euro dotierte Deutsche Zukunftspreis gehört zu den bedeutendsten Wissenschaftspreisen in Deutschland.
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