Erneut harsche Rechnungshof-Kritik an Altmaiers Energiewendepolitik

„Einschätzung überzeugt nicht“ – Sonderbericht des Bundesrechnungshofs – Koordination und Steuerung zur Umsetzung der Energiewende durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie – Zusammenfassung

„Der Bundesrechnungshof hat mit Blick auf die Umsetzung der Energiewende erhebliche Defizite festgestellt:

0.1
Trotz des erheblichen Einsatzes von Personal und Finanzmitteln erreicht Deutschland die Ziele bei der Umsetzung der Energiewende bisher überwiegend nicht (Nummer 1.2).

0.2
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) hat seit nahezu fünf Jahren die Federführung für die Umsetzung der Energiewende inne. Damit hat es die Rolle, die hierfür notwendigen Aktivitäten zu koordinieren. Allein im BMWi sind 34 Referate in vier Abteilungen damit befasst, die Energiewende umzusetzen. Dazu sind fünf weitere Bundesministerien und alle Länder an der Umsetzung der Energiewende beteiligt. Dennoch hat das BMWi nicht festgelegt, was die Koordination der Energiewende umfasst. Eine gesamtverantwortliche Organisationsform gibt es bis heute nicht.

Der Bundesrechnungshof hält es für wesentlich, dass das BMWi die Energiewende künftig wirksam koordiniert und dazu festlegt,

  • welche Koordinationsaufgaben es wahrnehmen muss,
  • wie es die Koordinationsaufgaben sachgerecht organisiert,
  • welche gesamtverantwortliche Stelle zur Koordination der Energiewende es einrichtet,
  • ob es einen Interministeriellen Ausschuss für die Koordination zwischen den Bundesministerien einrichtet und
  • ob es einen Bund-Länder-Ausschuss für die Koordination der Energiewende zwischen Bund und Ländern initiiert.

Das BMWi sieht keinerlei Handlungsbedarf, weil es die derzeitige Koordination der Energiewende für effektiv und effizient ausgestaltet hält. Es ist der Auffassung, dass zwischen allen Akteuren und auf allen Ebenen bei der Umsetzung der Energiewende mehr als ausreichend koordiniert wird.

Diese Einschätzung überzeugt angesichts der unbestrittenen und zum Teil deutlichen Zielverfehlungen bei zugleich erheblichen Belastungen der Wirtschaft sowie der öffentlichen und privaten Haushalte nicht. Es bleibt ein wesentliches Versäumnis, dass das BMWi nicht bestimmt hat und nicht bestimmen will, was es tun muss, um die Ziele der Energiewende nachweisbar und auf wirtschaftliche Weise zu erreichen. Eine gesamtverantwortliche und mit möglichst weitgehenden Entscheidungsbefugnissen ausgestattete Organisationsform ist dafür unerlässlich (Nummer 2).

0.3
Als Steuerungsinstrumente für die Energiewende sieht das BMWi das Monitoring, das strategische Controlling und ein abteilungsinternes Bereichscontrolling vor. Zudem entfalten Gesetze und Verordnungen steuernde Wirkung.

  1. Beim Monitoring-Prozess nutzte das BMWi 48 verschiedene Datenquellen, um anhand von 72 Indikatoren den Stand der Energiewende zu überprüfen. Es will den Monitoring-Prozess verbessern, indem es weitere Indikatoren einführt. Dabei hat es für besonders wichtige Ziele wie ‚Versorgungssicherheit‘ und „Bezahlbarkeit“ bislang keine quantitativen Zielgrößen und Messwerte festgelegt. Solange das BMWi aber nicht alle Ziele der Energiewende messbar und überprüfbar ausgestaltet, ist eine wirksame Steuerung kaum möglich. Sie wird auch nicht über weitere Indikatoren verbessert.Das BMWi hat noch immer keine hinreichende Transparenz über Ausgaben und Kosten für die Energiewende geschaffen. Dabei verfügt es über umfassende Informationen zu Ausgaben aus dem Bundeshaushalt, den staatlich beeinflussbaren Bestandteilen der Energiepreise und zum Erfüllungsaufwand energiewendespezifischer Gesetze als Teil der Gesetzesfolgenabschätzung. Solche könnte das BMWi nutzen, um die gesamten Ausgaben und Kosten transparent zu machen. Das Berechnen einer solchen ‚Bruttosumme‘ ist notwendig, um Parlament und Öffentlichkeit besser zu informieren und beispielsweise die Letztverbraucherausgaben für Strom sowie weitere Kosten der Energiewende transparent zu machen.
  2. In den Controlling-Instrumenten verwendete das BMWi unterschiedliche Ziele, Soll- und Ist-Werte sowie Indikatoren, um den Stand der Zielerreichung zu messen. Steuerungsrelevante Daten wurden nicht oder unvollständig erfasst. Eine wirksame Steuerung der Energiewende war auch deshalb kaum möglich, weil die steuerungsrelevanten Informationen zu den wesentlichen Indikatoren nur mit erheblicher zeitlicher Verzögerung abgebildet werden können.
  3. Das BMWi steuert die Energiewende auch mit diversen Förderprogrammen. Es führte Förderprogramme fort, obwohl sie kaum nachgefragt waren.
  4. Es gibt derzeit 26 Gesetze und 33 Verordnungen, die mit teils hohem Detaillierungsgrad Erzeugung, Speicherung, Übertragung, Verteilung und Verbrauch von Energie regeln. Die mit Blick auf die Umsetzung der Energiewende notwendigen Änderungen dieser Normen sind zeitaufwendig. Dies erschwert eine flexible Anpassung von Steuerungsmaßnahmen an die dynamische Entwicklung, die die Energiewende mit sich bringt.Daher befürwortet der Bundesrechnungshof einen weitgehenden Verzicht auf kleinteilige Regelungen in Gesetzen und Verordnungen. Stattdessen sollte für die Energiewende ein Rechtsrahmen gesetzt werden. Ergänzend käme als nicht ‚planwirtschaftliches‘ Instrument eine allgemeine CO2-Bepreisung in Betracht. Weil die Produktion von erneuerbarer Energie dadurch attraktiver wäre, könnte das BMWi seine Förderung nutzen, um ergänzende Anreize gezielt zu setzen.

Der Bundesrechnungshof fordert, dass

  • die Bundesregierung die Ziele Bezahlbarkeit und Versorgungssicherheit quantifiziert,
  • das BMWi nur solche Indikatoren nutzt, die auch Steuerungswirkung entfalten können,
  • das BMWi die Kosten der Energiewende mit angemessenem Aufwand möglichst vollständig transparent macht,
  • das BMWi durchgängig an den Zielen der Energiewende ausgerichtete Steuerungsinstrumente nutzt,
  • das BMWi prüft, inwieweit es effektivere Steuerungsmechanismen, wie insbesondere die CO2-Bepreisung, als weiteres Instrument zur Umsetzung der Energiewende nutzen kann.

Das BMWi hat in seiner Stellungnahme erwidert, es sehe auch bei der Steuerung der Energiewende keinen Handlungsbedarf. Die skizzierte Kostenbetrachtung des Bundesrechnungshofes weist das BMWi als methodisch fragwürdig zurück. So könnten die Umlage des Erneuerbare-Energien-Gesetzes als größte Einzelposition und die angeführten Entlastungen nicht als Kosten der Energiewende angesehen werden. Die Kritik des Bundesrechnungshofes am Controlling weist das BMWi ebenfalls zurück. Das derzeitige Controlling habe seine Steuerungswirkung in der Praxis bewiesen.

Der Bundesrechnungshof nimmt zur Kenntnis, dass das BMWi sein Steuerungssystem für hinreichend wirksam hält und keinen Handlungsbedarf sieht. Angesichts des Umstandes, dass die Ziele der Energiewende voraussichtlich und zum Teil deutlich verfehlt werden, ist der Umgang des BMWi mit seinem Steuerungssystem mangelhaft. Ein wirksames Steuerungssystem liegt erst dann vor, wenn überprüfbare Ziele vorliegen, Handlungsbedarf – auch aufgrund externer Einflüsse wie beispielsweise Wirtschafts- oder Bevölkerungswachstum – erkennbar wird sowie der Wille und die Möglichkeiten für ‚Kurskorrekturen‘ bestehen.

Es ist auch für die gesellschaftliche Akzeptanz der Energiewende wesentlich, dass das BMWi finanzielle Auswirkungen der Energiewende eindeutig und nachvollziehbar darstellt. Die der Energiewende zurechenbaren Ausgaben und Kosten betrugen im Jahr 2017 nach Berechnungen des Bundesrechnungshofes mindestens 34 Mrd. Euro. Das BMWi muss die Kosten der Energiewende mit angemessenem Aufwand möglichst vollständig transparent machen (Nummer 3).

0.4
Aus Sicht des Bundesrechnungshofes sind entscheidende Verbesserungen bei der Koordination und Steuerung der Energiewende unumgänglich. Die Bundesregierung bleibt zum Handeln aufgefordert. Anderenfalls könnte in der deutschen und der internationalen Öffentlichkeit der Eindruck entstehen, Deutschland sei nicht imstande, die gesamtgesellschaftlich und langfristig angelegte Energiewende erfolgreich zu gestalten und umzusetzen (Nummer 5).“

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