„Gleiches Spiel, unterschiedliche Regeln“
Die regulatorischen Rahmenbedingungen für Windenergie-Projekte unterscheiden sich von Land zu Land deutlich. Das kann die Gestehungskosten von Windstrom in der Europäischen Union stärker beeinflussen als Unterschiede im Winddargebot. Das sollte bei grenzüberschreitenden Erneuerbare-Energien-Auktionen künftig berücksichtigt werden. Dieses ist unter anderem Ergebnis einer Studie von Agora Energiewende vom 22.10.2018, die sich damit auseinandergesetzt hat, welche Faktoren für den Erfolg grenzüberschreitender EE-Projekte maßgeblich sind.
Wie wirkt sich nationale Regulierung auf die Kosten für Onshore-Windprojekte in Europa aus?
In einer Studie für Agora Energiewende haben Navigant und eclareon untersucht, welchen Einfluss Unterschiede in den regulatorischen Rahmenbedingungen für den Ausbau von Onshore-Windprojekten im Rahmen grenzüberschreitender Kooperationen haben. Die Experten analysierten hierzu, wie sich die regulatorischen Rahmenbedingungen zu Planung und Genehmigung, Netzanschluss, Steuern sowie die Finanzierungsbedingungen in der „Pentalateral Energy Forum“ Region (Belgien, Deutschland, Frankreich, die Niederlande, Österreich und die Schweiz) auf die Kosten von Onshore-Windprojekten auswirken.
Das Projektteam fand heraus, dass in der PENTA-Region die Kostenunterschiede, die sich aus abweichenden regulatorischen Rahmenbedingungen ergeben, teilweise sogar höher sein können als die Kostenunterschiede, die sich aus den unterschiedlichen Windverhältnissen speisen. Um von einer größeren Ressourceneffizienz und Kosteneinsparungen durch länderübergreifende Kooperation beim EE-Ausbau profitieren zu können, wären daher zunächst einheitlichere Regelungen notwendig. Die Experten empfehlen in der Studie konkrete Schritte, um den Kostenunterschieden aus regulatorischen oder administrativen Gründen wirksam zu begegnen und so einer erweiterten grenzüberschreitenden Zusammenarbeit im EE-Bereich den Weg zu ebnen.
Zu welchen Kosten sich in den Ländern Nordwesteuropas Strom aus Windkraft erzeugen lässt, ist vielfach eher eine Frage der regulatorischen Rahmenbedingungen als der Windverhältnisse. So entfällt in Belgien auf eine Megawattstunde Windstrom ein Betrag von 26 Euro für Planung, Genehmigung, Netzzugang, Steuern und Finanzierung, wohingegen es in Frankreich rund 20, in Deutschland gar nur 12 sind. Um diese Unterschiede auszugleichen, müsste ein Windpark in Belgien 20 Prozent mehr Strom erzeugen als sein Pendant in Deutschland. Bei grenzüberschreitenden EE-Ausschreibungen in Europa – etwa von Deutschland und Dänemark – spielen diese signifikanten Unterschiede jedoch bislang keine Rolle, Wettbewerbsverzerrungen sind die Folge.
Matthias Buck, Leiter Europäische Energiepolitik bei Agora Energiewende: „Die Energiewende ist mittlerweile ein gesamteuropäisches Projekt. Die Europäische Union drängt deshalb darauf, dass die EU-Mitgliedsstaaten beim Ausbau der Erneuerbaren Energien zukünftig stärker zusammenarbeiten, etwa durch grenzüberschreitende Auktionen. Bisher berücksichtigen die EU-rechtlichen Rahmenbedingungen aber nicht, dass sich die regulatorischen Anforderungen an den Zubau von EE-Anlagen von Land zu Land deutlich voneinander unterscheiden.“ Ein Beispiel dafür ist Ergebnis der grenzüberschreitenden deutsch-dänischen Solarenergie-Ausschreibung im Jahr 2016 als sämtliche Zuschläge an Bieter aus Dänemark entfielen – hauptsächlich, weil sich Wiesen und Äcker dort leichter und günstiger für Solarparks nutzen lassen als in Deutschland.
Die Studie empfiehlt, dass künftige grenzüberschreitende EE-Kooperationen die Auswirkungen unterschiedlicher Regulierungsbedingungen berücksichtigen und durch geeignete Maßnahmen einer Marktverzerrung entgegenwirken sollen. „Das wird umso wichtiger werden, je stärker der EE-Ausbau durch die Europäische Union selbst vorangetrieben wird. Ein Beispiel hierfür ist der jüngst beschlossene europäische Finanzierungsmechanismus, der über regionale oder sogar EU-weite Ausschreibungen das Erreichen des verbindlichen EU-Ziels für den EE-Ausbau absichert“, so Buck.
Die Studie wurde von Ecofys im Auftrag von Agora Energiewende erstellt. Die Wissenschaftler haben darin detailliert die regulatorischen Kosten unter anderem für Planung und Genehmigung, Finanzierung, Netznutzung und -anschluss von durchschnittlichen Windprojekten in den Ländern des Pentalateralen Energieforums (Österreich, Belgien, Frankreich, Deutschland, Luxemburg, die Niederlande und die Schweiz) ausgewertet und miteinander verglichen. Aus Gründen der Datenverfügbarkeit legten sie die direkten Baukosten von Windkraftanlagen des Jahres 2015 und das unterschiedliche Winddargebot in den Ländern zugrunde. „Weil die Technologiekosten für neue Windkraftanlagen in den vergangenen drei Jahren stark gefallen sind, die regulatorischen Kosten jedoch tendenziell gleich geblieben sind, fallen die regulatorischen Kosten nun sogar noch deutlich stärker ins Gewicht, als wir es in der Studie darstellen. Das Problem wird also immer drängender“, betont Buck.
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