10. Trialog zur Energiewende von ESYS und Humboldt-Viadrina
Der steigende Anteil Erneuerbarer Energien (EE) prägt das Stromsystem. Derzeit decken die Erneuerbaren 36 Prozent des Stromverbrauchs – 2030 sollen es 65 sein. Um die volatile EE-Einspeisung ausgleichen zu können, müssen große Kraftwerke künftig flexibel betrieben werden, es braucht Lang- und Kurzzeitspeicher und neue Modelle für einen stärker angebotsorientierten Stromverbrauch. Doch auch im Wärme- und Verkehrssektor müssen die CO2-Emissionen sinken. Das kann gelingen, wenn regenerativ erzeugter Strom auch zum Heizen und Fahren genutzt wird. Dafür ist unser System bisher jedoch nicht ausgelegt. Strom-, Wärme- und Verkehrssektor funktionierten bisher weitestgehend unabhängig voneinander. Außerdem kann Strom nicht zu den gleichen Bedingungen gehandelt werden wie etwa Benzin oder Erdgas – Themen de 10. Energiewende-Trialogs von HUMBOLDT-VIADRINA Governance Platform und dem Akademienprojekt „Energiesysteme der Zukunft“ am 23.10.2018.
Das Marktdesign muss also angepasst werden, damit eine klimaschonende und zuverlässige Energieversorgung möglich wird. Doch wie soll das System aus Umlagen, Abgaben und Steuern reformiert werden, um einen fairen Wettbewerb zwischen Strom-, Wärme- und Verkehrssektor zu ermöglichen? Sollen die Kosten für die Förderung des Ausbaus der Erneuerbaren Energien weiterhin auf den Strompreis umgelegt oder die anderen Sektoren beteiligt werden oder aber ist der Ausbau der Erneuerbaren eine staatliche Aufgabe? Und welche Anreize müssen gesetzt werden, um Flexibilität für Erzeuger, Verbraucher und Speicher zu ermöglichen?
Diese Fragen standen im Mittelpunkt des Trialogs, bei dem Akteure aus Wissenschaft, Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft diskutierten, wie Flexibilitätsbedürfnisse und -potenziale besser koordiniert werden können und ein unverzerrter Wettbewerb zwischen Energieträgern ermöglicht werden kann. Sie forderten, das System aus Steuern, Abgaben und Umlagen zu reformieren und CO2-Emissionen sektorübergreifend zu bepreisen. Die Ergebnisse dieses Trialogs werden in die weitere Arbeit der ESYS-Arbeitsgruppe „Strommarktdesign“ einfließen.
Eröffnet wurde die Veranstaltung von Gesine Schwan, Präsidentin der HUMBOLDT-VIADRINA Governance Platform. Hartmut Weyer (Technische Universität Clausthal), der die ESYS-Arbeitsgruppe „Strommarktdesign“ zusammen mit Felix Müsgens (Brandenburgische Technische Universität Cottbus-Senftenberg) leitet, nannte zwei Schwerpunktefür die Arbeitsgruppe: Sektorenkopplung und Flexibilität.
- Erstere diene der Dekarbonisierung, um fossile Energieträger zu reduzieren. Strom habe es in den Sektoren Verkehr und Wärme schwer im Wettbewerbssystem. Ein verbreiteter Ansatz seien sektorenspezifische Ziele, die nachfragten, welche Änderungen nötig seien. Ein anderer Ansatz: Ein level playing field (mit gleichen Wettbewerbsbedingungen) – Voraussetzung ist, dass alle Energieträger in allen Sektoren in einen „unverfälschten Wettbewerb“ treten. Ein effizientes Marktdesign sollte einen möglichst umfassenden und unverfälschten Wettbewerb zwischen den Energieträgern ermöglichen. Die ESYS-AG will die Konkretisierung dieser Anforderungen präzisieren helfen.
- Im zweiten Arbeitspaket „Flexibilität“ wird es um den Bedarf einzelner Erzeuger oder Verbraucher gehen. Regionale Flexibilitätsmärkte würden gebraucht, einmal für den Bedarf, und, um Marktversagen abzuhelfen. Hoheitliche Vorgaben seien grundsätzlich nur dann nötig, wenn sie zur Behebung von Marktversagen erforderlich seien, etwa bei hohen Transaktionskosten, Informationsungleichgewicht, Netzmonopol oder fehlender Liquidität des Marktes. Wie sollen nun hoheitliche Vorgaben für die Koordinierung von Angebot und Nachfrage hinsichtlich kurzfristig verfügbarer positiver und negativer Wirkleistung im Jahr 2010 gestaltet sein? Ein effektives Marktdesign sollte einen möglichst umfassenden und unverfälschten Wettbewerb zwischen Flexibilitäten ermöglichen. Hoheitliche Vorgaben seien notwendig für die Ausgestaltung flexibilitäts-relevanter Institutionen. Ein Marktversagen liege vor allem bei System- und Netzdienstleistungen im Bereich des Möglichen.
Ein Schwerpunkt der ESYS-Arbeitsgruppe liege voraussichtlich auf Maßnahmen des Engpassmanagements (bisher überwiegend regulatorische Koordinierungsmaßnahmen wie Redispatch und Einspeisemanagement) und auf der Frage: Sind umfassendere stärker marktlich geprägte Koordinationsmechanismen denkbar? „Ein wirksamer CO2-Preis würde die Fossilen verteuern und Erneuerbare Energieträger wirtschaftlicher machen. Das Marktdesign der Zukunft muss daher umweltschädigende Effekte einpreisen und ein Level Playing Field für alle Energieträger schaffen“, betonte Weyer.