Remmers bloggt: „EEG- Solarstrom billiger als Marktwert – was heißt das eigentlich?“
Am 12.10.2018 hatte der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) für 8.30 Uhr zu einer Pressekonferenz eingeladen. Trotz der für Berlin frühen Stunde war der Raum rappelvoll mit Energie-Fachjournalisten. Über den Anlass ist danach in diversen Medien berichtet worden (in Solarify auch: solarify.eu/marktpraemie-auf-null), ich will heute mit etwas Abstand die Bedeutung unterstreichen und versuchen zu erläutern worum es geht. Denn die Wirkzusammenhänge sind komplex und auch für Fachleute oft weit weg vom Tagesgeschäft. Ein Blog-Beitrag von Karl-Heinz Remmers.
Im September 2018 kam es nämlich zu einem historischen Ereignis von höchster Tragweite für die bisherige Entwicklung der Solartechnik in Deutschland. Ohne großen Krawall oder „Big Bang“, alles ganz nüchterne Zahlen und Papiere: Bei der Auswertung einer 1,8 MWp Solaranlage in Wittstock für den Monat August wurde dem Eigentümer des Parks (Wattner Fonds) bewusst, dass es keine EEG-Zahlungen des Netzbetreiber gab. Es lag nur die Abrechnung des Direktvermarkters von Next-Kraftwerke vor. Was in der Routine zuerst wie ein Irrtum oder eine Verspätung aussah, entpuppte sich beim näheren Hinsehen zu einem lautlosen aber gewaltigen Donnerschlag.
Die Solaranlage in Wittstock hatte den fossil-nuklear dominierten und weiterhin verzerrten Strommarkt geschlagen. Die Anlage aus dem „EEG- Subventionsmonster“ lieferte ihren Strom komplett subventionsfrei in den Markt. Next-Kraftwerke hatte mit dem Marktwert Solarstrom im August 2018 mehr erlöst als die Anlage in Wittstock als Zuschlag in den Ausschreibungen (Marktprämie) erhalten hatte. Wow!
Obwohl wir alle wissen, wie verzerrt der Strommarkt in Deutschland immer noch ist – u.a. durch die weitergehende massive Bevorzugung der nuklear-fossilen Erzeuger – ist der EEG-Strom dieser Anlage nun billiger gewesen. Ohne CO2-Emission, ohne Gifte, ohne … – einfach gut für uns alle. Besser als die sehr alten Energien eben.
Als ich die Unterlagen lese, ist es auch für mich zunächst nur eine Abrechnung. Aber je länger ich darauf schaue, um so klarer wird: Nach 26 Jahren als Unternehmer in der Solarindustrie ist es nun soweit und der „Bürozuruf“ lautet: „Solar hat den fossil-nuklearen Markt auch in Deutschland geschlagen – mit unserem Wetter und gegen all die vielen Vorbehalte und Vorhaltungen. Was für ein Moment!“ Ja, es ist „nur“ eine 1,8 MWp-Anlage, und es ist ein erster Monat. Und natürlich ist die heutige Form der Strombörse und deren Mechanismen für einen solaren Massenmarkt ungeeignet. Es gibt noch extrem viel zu tun – Solar und Wind sind billig als Erzeuger, umweltfreundlich und bereit für den Rest!
Aber worüber reden die da eigentlich, die Marktmechanismen oder auch nur deren Begriffe sind für alle nicht direkt mit der Direktvermarktung Beschäftigten nicht sofort erfassbar. Marktwert, Marktprämie, Zuschlagswert, usw. Was sind das für Werte und wo kann man sie entnehmen?
Die Marktprämie entspricht dem Zuschlagswert der Ausschreibungen; der Marktwert ist der Wert, den alle Vermarkter in einem Monat für den Solar- oder Windstrom erlösen. Der Marktwert setzt sich dabei aus diversen Komponenten zusammen und weicht von dem „Börsenstrompreis“ ab – die Werte hier erklärt: netztransparenz.de/Marktpraemie/Marktwerte. In der hier aufgeführten Übersicht stellen die Übertragungsnetzbetreiber die monatlich berechneten Marktwerte zusammen. Diese entstehen parallel zum oft zitierten „Börsenpreis“ (der ja auch verschiedene Werte für verschiedenen Produkte beinhaltet).
Ab wo gehen diese Werte hin? Warum sind sie 2018 so schnell gestiegen und seit 2011 so deutlich gefallen? Was beeinflusst die Werte? Was treibt die Marktwerte hoch und was herunter? Das ist gleichzeitig komplex aber für die weiteren Schritte des Ausbaus der Erneuerbaren von hoher Bedeutung. Ebenso für die Weiterentwicklung des EEG, das, wie wir seit August 2018 gesehen haben, auch billiger kann als der Markt. Allerdings sind bereits heute die Angebotspreise in den Ausschreibungen das Resultat komplexer Überlegungen zu Laufzeiten aber auch Marktwerten in der Laufzeit des EEG und danach. Das ist schon länger viel mehr Markt als es Kritiker des EEG immer behaupten – wie beschrieben mit all den Fehlern und Verzerrungen des heutigen Marktes.
Im Rahmen der Pressekonferenz des BEE hat Next-Kraftwerke noch eine völlig andere Tatsache hinsichtlich Regelenergie vorgestellt, als sie meist verbreitet wird: Die Öko-Stromer haben in den vergangenen Jahren immer weniger Regelenergie für immer mehr vermarkteten EE-Strom gebraucht. Klingt ungewohnt? Mehr in einem anderen Blog und auf dem Forum Neue Energiewelt 2018 in Berlin.
Am 23.11.2018 wollen wir unter dem Titel „EEG-Vergütung unter Marktpreis …“ beim Forum Neue Energiewelt (forum-neue-energiewelt.de/programm) die derzeitigen und kommenden Marktzusammenhänge hinsichtlich der Preise, aber auch den Wechselwirkungen mit dem Systemumbau ausführlich diskutieren. Und diskutieren, wie es mit den Erneuerbaren und den Märkten weitergehen kann.
->Quelle und mehr: solarpraxis.de/historisch-eeg-solarstrom-billiger-als-marktwert-was-heisst-das