Studie liefert weitere Argumente für Ende der Subventionen und gibt Hinweise zur genaueren Berechnung der Luftverschmutzung
Beim Diesel-Skandal geht es vor allem um Stickoxide. Doch was ist mit den Kohlendioxid-Emissionen? Lange galten Selbstzünder als unverzichtbare Technik zum CO2-Sparen, auch deshalb gibt es bis heute das Steuerprivileg für Dieselkraftstoff. Der Kostenvorteil hat die Zahl der neuzugelassenen Diesel-Autos in den letzten 20 Jahren in die Höhe schnellen lassen. Die Auswirkungen haben Wissenschaftler u.a. vom Institute for Advanced Sustainability Studies e.V. (IASS) nun genau berechnet: In einer in der Zeitschrift „Atmospheric Environment“ erschienenen Studie weisen sie nach, dass der Diesel-Boom in Europa dem Klima nicht genutzt hat.
Während es bereits Berechnungen der Emissionen auf der Grundlage der offiziellen Emissionsfaktoren gab, fehlten bisher Studien, die mit den realen, deutlich höheren Emissionswerten arbeiteten. Daten des International Council on Clean Transportation zeigen, dass die Differenz zwischen dem Realverbrauch und dem Normverbrauch in den letzten Jahren gewachsen ist. Demnach lag der Realverbrauch im Jahr 2015 bei neuen Pkw um durchschnittlich 42 Prozent höher.
Die Forscher Eckard Helmers (Hochschule Trier), Joana Leitão (IASS), Uwe Tietge (International Council on Clean Transportation) und Tim Butler (IASS) modellierten für die Studie drei verschiedene Szenarien, um die Klimaauswirkungen der Diesel-Förderung in den 15 Staaten einzuschätzen, die seit 1995 zur Europäischen Union gehörten und die den Großteil des europäischen Automarktes ausmachen.
Das erste Szenario modelliert den historischen Fahrzeugmarkt: Zwischen 1995 und 2015 stieg der Anteil der neu zugelassenen Dieselautos in der EU-15 von 22,6 auf 52,1 Prozent an. Im zweiten Szenario nahmen die Wissenschaftler an, dass der Anteil der Diesel-Autos ohne besondere Förderung konstant bei 22,6 Prozent geblieben wäre. Im dritten Szenario arbeiteten sie heraus, wie sich der Fahrzeugbestand und die Emissionen entwickelt hätten, wenn die EU ähnlich wie die japanische Regierung Hybrid-Pkw und zusätzlich Erdgas-Autos gefördert hätte. Demnach wäre der Anteil der Dieselfahrzeuge bis 2015 auf 11,6 Prozent gesunken, der von Hybrid- und Erdgas-Fahrzeugen hingegen auf 39 beziehungsweise 4 Prozent angestiegen.
Die Emissionen im Realszenario und in dem Szenario, das einen gleichbleibenden Anteil an Diesel-Autos voraussetzt, sind nahezu gleich hoch. Im dritten Szenario mit einem wachsenden Anteil an Hybrid- und Erdgas-Autos sind die Emissionen um 3,4 Prozent niedriger als im Realszenario.
„Es war besonders interessant zu sehen, dass die Gesamtemissionen aller neu zugelassenen Pkw in den letzten Jahren trotz der zunehmenden Zahl emissionsarmer Fahrzeuge sogar leicht gestiegen sind. Dies scheint einfach darauf zurückzuführen zu sein, dass mehr Autos zugelassen wurden“, erläutert Tim Butler. Auch wenn das einzelne Auto niedrigere Emissionen verursache: Bei einer steigenden Zahl von Autos habe die verbesserte Technologie kaum Auswirkungen auf die Bilanz.
Die Studie sei ein weiterer Beleg dafür, dass es umweltpolitisch keinen Grund gebe, den Diesel steuer- und abgabenrechtlich zu bevorteilen, sagt Joana Leitão. Spätestens seit 2001 müsse die „Klimafreundlichkeit des Diesel“ als Mythos gelten, denn seitdem unterschieden sich die CO2-Emissionen von Dieseln und Benzinern nicht mehr signifikant.
„In den 90er und frühen 2000er Jahren ließ die Förderung verbrauchsärmerer Dieselfahrzeuge die CO2-Emissionen zwar etwas sinken, allerdings stiegen die Ruß-Emissionen gleichzeitig an. Denn die meisten Dieselfahrzeuge dieser Zeit waren nicht mit Partikelfiltern ausgestattet. Ruß ist in erster Linie als Luftschadstoff bekannt, er ist aber auch ein Klimatreiber. Die Ruß-Emissionen machen den positiven Effekt der leicht gesunkenen CO2-Emissionen für das Klima zunichte“, so Leitão. Heute hätten zwar alle Diesel-Pkw Partikelfilter, aber es sei nicht gewährleistet, dass diese Autos über ihr gesamtes Fahrzeugleben mit funktionierenden Filtern führen.
Niedrigere Treibhausgas-Emissionen könnten nur mit einer Reduzierung entweder des Gesamtbestandes der Autos oder der realen Emissionswerte erreicht werden. Für letzteres müsse die Politik strengere CO2-Standards einführen und ihre Einhaltung überwachen, ergänzend sei ein höherer Anteil an emissionsarmen Fahrzeugen sinnvoll, so die Wissenschaftler.
Eckard Helmers, Joana Leitão, Uwe Tietge, Tim Butler, CO2-equivalent emissions from European passenger vehicles in the years 1995–2015 based on real-world use: Assessing the climate benefit of the European “diesel boom”, Atmospheric Environment, Volume 198, 2019, Pages 122-132, ISSN 1352-2310,
https://doi.org/10.1016/j.atmosenv.2018.10.039.
->Quelle: Institute for Advanced Sustainability Studies e.V. (IASS)/PM/Diesel-Emissionen