Studie: Klimaziel 2020 in 5 Jahren erreichbar, wenn Braunkohle durch Gas ersetzt wird
Deutschland kann das Klimaziel für 2020 in der Stromerzeugung – 40prozentige CO2-Reduktion gegenüber 1990 – durch eine Stilllegung von 9 GW Braunkohleleistung und eine höhere Auslastung von Gas- und Steinkohlekraftwerken bis 2023 erreichen. Das ist eines der Ergebnisse einer im Auftrag der Lobbyvereinigung Zukunft ERDGAS erstellten und am 07.11.2018 in Berlin präsentierten Kurzstudie des Beratungsunternehmens Aurora Energy Research über den deutschen Strommarkt.
Im Rahmen der Untersuchung wurden die Auswirkungen eines Teil-Ausstiegs aus der Braunkohleverstromung 2023 in drei Szenarien analysiert. Das erste Szenario berücksichtigte die Fortführung der Stromerzeugung unter heutigen Bedingungen, während in den beiden anderen Modellrechnungen die Abschaltung von fünf bzw. neun Gigawatt Braunkohlekraftwerksleistung angenommen wurde. Das Ergebnis: Durch einen Umstieg, bei dem neben Steinkohle- vor allem verstärkt Gaskraftwerke eingesetzt werden, ließe sich für die Stromerzeugung eine CO2-Minderung von knapp 43 Prozent im Vergleich zu den Emissionen von 1990 erzielen. Und das zu geringen Mehrkosten von maximal 0,4 ct/kWh.
Derzeit sind emissionsarme Gaskraftwerke in Deutschland im Schnitt zu 35 Prozent ausgelastet. Anders steht es um Braunkohleanlagen, ihre Auslastung liegt bei 78 Prozent. Nach Ansicht von Zukunft-Erdgas-Geschäftsführer Timm Kehler muss die Auslastungsdiskrepanz als wesentlicher Punkt in der laufenden Kohleausstiegsdebatte berücksichtigt werden. Es gebe auf der Gasseite „freie Kapazitäten, die nicht genutzt werden“. Auch Hanns Koenig, Projektleiter bei Aurora Energy Research und Autor der Studie, zieht aus den Ergebnissen eine klare Schlussfolgerung: „Im aktuellen Marktumfeld sind Gaskraftwerke niedrig ausgelastet. Daran hat auch der im vergangenen Jahr stark gestiegene CO2-Preis nichts geändert, da die Erdgaspreise ebenfalls stark gestiegen sind. Die in den analysierten Szenarien stillgelegten Braunkohlekraftwerke könnten durch bestehende Gas- und Steinkohlekraftwerke sowie Importe aufgefangen werden.“
Ein Beispiel, das die schwierige Marktlage illustriert, ist das 2010 in Betrieb genommene Gaskraftwerk Irsching nahe Ingolstadt. Die Anlage mit einer Leistung von 845 MW hat einen Wirkungsgrad von rund 60 Prozent und gehört damit zu den effizientesten Kraftwerken der Welt. Norbert Breidenbach, Vorstandsmitglied der Mainova AG: „Ausgerechnet der klimaschonendste fossile Energieträger wird durch Braunkohlekraftwerke, die allein im vergangenen Jahr 158 Millionen Tonnen CO2 ausgestoßen haben, aus dem Markt verdrängt. Hochmoderne Anlagen wie Irsching stehen still oder wandern in die Reserve ab. Dabei stoßen Gaskraftwerke pro erzeugter Menge an Energie dreimal weniger CO2 aus als Braunkohlekraftwerke. Ein wahrer Schildbürgerstreich, mit dem die bestehenden Instrumente zur Dekarbonisierung des Energiesystems ad absurdum geführt werden“.
Dabei kommt Gas im zukünftigen Energiesystem eine bedeutsame Rolle zu: Als Backup der Erneuerbaren gewährleisten Gaskraftwerke durch ihre hohe Flexibilität eine zuverlässige Energieversorgung auch während „kalter Dunkelflauten“. Bis 2030 werden mindestens 54 GW zusätzliche Gaskraftwerksleistung benötigt, wie die vor wenigen Monaten veröffentlichte Leitstudie der Deutschen Energie-Agentur (siehe: solarify.eu/kuhlmann-energiewende-integriert-denken) zeigt. Zudem wird der Anteil an grünem Gas deutlich zunehmen. Das erfordert erhebliche Investitionen, die unter den aktuellen Bedingungen jedoch ausbleiben.
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