CO2 reduzieren…

Robert Schlögl (MPI CEC): Anforderungen an eine klimaneutrale Wirtschaft

Der Direktor am Max-Planck-Institut für Energiekonversion und einer der geistigen Väter von Carbon2Chem begann mit einem schlichten Statement: „Die Frage ist nicht, dass wir etwas ändern, sondern wie, sonst macht die Natur das für uns.“

Er präsentierte zunächst einen „Wegweiser zu Energiesystemen“ – der Strompreis sei kein echter Preis:

  • Es gibt mehrere Konzepte mit unterschiedlicher „Kühnheit“ der Annahmen.
  • Sie enthalten keine realistischen Maßnahmen.
  • Sie sind nicht tief in der praktischen Politik verwurzelt. Sie alle zeigen, dass mit Business as usual niemals die Pariser Ziele erreicht werden können.

Den „Preis der Energie“ umschrieb er provozierend als „politischen Wert: Wer kontrolliert ihn? Er ist nicht durch Angebot und Nachfrage bestimmt und beinhaltet keine Aussage über die echten Kosten.“ Aber: Er sei „kein technisches Hemmnis für nachhaltige Transformationen“.

Fossil-Ausstieg – Grafik © Schlögl, CEC

[Die Erdölbranche setze jeden Tag 1 Mrd. Dollar um („das kleine Dreieck unten links sind dagegen die Erneuerbaren Energien“). Die eigentlich notwendige Erneuerbare Energien-Ausbau-Dimension kann niemand bezahlen, selbst wenn sie technisch möglich wäre – Grafik © Schlögl, CEC]

Schlögl: „2016 wuchs der Energieverbrauch um ein Prozent. Die Industrie verbraucht 75 Prozent der deutschen Energie-Erzeugung – der Preis hängt allerdings von den regulatorischen Bedingungen ab. Wenn die Gesellschaft darüber nachdenkt- so Schlögl – muss sie auch darüber nachdenken, was uns die Erneuerbare Energie wert ist. Strom kann 4 oder 17 ct/kWh kosten; auf jeden Fall ist viel Politik dahinter.“

Den aktuellen Status sieht Schlögl so: „Ökonomen behaupten oft, dass Energiesysteme auf Basis von Erneuerbaren Energien zu teuer seien. Die Rolle der Erneuerbaren Energien ist in Europa aufgrund der vielfältigen politischen Einmischungen allerdings schwer zu evaluieren. Die Erzeugung regenerativer Elektrizität ist wettbewerbsfähig oder billiger als fossile Energien. Verteilungskosten können es auch nicht sein, denn die Vertriebskosten sind identisch. Netzstrukturen sind allerdings für Grünstrom oft ungeeignet. Zentrales Problem der wirtschaftlich nachhaltigen Energie ist das Volatilitätsproblem. Kosten- oder Preisargumente für die wesentlichen Flexibilisierungsmaßnahmen basieren auf den aktuellen regulatorischen Rahmenbedingungen. Langfristiger Treiber ist die dann entstehende Flatrate der Energiekosten, wenn die Technologien groß genug sind.“

Nachdem die nachhaltige Stromerzeugung volatil sei, erfordere die Volatilität flexible Maßnahmen. Diese Anforderung werde mit zunehmender Elektrifizierung (Mobilität) wachsen. CEC sei dabei eine Option: Aufgrund der Energieintensivierung sei aber Sorgfalt geboten. Elektrifizierung, CCS und Energieeffizienz sind die dominierenden „Low Carbon Technologies“. Wärmeerzeugung als einfache und vielseitig einsetzbare Flexibilisierung werde oft ignoriert.

In Deutschland gibt es laut Schlögl ein überbordendes regulatorisches System für die Verbraucherpreise. Daher ist der Staat der Hauptpreistreiber beim Strom. Angeblich herrsche jetzt „Wettbewerb“ – Schlögl: „…das sehe ich nicht.“ Die Transformation zu Erneuerbaren Energien erfordere viel mehr Aufwand als bisher gedacht. Wir wollten alle nicht auf gleichbleibende, sichere Stromversorgung verzichten („das Fritz-Haber-Institut hat bereits große Schäden durch Stromschwankungen erlitten“).

Die Transformation in ein nachhaltiges Energiesystem erfordere viel mehr Kraft als bisher (0,5 GW Effizienz p.a. in Deutschland). Größter Hemmschuh dabei sei der Mangel an Handel und Lagerung von Massen-Energieträgern, hier gehöre die Illusion einer „Kupferplatte“ hinein. Eine (neue) weltweite Industrie werde einen (neuen) technischen Energietransportkreislauf einrichten. Schlögl: „Alternative Technologien nutzen Wasserstoff oder Derivate wie CCU, Stickstoffverbindungen oder großformatige Kohlenwasserstoffe als Transportmittel. Die systemischen Verluste der Erneuerbaren Energien durch CCU sind von untergeordneter Bedeutung im Vergleich zur Gesamtsystemfunktion, welche die Energieumwandlung aus der lokalen Enge befreit.“

Es sei eine Illusion, dass Erneuerbare Energien nur lokal erzeugt werden könnten, sie würden genauso erzeugt und verteilt wie bisher auch.

Solar Refinery – Grafik © Schlögl/CEC

Entscheidend sei auf Dauer ein geschlossener Kohlenstoffkreislauf, denn Energiesysteme könnten nicht „dekarbonisiert“ werden. Sie könnten höchstens entfossilisiert werden. Es werde ein technischer Kohlenstoffkreislauf in Analogie zum natürlichen Kohlenstoffkreislauf benötigt.

Systemverluste seien vernachlässigbar im Vergleich zur Gesamtsystemfunktion, welche die Energieumwandlung von ihrer lokalen Begrenzung befreit. Langfrist-Driver dabei sei die Flatrate der Energiekosten, wenn die Technologien groß genug seien.

„Wir brauchen synthetische Treibstoffe, woanders auf der Welt ist das bereits erkannt, wir diskutieren noch darüber.“ Zum CCU-Problem: „Das kostet schon etwas, aber heruntergebrochen auf die Wertschöpfung ist das nicht viel. Die Frage ist einfach: Ist es uns das wert, dass das gesamte Kostenniveau ansteigt, wenn wir nachher eine Struktur haben wollen? Die unselige Diskussion in der Literatur muss zu Ende gehen.“ Lineare CCU vermeide maximal 50% CO2 in einer Kombination von zwei Prozessen (Geben und Nehmen). Für diesen begrenzten Effekt bei der Minderung brauche es etwa vier Mal so viel Erneuerbare Energien, die aber in einem begrenzten Erneuerbare-Energie-Szenario viel mehr CO2 einsparen könnten.
Neben dem Mangel an ausreichenden Erneuerbaren Energien werden die Technologiekosten im Vergleich zu fossil + CCS als zu hoch eingeschätzt.

Unverkoppelte Sektoren – Grafik © Schlögl, CEC

Verkoppelte Sektoren – Grafik © Schlögl, CEC

Stabile Systeme: Mobilität als Matchmaker – Stabile Systeme: Mobilität ist der Matchmaker. Heute haben wir unverkoppelte Sektoren. Die Zukunft bestehe aber in Sektorkopplung. Dabei sei die Verbindung mit passendem Maß die Mobilität: Es werde um Koexistenz von E-Mobilität und Synthetischen Treibstoffen (Synfuels) gehen. Entsprechende Anwendungsszenarien ergäben sich im Leicht- und Schwerlastbereich. Dabei seien allerdings lange Umstellungsketten nachteilig und erforderten wissenschaftliche Durchbrüche.

[note Einige Zahlen und Größenordnungen
H2 aus Dampfreformierung erzeugt 11,2 kg CO2/Kg.
H2 aus Wassergasverschiebung erzeugt 22 kg CO2/Kg.
H2 aus der Wasserspaltung benötigt 84 kWh/kg.
– Bei aktuellem Strommix in Deutschland bedeutet das 41 kg CO2/kg.
1 Mt CO2 benötigt 136.000 t H2 oder 11,43 TWh Ökostrom, um 727.000 t Methanol zu erzeugen.]

„Solar“- oder Syn-Kraftstoffe: ein Instrumentarium

Solar oder Syn-Fuels – Wasserstoff, Brennstoffzelle Batterie – Grafik © Schlögl, CEC

Basierend auf Wasserstoff als primärchemischem, nachhaltige Energien speicherndem Energieumwandlungsprodukt ergeben sich mehrere Optionen mit spezifischen Vorteilen (Effizienz) und Nachteilen (komplexe neue Technologien und Infrastrukturen). Und unterschiedliche Anwendungsprofile für verschiedene Mobilitätsanwendungen (leicht, schwer). Optimierte Verbrennungsentwicklungen für Syn-Kraftstoffe sind erforderlich, um die Emission neuartiger toxischer Substanzen zu vermeiden.

Die Umwandlung von CO2 sei die einzige Möglichkeit, da sie aber den Faktor vier an Erneuerbaren Energien brauche, gebe es niemals genug davon in Europa; jedenfalls sei „das nicht mit ein paar Windrädern in Deutschland zu schaffen. Wenn man Tankschiffe oder Pipelines einsetze, sei es fast schon egal, wo auf der Welt die Erneuerbaren Energien gewonnen würden. Schlögl: „Es wäre ziemlich schlau, wenn die Europäer da mitspielen würden.“ Der weltweite Transport von Erneuerbaren Energien kann ebenso wie bisher mit fossilen Energieträgern geschehen – am besten mit Kohlenstoff-Kreislauf.

Vergleich fossile Treibstoffe, E-Auto, B-Zelle, Hybrid-fossil – Grafik © Schlögl, GinaBella et.al

Einheitliche Mobilitätsplattform? Ein Vergleich

  • Ist das BEV (Battery-Electric Vehicle) nicht die überlegene Technologie?
  • Ist die Wasserstoff-Brennstoffzelle nicht die effektivste und sauberste Technologie? (Schlögl: „Schlechteste Option: Wasserstoff und Brennstoffzelle braucht irrsinnige Infrastruktur und Aufwand“.)
  • Warum synthetische Kraftstoffe jetzt (zu spät)?
  • Werden synthetische Kraftstoffe nicht nur das Überleben der veralteten Verbrennertechnologie sichern? (Schlögl: „Beste Lösung: Syn-Fuels plus Hybrid“.)
  • Ist die Batterieforschung nicht der kritischste Teil der Energieforschung?

Typische Widerstände

Die (weitgehend) hemmende Rolle der Wirtschaft vernachlässigt

  • die Notwendigkeit, in jedem Fall zu investieren, auch wenn die „Kosten“ überfordert erscheinen;
  • die Möglichkeiten einer pauschalen Erneuerbaren-Flatrate im regionalen Kontext;
  • die Zeitachse hinter den tatsächlichen Schwankungen (Strategie vs. Taktik);
  • die Tatsache, dass viele andere Nationen in die Energiewende eingetreten sind.

Politik (und Gesellschaft) behindern die Transformation

  • durch die Fortführung des kurzfristigen Mikromanagements (warum kein funktionierender ETS?);
  • indem die regionalen systemischen Zusammenhänge nicht gesehen werden (die Energieunion ist kein „Strategieplan“ – „eine unter-europäische Energiewende halte ich für falsch“);
  • indem auf ein transparentes, stabiles und zuverlässiges Regulierungssystem verzichtet wird;
  • indem nicht aus dem Erfolg der Erneuerbaren-Technologien gelernt wird.

Schlögl: „Die Entwicklung der Erneuerbaren Energien ist gut gelaufen, aber ihre Weiterentwicklung und der Ausstieg aus den Fossilen wurden verschlafen, bzw. drohen am Widerstand zu scheitern. Das wäre echt schade. Dabei ist es ganz einfach: Wir müssen das CO2 reduzieren“.

->Quellen: Eigene Aufzeichnungen, PPP-Folien der Referenten, eigene Fotos