Markus Ungerer (Siemens Corporate Technology): Multikriterieller Vergleich potenzieller Produkte und erste ökonomische Betrachtungen für Methanol
Ungerer, Senior Key Expert Water Technologies bei Siemens, sprach zunächst die Modellierung des Energiesystems bis 2030 an und kam über eine „transiente Bewertung der Methanol (MeOH)-Synthese“ auf „Möglichkeiten zur stofflichen und energetischen Kopplung im Anlagenverbund“ zu sprechen:
Schließlich nahm er eine multikriterielle statische Bewertung der in Leuchttürmen untersuchten und darüber hinaus denkbaren Produkte vor:
„Gewinner“ (mit 55%) sei Harnstoff, Diphenylcarbazid (DPC) auf Platz 2. Oxymethylenether (OME, Dieselersatz) sei problematisch wegen der Unsicherheit bezüglich seiner erreichbaren Marktgröße und durch Komplexität des Prozesses:
Harnstoff liege deshalb vorn, weil ein etabliertes Verfahren für die Synthese aus CO2 vorliege und weil es einen großen, stabilen, wachsenden Markt gebe. Die Ammoniak-Produktion sei aus Projektsicht nur dann sinnvoll, wenn anschließend die Weiterverarbeitung zu Harnstoff folge. Methanol werde positiv bewertet, denn in jeder Kategorie gebe es stabil hohe Punktzahlen (in „Technologie“ lägen Methanol und Harnstoff deutlich hinter DPC und TDI (Toluoldiisocyanat), v.a. durch die hohe Gewichtung des H2-Bedarfs).
DPC liege mit 51% knapp auf zweitem Platz, allerdings sei das Ergebnis sensibel bezüglich veränderter Gewichtung, z.B. durch Etablierung einer kostengünstigen grünen Wasserstoffquelle (Methanpyrolyse). Ethanol, Propanol, Butanol, TDI und OME rangierten sehr ähnlich mit 38 – 41 %.
Zusätzliche Produkte bis auf Buten mit guter Bewertung über 40% – hier sei eine dezidiertere Betrachtung sinnvoll.
DMC (Dimethylcarbonat, Kohlensäuredimethylester) und DME (Dimethylether, aus Methanol) kämen als mögliche alternative Treibstoffe in Betracht (sogenannte „new fuels“).
Ethen und Propen (aus Ethanol und/oder Methanol) zur Herstellung von Polymeren und Treibstoffen (MtG – Methanol to Gasoline). Methylal und Formaldehyd (aus Methanol) dienen als Plattformchemikalien.
Anschließend entwarf Ungerer ein Stromszenario 2030 nach dem Energy System Development Plan für Deutschland mit ca. 50% Erneuerbaren Energien, aber starker Fluktuation:
Dann kam Ungerer zu einer transienten Bewertung der MeOH-Synthese. Den Ausstieg aus der Braunkohle bezeichnete er zwar als „signifikant, aber bei hohem Anteil Erneuerbarer Energien als weniger relevant“. Definition von Kohlenstoff- und Wasserstoffquellen und von techno-ökonomischen Randbedingungen für die MeOH-Synthese:
Stelle man MeOH aus reinem CO2 und Elektrolyse-H2 her, betrügen die Produktionskosten mindestens 760 €/t; bei einer Produktion aus Hüttengas-C und Elektrolyse-H2 seien es mindestens 630 €/t – aus Hüttengas-C plus Methanpyrolyse-/und Elektrolyse-H2 kämen mindestens 530 €/t heraus.
Ungerers Fazit: Wir brauchen viel mehr Erneuerbare Energien – und einen CO2-Zertifikatspreis von ca. 140 €/t.