Ein Rahmenprogramm im Kampf gegen die Klimakrise
„Klimaforschung ist die Grundlage jeder effektiven, nachhaltigen und verantwortungsvollen Klimapolitik. Sie untersucht die Wirkungsmechanismen der Klimakrise. Deren erste Folgen sind bereits für viele Menschen im Alltag spürbar.“ Das schreiben 37 Abgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen in einem Antrag (19/5816), in dem sie die Bundesregierung auffordern, ein Rahmenprogramm zur Klima- und Klimafolgenforschung über 100 Millionen Euro pro Jahr zu beschließen.
Die Forschungsergebnisse der Klima- und Klimafolgenforschung seien über die Wissenschaft hinaus von größter Bedeutung für Politik und Gesellschaft, da sie sich mit den verbliebenen Möglichkeiten der menschengemachten Erderhitzung beschäftigen und gleichzeitig die Konsequenzen erforschen, falls zu wenig im Sinn des Klimaschutzes getan wird.
Die Finanzierung der Klima- und Klimafolgenforschung werde der gesellschaftlichen Bedeutung dieses Forschungsbereichs seit Jahren nicht gerecht. An den Universitäten, den Hochschulen für angewandte Wissenschaften, den außeruniversitären Forschungseinrichtungen sowie Klimaforschungsinstituten in Deutschland werde Klimaforschung auf internationalem Spitzenniveau betrieben. Dies sei allerdings zunehmend nicht wegen, sondern trotz der Förderpolitik der Bundesregierung der Fall. Die exzellente Forschungsarbeit brauche eine bessere Finanzierung durch öffentliche Drittmittelgeber, Wissenschaftsfreiheit, Wertschätzung und eine effizientere Wissenschaftskommunikation.
So müssten die globalen Modelle auf die lokalen Bedingungen „heruntergebrochen“ werden, um regionale und lokale Auswirkungen mit größerer Tiefenschärfe prognostizieren zu können (sog. Downscaling). Bestehende Beobachtungssysteme gelte es auszubauen und disziplinübergreifend in Datenbanken zusammenzuführen, um auch bio-geochemische oder marine Prozesse besser modellieren zu können. Wenn komplexe Gesamtsysteme wie der Golfstrom im Atlantik oder die Permafrostböden in der sibirischen Tundra als Folge der Klimakrise erst einmal „kippen“, sei es für ein menschliches Umsteuern zu spät und eine selbstverstärkende Kettenreaktion der globalen Erhitzung könnte in Gang geraten. Das Wissen über solche Kippelemente müssten daher ausgebaut werden.
Denn obwohl bereits viele mögliche Kipp-Punkte identifiziert seien, bestehe doch weiterhin eine hohe Unsicherheit darüber, ab welcher Temperatur ganze Ökosysteme kippen und wie die Auswirkungen auf einzelne Lebensbereiche seien. Erst durch eine stärkere interdisziplinäre Verankerung der Klimafolgenforschung wären dazu fundiertere Aussagen möglich. So wisse man bisher beispielsweise nicht, welche neuen Krankheiten sich in Deutschland und weltweit verbreiten, wenn die globale Temperatur steigt. Der Landwirtschaft drohe bei regelmäßigen Hitzewellen oder Starkregenfällen eine Dauerkrise. Doch auch andere Wirtschaftszweige – von der Fischerei bis zum Tourismus – stünden vor gewaltigen Herausforderungen, auf die es bisher zu wenige Antworten gebe.
Zudem sei die Klimaforschung auch eine Frage der zivilen Sicherheit: Während sich Bevölkerungsschützer vor Ort aber auch große Rückversicherer längst intensiv über die Auswirkungen der Klimakrise Gedanken machten, spielten sie im Rahmenprogramm der Bundesregierung „Forschung für zivile Sicherheit“ keine Rolle. Es sei wichtig zu wissen, wie die kritischen Infrastrukturen für die Bewältigung von neuen Extremereignissen wie Starkregen oder Dürren sicher gemacht werden können, um diese Erkenntnisse in Szenarien der Behörden einfließen zu lassen und auf die Folgen der Klimakrise adäquat reagieren zu können.
Die Grünen fordern die Bundesregierung daher auf, ein Rahmenprogramm zur Klima- und Klimafolgenforschung zu beschließen, das ressortübergreifend alle Förderaktivitäten der Bundesregierung im Bereich der Klima- und Klimafolgenforschung verknüpft, weiterentwickelt und stärkt. Es sollen Schwerpunkte im Bereich der Klimamodellierung, regionaler und sektoraler Aspekte der simulierten Klimaänderung gesetzt werden. Zudem soll die Klimafolgenforschung, insbesondere bezüglich regionaler Unterschiede und Interaktionen mit anderen gesellschaftlichen oder wirtschaftlichen Wandlungsprozessen, gesetzt werden. Insbesondere biologische, chemische, geologische, ozeanographische, meteorologisch, geophysikalische und glaziologische Langzeitmessungen sollen verstetigt und intensiviert werden. (hib/ROL)
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