Erneuerbarer Kraftwerkspark für € 7 Mrd.
Der Aufbau des gesamten Erneuerbaren Kraftwerksparks würde nach Berechnungen von Greenpeace Energy rund sieben Milliarden Euro kosten – es wäre das mit Abstand größte Erneuerbare-Energien-Projekt Europas und dank Skaleneffekten gerade deshalb besonders günstig zu errichten. „So können wir auf eine Vergütung nach dem EEG verzichten und erwarten trotzdem Renditen zwischen fünf und sieben Prozent, wenn man durchschnittliche Marktwerte zugrunde legt“, so Tangermann. „Vor allem aber können wir für wesentlich mehr Erneuerbaren Strom und für mehr Klimaschutz sorgen als sonst auf Basis des EEG möglich wäre.“
Die Standorte für die Solar- und Windparks pachtet die Betreibergenossenschaft von einer ebenfalls neu zu gründenden kommunalen Flächengesellschaft, in der alle Grundeigentümer organisiert sind. Die Pachteinnahmen belaufen sich in der letzten Ausbaustufe auf jährlich 45 Millionen Euro. Zudem ist die Flächengesellschaft für die Renaturierung zuständig, über eine Beschäftigungsgesellschaft nimmt sie alle Mitarbeiter unter Vertrag, die aus der RWE-Braunkohlesparte ausscheiden. Diese können zum Beispiel in der Renaturierung der Tagebauflächen und im Kraftwerksrückbau arbeiten. Andere werden für neue Arbeitsplätze in den Erneuerbaren Energien und anderen Branchen weiter qualifiziert. Für ihre Aufgaben erhält die Beschäftigungsgesellschaft Mittel aus einem öffentlichen Strukturfonds, wie ihn auch die Kohlekommission vorschlägt, um den Strukturwandel in den Braunkohleregionen zu finanzieren. In welchem Umfang sich auch RWE finanziell an den Maßnahmen zu beteiligen hat, handeln Staat und Konzern separat aus.
„Durch den Bürgerenergie-Ansatz mit der weitreichenden Beteiligung regionaler Akteure erfüllt das Konzept zentrale Kriterien, um eine möglichst hohe Wertschöpfung und Arbeitsplatzwirkung im Rheinischen Revier zu erzielen“, urteilt Prof. Dr. Bernd Hirschl vom Institut für Ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW), einer führenden Instanz für sozioökonomische Fragen. „Das Projekt kann wie eine Initialzündung wirken für die Transformation dieser traditionellen Energie-Region in eine Energiewende-Modellregion.“
Durch die Umsetzung des Greenpeace Energy-Plans würden – im Vergleich zur RWE-Planung – insgesamt 441 Millionen Tonnen weniger CO2 ausgestoßen, wie das Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) im Auftrag von Greenpeace Energy errechnet hat. Dadurch würden gesellschaftliche Folgekosten durch Klimaschäden in Höhe von rund 60 Milliarden Euro eingespart. Schon im Jahr 2020 sinken die Emissionen um rund 13 Millionen Tonnen CO2. Bis 2030 werden 338 Millionen Tonnen CO2 eingespart. „Der Greenpeace Energy-Plan zahlt somit direkt auf die 2020er- und 2030er-Klimaziele ein“, sagt FÖS-Experte Florian Zerzawy. Für Interessenten an einer Projektbeteiligung ist laut Greenpeace Energy eine Infoseite unter www.reinrevierwende.de online.
SPIEGEL: „Aufsehenerregend“, „glaub- und fragwürdig“
Eines sei der Vorschlag des Ökostromversorgers Greenpeace Energy in jedem Fall: „aufsehenerregend“, schreibt Stefan Schultz im SPIEGEL. „Kohle kaufen und abschaffen, Ökostromanlagen bauen: Das Konzept klingt charmant.“ Es sei zudem mit Studien mit den betriebswirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Details des Plans. Udo Sieverding, Energieexperte der Verbraucherzentrale NRW sehe in dem Greenpeace-Angebot zwei Komponenten: eine glaubwürdige und eine fragwürdige.
Glaubwürdig findet Sieverding die Pläne zur Finanzierung der neuen Ökostromanlagen. Die geschätzten Gesamtkosten liegen laut Greenpeace Energy bei sieben Milliarden Euro. „Die Annahmen erscheinen durchaus realistisch“, so Sieverding. „Greenpeace Energy hat durchaus die Kompetenz, solche Anlagen kostengünstig zu bauen und deren Strom an den Kunden zu bringen.“ Für weniger realistisch hält der Experte die 384 Millionen Euro Kaufpreisannahme. Sieverding teilt die Ansicht von Greenpeace Energy nicht, dass sich Braunkohlestrom schon Mitte der Zwanzigerjahre nicht mehr rechnen wird. . „2022 soll auch das letzte Atomkraftwerk vom Netz gehen“, sagt er. „Viele Analysten rechnen eher damit, dass die Strompreise dann steigen und den höheren CO2-Preis kompensieren.“ Schultz: „Für RWE dürfte eine solch niedrige Kaufofferte kaum attraktiv sein. Zumal Greenpeace Energy den Konzern auch noch dazu verdonnern will, sich an den Kosten für die Umschulung der Mitarbeiter aus der Braunkohlesparte zu beteiligen.“ Ob sich der Vorschlag daher umsetzen lasse, sei unklar. Allerdings könne Greenpeace Energy „mit der Kaufofferte nur gewinnen“: Denn am 20.11.2018 hatten viele Stromversorger Preiserhöhungen angekündigt. Und seit dem erbitterten Streit zwischen RWE und Umweltaktivisten über die Abholzung des Hambacher Forsts seien mehr und mehr Verbraucher an Ökostromanbietern interessiert. Schultz schätzt daher: „Ein Kaufangebot für die Braunkohlesparte von RWE könnte ein geschickter Schachzug sein, um sich als attraktiver Versorger für solch wechselfreudige Kundschaft zu profilieren.“
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