Meeres-Impfung?
Ließe sich das Kohlendioxid vielleicht im Meer speichern? Rund 20 bis 25 Prozent des vom Menschen freigesetzten Kohlendioxids wird von den Meeren aufgenommen. Im Wasser verändert sich das CO2 chemisch. Es reagiert dann zum Beispiel mit Bestandteilen gelöster Minerale, die vom Land ins Meer geschwemmt wurden, und wird dauerhaft im Wasser gebunden. Denkbar wäre es deshalb, große Mengen Gesteinspulver im Meer zu verteilen, um diese Reaktion künstlich hervorzurufen. „Zahlreiche Untersuchungen zeigen das Potenzial dieser Methode. Die Details einer Anwendung aber müssen – wie bei den vielen anderen Methoden auch – erst noch in Feldstudien untersucht werden“, sagt Jens Hartmann, Geologe mit dem Schwerpunkt Hydrochemie an der Universität Hamburg. Der größtmögliche Effekt ließe sich vermutlich auch nur mit speziell gefertigten Gesteinsprodukten erzielen, etwa mit Substanzen aus Kalkstein oder Basalt. Um davon eine ausreichende Menge herzustellen, wäre Bergbau in der Dimension des heutigen Kohleabbaus notwendig.
Hauke Schmidt erforscht eine andere Methode, um die Erderwärmung aufzuhalten. Der Klimamodellierer vom Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg analysiert Vulkanausbrüche. Bei solchen Eruptionen werden Millionen Tonnen der Schwefelverbindung Sulfat bis in die Stratosphäre geschleudert. Die Ascheteilchen reflektieren dann das einfallende Sonnenlicht wie winzige Spiegel und verhindern, dass es die Erde erwärmt. „Auf Basis dieser natürlichen Experimente wissen wir, dass man durch das Ausbringen reflektierender Partikel die Erde abkühlen könnte“, sagt Schmidt. „Unklar ist allerdings, welche Menge man bräuchte, um einen bestimmten Effekt zu erzielen. Dazu enthalten unsere Modelle noch zu große Unsicherheiten, weil wir die Mikrophysik der Partikel und auch ihre Wechselwirkungen mit atmosphärischer Zirkulation noch nicht gut genug verstehen.“
Hans-Otto Pörtner sieht Potenzial im sogenannten Direct-Air-Capture-Verfahren. Bei dieser Methode wird Luft über spezielle Bindemittel geleitet, um das enthaltene Kohlendioxid herauszufiltern und anschließend einzulagern oder industriell weiterzuverarbeiten. Testanlagen gibt es bereits und die Kosten für die Extraktion von einer Tonne CO2 sind aufgrund technischer Fortschritte inzwischen von 600 US-Dollar auf 100 bis 230 US-Dollar gefallen. „Deutschland wäre mit seiner chemischen Industrie prädestiniert, die direkte Extraktion aus der Luft weiterzuentwickeln und das CO2 in Verbindung mit der Nutzung von Wind- oder Sonnenenergie in Form von synthetischen Kraftstoffen zu recyceln. Das würde beispielsweise helfen, den Schiffs- und Luftverkehr unabhängiger von fossilen Kraftstoffen zu machen und auch diese beiden Problemkinder des Klimaschutzes einzubinden“, sagt Hans-Otto Pörtner.
„Die Verfügbarkeit von CDR-Methoden könnte Menschen dazu veranlassen, weniger für die Emissionsvermeidung zu tun.“
Doch die Option des Climate Engineerings könnte auch ein fatales Signal senden und die Bevölkerung davon abbringen, selbst etwas für den Klimaschutz zu tun. Kieler Forscher haben in einer Studie Menschen über das Ausmaß des Klimawandels informiert und sie anschließend befragt, wie viel Geld sie persönlich in den Emissionsschutz investieren würden. Einige Teilnehmer erhielten zudem Informationen über BECCS (Bioenergiegewinnung und Kohlendioxidspeicherung) als ergänzende Technologie, um die Zwei-Grad-Grenze zu einzuhalten. Befragte aus dieser Gruppe waren im Anschluss weniger bereit, Geld für den Klimaschutz auszugeben, als Teilnehmer, die stattdessen mehr Material zum Klimawandel erhalten hatten. „Die Verfügbarkeit von CDR-Methoden könnte Menschen also dazu veranlassen, weniger für die Emissionsvermeidung zu tun“, sagt Christine Merk vom Institut für Weltwirtschaft in Kiel.
Eine solche Entwicklung wäre ein Schritt in die falsche Richtung, wie eine neue CE-Studie unter der Leitung von Mark Lawrence, Direktor am Potsdamer Institut für transformative Nachhaltigkeitsforschung (IASS), zeigt: „Selbst wenn wir uns heute für einen Einsatz von CE-Methoden entscheiden würden, würde es mehrere Jahrzehnte dauern, bis die unterschiedlichen Technologien in einem klimarelevanten Maßstab einsetzbar wären“, sagt der Forscher. Zuvor stehe die Menschheit vor der Aufgabe, weitere Forschung zu den einzelnen Methoden zu betreiben – und im Falle eines geplanten Einsatzes Anlagen von enormer Größe aufzubauen. Hinzu kommt ein politischer Aspekt, vor allem beim Solar Radiation Management: Es dürfte lange dauern, passende Regelwerke zu entwickeln und Einsatzpläne international abzustimmen, so Mark Lawrence. Bis dahin bleibe nur eine Option: eine drastische Reduktion aller CO2-Emissionen.