Schulze trotzdem optimistisch – Euractiv schaut hinter Kulissen
Ursprünglich hätte der Weltklimagipfel COP24 in Katowice am 14.12.2018 enden sollen. Die Vertreter aus fast 200 Staaten müssen – wie nicht anders erwartet – noch bleiben: Die Staaten feilschen über den Entwurf einer Abschlusserklärung und die Umsetzung des bei der COP23 in Bonn mit ca. 200 Seiten vereinbarten „Regelbuchs“ zur Umsetzung des 2015 in Paris verabschiedeten „Weltklimaabkommens“ einleiten.
Am Vormittag – so tagesschau.de – hatte der polnische Gipfelpräsident Michal Kurtyka, Staatssekretär im Umweltministerium, zunächst bilaterale Gespräche über den 144-seitigen Entwurf der Abschlusserklärung geführt, am Nachmittag fanden weitere Gespräche in großer Runde statt.Bundesumweltministerin Svenja Schulze äußerte sich optimistisch, dass der UN-Klimagipfel in Polen erfolgreich beendet werden kann. „Es sieht gut aus“, sagte die SPD-Politikerin. Sie glaube, dass man das am Ende hinbekommen könne. „Wir bewegen uns jetzt auf die Zielgerade zu.“ Diplomaten zufolge stellen sich alle auf eine weitere Nachtsitzung ein. Es geht aber laut tagesschau.de um mehr als um die Abschlusserklärung:
- Zu den Streitpunkten in Kattowitz gehören nach Angaben aus Verhandlungskreisen die Transparenzregeln, die festlegen sollen, wie die nationalen Klimaziele künftig eingereicht und überprüft werden.
- Auch der Umgang mit den Schäden und Verlusten durch den Klimawandel vor allem in den ärmsten Ländern ist noch umstritten.
- Es geht auch darum, welche Botschaft über das künftige Engagement im Kampf gegen den Klimawandel gesendet wird.
Was passiert in Katowice?
Auf EURACTIV.com berichtete Claire Stam aus Katowice (in der Übersetzung von Tim Steins) aus den COP24-Kulissen. Die Umweltminister der sogenannten „High Ambition Coalition“ aus Grenada, Äthiopien, Deutschland, Norwegen, Kanada, der Schweiz, Argentinien, Dänemark und Kolumbien sowie Vertreter der EU erklärten am 12.12.2018, es sei nicht akzeptabel, den Gipfel von Katowice ohne eine Erklärung zu beenden, die den jüngsten IPCC-Bericht und eine Entscheidung über den Talanoa-Dialog ausdrücklich begrüßt.In dem Dokument betonen die Unterzeichner außerdem, sie seien entschlossen, ihre Klimaziele bis 2020 zu verstärken. Dies soll erreicht werden, indem sie ihre Klimazusagen, die sogenannten national festgelegten Beiträge (NDC), erhöhen, kurzfristige Maßnahmen verstärken und langfristige Strategien für emissionsarme Entwicklung ausarbeiten.
Am Nachmittag hatte UN-Generalsekretär António Guterres die Delegierten mit deutlichen Worten aufgefordert, „endlich voranzukommen. Ich verließ Katowice [vergangene Woche] hoffnungsvoll, aber mit Ungewissheit. Während meiner Abwesenheit wurden der ohnehin langen Liste der Klimarisiken drei weitere Berichte hinzugefügt: ein Sonderbericht der WHO über die Auswirkungen des Klimawandels auf die Gesundheit; ein Bericht des UN-Umweltprogramms, der die Möglichkeiten zur Verringerung der Emissionen im Bausektor aufzeigt; und der Forschungsbericht der NASA über die ersten Anzeichen eines signifikanten Schmelzens der Gletscher in der Ostantarktis. Zurück in Katowice sehe ich nun, dass trotz einiger Fortschritte bei den Verhandlungstexten immer noch sehr viel zu tun bleibt,“ betonte Guterres. Anschließend forderte er vor allem die polnische Präsidentschaft auf, ihre Bemühungen zu intensivieren: „Katowice muss der Beginn einer neuen Entschlossenheit sein, die Versprechen des Pariser Abkommens zu erfüllen.“ Weiter erklärte er: „Wir haben eindeutig das Know-How und die Fähigkeiten, 1,5°C zu erreichen. Wir sehen eine unglaubliche Dynamik aus allen Bereichen der Gesellschaft, um die Emissionen zu senken und den Übergang zu einer grünen Wirtschaft zu schaffen. Wir haben also alle Möglichkeiten. Was wir brauchen, ist der politische Wille, endlich voranzukommen.“
Leerstellen im künftigen Regelwerk
In Anbetracht der Tatsache, dass bisher keine größeren Fortschritte erzielt wurden und die Verhandlungsführer nach wie vor in Kleinkriege über einzelne Passagen des zukünftigen Regelwerks für das Pariser Klimaabkommen verstrickt sind, erklärte auch COP-Präsident Michal Kurtyka am Dienstagabend, er wolle nun die Kontrolle über die Gespräche übernehmen. „Basierend auf den Berichten, die wir gerade gehört haben, und dem Fortschritt der Arbeit, sehe ich, dass der gegenwärtige Verhandlungsansatz ausgeschöpft ist,“ sagte er, bevor er die Delegierten drängte, am nächsten Tag neue Vorschläge zu unterbreiten. „Denken Sie an das Gesamtbild, lassen Sie die Mikroprobleme ruhen, fügen Sie keine neuen Klammern hinzu,“ mahnte Kurtyka. Mit „Klammern“ meint er dabei die bestehenden Leerstellen im Text. Am Mittwochabend begann dann die Veröffentlichung der Reihe von Entwürfen. Laut Simon Evans, stellvertretender Redakteur beim britischen Carbon Brief, ist die Anzahl der offenen Klammern von 2.809 im Oktober auf inzwischen 630 gesunken. Auch die Anzahl der Seiten für das künftige Regelwerk ist gesunken: von 236 auf 136.
Die deutsche Angst vor gelben Kohle-Westen
Bundesumweltministerin Svenja Schulze forderte derweil am Mittwoch mehr EU-Gelder zur Unterstützung eines „gerechten Übergangs“ in den Kohleregionen. „Ich würde es sehr begrüßen, wenn wir im nächsten EU-Haushalt mehr Mittel für die vom Strukturwandel betroffenen Regionen bereitstellen könnten,“ sagte sie in einer Pressekonferenz und stellte weiter fest, dass dies auch den deutschen Kohleregionen zugute kommen würde. Sie kündigte auch an, Deutschland wolle einen Erfahrungsaustausch zwischen den europäischen Kohleregionen unterstützen: „Wir haben rund 40 solcher Kohleregionen in Europa, von denen viele vor ähnlichen Herausforderungen stehen wie die deutschen Regionen,“ erklärte sie. „Es ist wichtig, den Arbeitnehmern in den Regionen eine Alternative zu bieten und sie in die Entscheidung über einen Weg zum Ausstieg aus fossilen Brennstoffen einzubeziehen. Wenn die Menschen nicht an der Entscheidung beteiligt sind, dann ziehen sie sich gelbe Westen an und demonstrieren dagegen,“ warnte sie.
Saudi-Arabien tanzt aus der Reihe
In einer Erklärung beschwerte sich derweil die Delegation Saudi-Arabiens über eine ihrer Meinung nach „starke Abweichung“ von den in Paris vereinbarten Bestimmungen. „Tatsächlich sehen wir eine übermäßige Hervorhebung von Energie und insbesondere von Öl – mit dem Ziel, überzogene und unrealistische Steuern auf Kohlenwasserstoffkraftstoffe zu erheben,“ heißt es in der Erklärung. Weiter schreibt die saudi-arabische Delegation: „Um das Pariser Klimaabkommen vollständig umzusetzen, müssen wir zunächst akzeptieren, dass der Übergang zu emissionsarmen Volkswirtschaften Zeit in Anspruch nehmen wird. Wir müssen für diesen langen Übergang eine ausreichende und zuverlässige Energieversorgung zur Verfügung stellen und sichern, um einen geordneten Umstieg zu gewährleisten.“
Europas Zivilgesellschaft fordert ehrgeizige Ziele
45 nichtstaatliche Akteure haben die EU-Länder indes aufgefordert, sich ein ehrgeiziges Langfrist-Ziel zu setzen, um die Emissionen zu reduzieren und entsprechend bis 2020 ihren national festgelegten Beitrag (NDC) zu erhöhen. Die Initiative Step Up Now wurde am Mittwoch von 22 Unternehmen, 15 Investoren, 6 Städten und 2 Regionen aus ganz Europa gestartet. Die Initiative zeigt, wie diese und weitere Interessenvertreter von Maßnahmen zur Eindämmung des Klimawandels profitieren und wie sie bereits ihre eigenen Maßnahmen verstärken. „Die EU verfügt über das Wissen, die Fähigkeiten und die wirtschaftlichen Triebkräfte, um bis spätestens 2050 Netto-Null-Emissionen zu erzielen. Es wird von wesentlicher Bedeutung sein, die Anstrengungen im Laufe des nächsten Jahrzehnts zu verstärken und die bestehenden Ziele für 2030 entsprechend zu überprüfen. Wir glauben, dass die europäischen Länder den Weg in eine emissionsfreie Zukunft weisen können und sollten,“ heißt es in einer Erklärung der Initiative.
->Quellen: