Debatte über die Zukunft des Wissenschaftsstandorts Deutschland

Antrag der Grünen

Die Grünen wollen die Internationalisierung des Wissenschaftssystems vorantreiben und die Attraktivität der Studien- und Arbeitsbedingungen in Wissenschaft und Forschung verbessern. Ferner fordern sie die Bundesregierung auf, die Wahrung der Wissenschaftsfreiheit zu einem wichtigen Ziel der Außen- und Menschenrechtspolitik zu machen. So sollten bei Forschungskooperationen Staaten mit schwach ausgeprägter Wissenschaftsstruktur in der Weiterentwicklung ihrer Hochschul- und Forschungseinrichtungen unterstützt und gezielt Austauschprogramme für Wissenschaftspersonal und Studierende angestoßen werden.

Die Unterstützung von „Brain Circulation auf Augenhöhe und in beide Richtungen“ gehöre stärker in den Mittelpunkt multilateraler, weltweiter Wissenschaftskooperationen gerückt. Bei der Spitzenforschung dürfe es nicht um einen nationalen Wettlauf oder egoistische Nützlichkeitsüberlegungen gehen, welche die Abwanderung dringend benötigter Experten aus strukturschwächeren Regionen verstärkt schreiben die Abgeordneten in einem Antrag (19/6426). Aufgabe der Politik müsse es sein, die bestmöglichen Rahmenbedingungen für den freien Austausch der Gedanken zu schaffen und möglichst viele Talente aus allen Teilen der Gesellschaft daran teilhaben zu lassen.

Viele Wissenschaftler hätten jedoch auch andere Prioritäten und Zielländer für ihre Studien- und Forschungsaufenthalte. Denn oftmals seien die Arbeitsbedingungen in anderen Ländern noch attraktiver und die administrativen sowie ausländerrechtlichen Hürden wesentlich niedriger. Dabei seien auch die mangelnde aufenthaltsrechtliche Flexibilität im Wechsel zwischen verschiedenen Bildungs- und Arbeitswegen, sowie die fehlende Berücksichtigung zirkulärer Migration unattraktiv. So stünden viele Wissenschaftler schon vor ihrer Ankunft in Deutschland vor enormen Hindernissen: Selbst wenn Forschungsstipendium oder Studienplatz bereits zugesichert seien, dauere es mitunter viele Monate, um überhaupt einen Visumsantrag stellen zu können. Diesen Zustand gelte es zu beenden, um internationale Wissenschaftler nicht abzuschrecken und hinzuhalten, sondern als weltoffene kreative Wissenschaftsnation einzuladen, fordern die Grünen.

An den Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen bestünden vielfältige Willkommensinfrastrukturen, die es weiterzuentwickeln gelte. Für Beratungsangebote internationaler Forscher und Studenten bedürfe es ausreichender Ressourcen, damit auch Hilfe jenseits des unmittelbaren Wissenschaftszusammenhangs geleistet werden könne, wie etwa bei aufenthaltsrechtlichen oder alltagspraktischen Fragen. Neben einem größeren Angebot von Deutschkursen müsse Englisch als globale Wissenschaftssprache in den Lehrangeboten und der Verwaltung der Wissenschaftseinrichtungen weiter gefördert werden.

Um kluge Köpfe zu halten, bedürfe es ferner attraktiverer, besser planbarer Karrierewege. Damit entstünden auch Anreize für deutsche Wissenschaftler, nach einem Auslandsaufenthalt wieder ins deutsche Wissenschaftssystem zurückzukehren. Dafür müssen die Beschäftigungsbedingungen noch attraktiver gemacht und verlässliche Karrierewege auch neben der Professur angeboten werden. Dabei sei insbesondere darauf zu achten, Frauen und Personen aus unterrepräsentierten Gruppen in der Wissenschaft stärker zu fördern. Damit Forschungseinrichtungen die Spielräume, die mit dem Wissenschaftsfreiheitsgesetz geschaffen wurden, besser nutzen können, sei deren ausreichende finanzielle Ausstattung weiterhin zu sichern.

Die Grünen fordern angesichts der weltweiten Konkurrenz unter anderem bei wissenschaftlichem Personal auf Austausch und Kooperation statt auf Abwerbung oder Abschottung zu setzen und gezielt Auslandsaufenthalte zu fördern. Ferner sollen die Stärken des deutschen Wissenschaftssystems mehr im Ausland bekannt gemacht und Rückkehrprogramme für deutsche Wissenschaftler im Ausland ausgebaut werden. Das Wissenschaftszeitvertragsgesetz soll dahingehend reformiert werden, dass verlässliche Karriereperspektiven und bessere Arbeitsbedingungen für Wissenschaftler geschaffen werden, indem mehr Dauerstellen für Daueraufgaben, mehr unbefristete Beschäftigungsverhältnisse, zusätzliche „Tenure Track-Stellen“ frühzeitig nach der Promotion und unbefristete Karrierewege neben der Professur geschaffen werden. (hib/ROL)

Die Linke: Prekäre Bedingungen in Wissenschaft

Die Linke forderte die Bundesregierung auf, in Abstimmung mit den Ländern die Politik der durch temporäre Pakte befristeten Finanzierung des Wissenschaftssystems zu beenden und stattdessen eine dauerhafte, umfängliche Finanzierung sicherzustellen. Diese soll nach Auffassung der Linken die wachsenden Aufgaben der Hochschulen, die aktuelle Unterfinanzierung und die Preis- und Einkommensentwicklung berücksichtigen. Zudem soll mittelfristig die Einnahmesituation der Länder durch die stärkere Besteuerung von Vermögen und hohen Einkommen, insbesondere durch die Ausschöpfung des Aufkommenspotentials der Erbschaftsteuer sowie die Wiedererhebung der Vermögensteuer verbessert werden. Ferner fordert die Linke die Überarbeitung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes und es soll gemeinsam mit den Ländern eine Reform der Karrierewege und Personalstrukturen im Wissenschaftsbereich unter Berücksichtigung der Förderung der Chancengerechtigkeit eingeleitet werden. So soll eine breitere Berufsperspektive für Wissenschaftler neben der Professur möglich werden.

Der im Februar 2017 erschienene Bundesbericht Wissenschaftlicher Nachwuchs hat aus Sicht der Fraktion Die Linke erneut die überbordende Prekarisierung der Arbeitsverhältnisse im Wissenschaftsbetrieb offengelegt. Das schreiben die Abgeordneten in einem Antrag (19/6420). Im Jahr 2014 seien demnach 93 Prozent aller wissenschaftlichen und künstlerischen Mitarbeiter unter 45 Jahren an Hochschulen befristet beschäftigt gewesen. (hib/rol/vom/14.12.2018)

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