Wuppertal bewertet COP24
Die Klimakonferenz COP24 in Katowice machte am 15.12.2018 mit dem „Katowice Climate Package“, Detailregeln zur Umsetzung von COP21, das Pariser Klimaschutz-Abkommen umsetzungsreif. Neben der Stärkung der Minderungsehrgeizes wollte die polnische Regierung zudem das Thema „Just transition“, das heißt einen sozialverträglichen Strukturwandel, zu einem wichtigen Thema der Konferenz machen. In einer Diskussionsrunde erörterte das Wuppertal Institut am 19.12.2018 in Berlin eine erste Schnellanalyse, die zeigt: COP24 hat zwar den technischen Rahmen für den internationalen Klimaschutz bereitet und ist insofern ein wichtiger Schritt nach vorn, gemessen am Handlungsdruck sind die konkreten Minderungsambitionen der meisten großen Emittenten aber nach wie vor deutlich zu gering.
Timon Wehnert, stellvertretender Berliner Büroleiter des Wuppertal Instituts, gab eine Einführung. Danach stellten Wolfgang Obergassel, Projektleiter in der Abteilung Energie-, Verkehrs- und Klimapoltik am Wuppertal Institut, und Prof. Dr. Hermann Ott von ClientEarth die Ergebnisse der Klimakonferenz in Katowice vor.
Obergassel, einer der Autoren der Schnellanalyse (Ausschnitte siehe unten), skizzierte zunächst die Beschlüsse von Katowice. Die dort verabschiedeten Bestimmungen legten vor allem fest, wie die Staaten ihre Klimaschutzzusagen (Nationally Determined Contributions, NDCs) entwickeln und über deren Umsetzung berichten sollen. Andere wesentliche Themen der Konferenz seien die finanzielle Unterstützung für Entwicklungsländer sowie die Verfahren zur Durchführung der ersten globalen Bestandsaufnahme („global stocktake“) der Effektivität der globalen Klimaschutzanstrengungen gewesen, die in 2023 durchgeführt werden solle.
Mehr als zu hoffen war
„Die Durchführungsbestimmungen sind robuster, als viele zu Beginn der Konferenz zu erwarten gehofft hatten“, erklärte Obergassel. „In Anbetracht der Rückschritte der letzten Zeit in wesentlichen Ländern, insbesondere den USA und Brasilien, ist dies ein bemerkenswerter Erfolg und zeigt, dass multilaterales Handeln weiterhin möglich ist und Schlupflöcher, die beispielsweise über komplexe Marktmechanismen entstehen können, nicht einfach hingenommen werden. Dennoch ist dies nur ein Schritt in die richtige Richtung. Die weltweiten Treibhausgasemissionen steigen weiter an, 2018 wird ein weiterer Rekordwert erreicht werden. Nur eine Handvoll von Ländern nutzte die Gelegenheit in Katowice, um anzukündigen, dass sie ihre Beiträge verstärken werden.“
Hermann Ott verwies auf die – wieder einmal – eingetretene Parallelität, dass einmal das Scheitern gedroht habe und verlängert worden sei, am Schluss doch ein Ergebnis erzielt worden sei, ein „Erfolg des konsensbasierten Multilateralismus“, denn alles hänge von der Einstimmigkeit ab: „Anfangs bestanden einige Länder darauf, dass der 1,5-Grad-Bericht des IPCC (siehe: solarify.eu/sputet-euch) nur mit ’noted‘, also zur Kenntnis genommen werden sollte, oder als ‚welcome‘, als willkommen akzeptiert wurde; die haben dann beigedreht.“
Es sei ungeheurer Druck ausgeübt worden, allein UN-Generalsekretär Guterres sei zweimal angereist; die Zivilgesellschaft habe unglaublich mobilisiert und ihrerseits mit Druck motiviert. Die Schülerin Greta Thumberg habe – so Ott – zu diesem Druck beigetragen; ihr Statement , dass „hier die Zukunft verhandelt wird“, habe gewirkt. Insofern stehe etwas auf der Habenseite gegenüber dem Urteil, „COP24 war ein Schlag ins Wasser“ (das begründet damit, dass eigentlich schon jetzt die NDCs verschärft werden müssten und auf Seiten der echten Reduzierungsnotwendigkeit überhaupt keine Fortschritte erzielt worden seien). Aber zwei Dinge hätten schon stattgefunden, „Significance“ (Bedeutung) und Legitimation (jeder kann sich drauf berufen, der Konsens); ein Drittes sei nicht erfüllt worden, nämlich die „Verteilung von Ressourcen“, das liege in hohem Maß an der Konstruktion der Klimakonferenzen – schon seit Kyoto: „Wenn einzelne Staaten, die groß genug sind (Brasilien, Südafrika) nicht mitmachen, kann nichts beschlossen werden.“
Ein echter Erfolg sei, dass das Ergebnis jetzt für alle gilt. Die High Ambition Coalition sei am Schluss wieder einmal – „wie immer, wenn’s brenzlig wird“ – zusammengetreten, und sie habe gezeigt, „dass wir eine neue rechtliche Basis finden müssen, um gegenüber der WTO etwas zu erreichen“. Der Talanoa-Prozess sei eher ohne Ergebnis zu Ende gebracht worden, kein richtig strukturierter Prozess auf internationaler Ebene. Positiv sei zusehen, dass das Klimaproblem mindestens einmal im Jahr volle Aufmerksamkeit gewinne.
Hermann Ott: „Das Klimaproblem macht keine Ausnahme beim aktuellen generellen Verlust der Kooperationsfähigkeit“. Diese müsse verbessert werden, um die Wahrnehmung „da ist nichts zu machen“ zu verändern. Ott findet nämlich nicht, dass die COPs umsonst seien, denn kein Thema bewege die Regierungen mehr, „zumindest rhetorisch.“ Ott nannte die sogenannten „Clubgüter“, wie könne man ein Land bewegen, beizutreten (ähnlich wie beim Anti-FCKW-Abkommen von Montreal) einem Club beizutreten? Durch ethische Anreize und durch materielle Anreize – ersteres sei nicht jeden Landes Sache, in der Wirtschaft fast gar nicht, letzteres etwa durch direkte Geldzuwendungen, oder das Gegenteil, wie etwa Handelssanktionen, Beschränkungen des Warenverkehrs, also ökonomische Vor- oder Nachteile; auch ein Ressourcenkartell könnte etwas bewirken /wenn die EU gemeinsam mit China marschiere – das allerdings konkurriere wiederum mit den WTO-Regeln).
Zusammendenken von Ökologischem und Sozialem – regressive Folgen des Klimaschutzes
Ott: „Das Zusammendenken von Ökologischem und Sozialem ist wichtig; Klimaschutz ist keineswegs immer eine Win-Win-Situation, oft eher eine Verteilungsfrage. Erst vor kurzem hat sich der Brüsseler Thinktank Bruegel über die regressiven Wirkungen des Klimaschutzes geäußert. Laut Ott ist der Wert von COP24 darin zu sehen, dass Dinge möglich wurden, die bisher unmöglich schienen: Wenn klimarelevante Entscheidungen zu treffen seien, brauche es konkrete und verlässliche Daten – die würden jetzt gesammelt, wenn die Länder, wie gefordert, „pünktlich und zutreffend“berichten werden, wenn nicht, könne das IPCC-Kommittee tätig werden.