Autobauer machen immer noch falsche Verbrauchsangaben

Aus dem Vorwort der ICCT-Untersuchung: Forderungen

Die offiziellen durchschnittlichen CO2-Emissionswerte neuer Personenkraftwagen in der EU sanken im Rahmen des neuen europäischen Fahrzyklus zwischen 2001 und 2017 von 170 auf 119 g/km. Der Reduktionsgrad der CO2-Emissionswerte stieg von rund 1%  auf rund 3% pro Jahr, nachdem 2009 CO2-Normen eingeführt wurden. Dieser rasante Rückgang der CO2-Emissionswerte scheint ein großer Erfolg für die CO2-Normen zu sein, berücksichtigt aber nicht die tatsächliche Fahrzeugleistung. Die ICCT-Serie vom Labor bis zur Straße konzentriert sich auf die reale Leistung neuer europäischer Pkw und vergleicht die CO2-Emissionswerte auf der Straße mit den offiziellen Werten. Die Studien haben eine wachsende Diskrepanz zwischen realen und offiziellen Zahlen offengelegt, die zunehmend Anlass zur Sorge gibt.

Die sechste Aktualisierung der Reihe Vom Labor zur Straße ergänzt die Analyse um ein weiteres Jahr (2017), eine neue Datenquelle (German Mobility Panel) und rund 200.000 Fahrzeuge. Daten von rund 1,3 Millionen Fahrzeuge aus 15 Quellen und acht Ländern deuten darauf hin, dass die Abweichung oder Lücke zwischen den offiziellen und realen CO2-Emissionswerten neuer europäischer Personenkraftwagen zwischen 2001 und 2017 von rund 8 auf 39 % gestiegen ist. Mit dem von 2016 bis 2017 nahezu unveränderten Durchschnittsniveau bestätigen die neuen Daten, dass sich die Lücke nach 2015 stabilisiert hat. Der ICCT hält diese Ergebnisse angesichts des beträchtlichen Stichprobenumfangs und der regionalen Abdeckung, der Heterogenität der Daten von Verbrauchern, Firmenflotten und Fahrzeugtests sowie des eindeutigen Aufwärtstrends bei allen Stichproben für belastbar.

  • Die gewachsene Divergenz zwischen offiziellen und realen CO2-Emissionswerten hat wichtige Auswirkungen auf alle Beteiligten:
  • Für einen Durchschnittskunden bedeutet die Abweichung unerwartete Treibstoffkosten von ca. 400 Euro pro Jahr.
  • Für die Gesellschaft als Ganzes untergräbt die anhaltende Divergenz die Bemühungen der EU, den Klimawandel einzudämmen und die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu verringern.
  • Für die Regierungen führt die Abweichung zu Verlusten beim Kfz-Steueraufkommen und untergräbt Anreizsysteme für kohlenstoffarme Fahrzeuge.
  • Für die Automobilhersteller haben Behauptungen über die Fahrzeugeffizienz, die in der realen Welt nicht erreicht werden, das Vertrauen der Öffentlichkeit untergraben und ungleiche Wettbewerbsbedingungen geschaffen.

Immer mehr Belege deuten darauf hin, dass die offiziellen CO2-Emissionswerte nicht stimmen und für das historische Wachstum der Divergenz verantwortlich sind. Während WLTP ein Schritt in die richtige Richtung ist, ist es kein Wundermittel und wird die Lücke nicht allein schließen. Zur Überwachung und Schließung der Lücke werden eine Reihe von politischen und Forschungsmaßnahmen empfohlen:

  • Offizielle Messungen der realen CO2-Emissionen sind erforderlich. Eine aktuelle Verordnung schreibt die Verwendung von Kraftstoffverbrauchszählern in neuen Personenkraftwagen vor. Diese Zähler könnten die erforderlichen Daten liefern.
  • Die europäischen Verbraucher brauchen Zugang zu realistischen Kraftstoffverbrauchswerten, um fundierte Kaufentscheidungen zu treffen. Der reale Kraftstoffverbrauch kann mit einer Vielzahl von quantitativen Modellen abgeschätzt werden. Die Werte auf den EU-Kraftstoffverbrauchsetiketten, die beim Kauf vorgelegt werden, sollten an den durchschnittlichen Kraftstoffverbrauch auf der Straße angepasst werden, nicht nur an Labormessungen.
  • Die Politik und die Forschung im Straßenverkehr sollten die Unterschiede zwischen der Typgenehmigung und den realen Zahlen berücksichtigen. Bei der Bewertung der Kosten und des Nutzens von CO2-Minderungsmaßnahmen sollten genaue, aktuelle Anpassungsfaktoren aus der Praxis verwendet werden.
  • Es bedarf weiterer Forschung über die reale Leistung von Plug-in-Hybrid-Elektrofahrzeugen, leichten Nutzfahrzeugen und schweren Nutzfahrzeugen. Die Politik muss sich mit der hohen durchschnittlichen Divergenz der Plug-in-Hybrid-Elektrofahrzeuge befassen.

Der International Council on Clean Transportation (ICCT) ist eine gemeinnützige und unabhängige Forschungsorganisation mit Schwerpunkt Fahrzeugtechnologien und deren Auswirkungen auf Luftqualität und Klima. Der wissenschaftliche Beirat des ICCT setzt sich zusammen aus Behördenvertretern und unabhängigen Verkehrsexperten der wichtigsten Fahrzeugmärkte weltweit. ICCT wurde 2005 gegründet und beschäftigt heute etwa 50 Mitarbeiter in verschiedenen Ländern. Seit 2012 ist die Organisation mit einem Büro in Berlin vertreten. ICCT wird finanziert durch private Stiftungen, darunter die Stiftung Mercator in Deutschland.

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