Ökostrom ist in Deutschland immer viel schneller gewachsen als alle „ambitionierten“ Regierungsziele angepeilt haben
2018 lag der Ökostrom-Anteil an der deutschlandweiten Stromerzeugung zum ersten Mal über 40%. Somit übersteigt der Anteil wieder einmal die von der Politik ausgegebenen Prognosen. Die Bundesregierung muss endlich aufhören den Ausbau der Erneuerbaren Energien zu drosseln, sagt Hans-Josef Fell und blickt zurück auf so manchen politschen Bremsversuch, der der deutschen Energiewende Kraft geraubt und einen internationalen Durchstart verhindert haben.
Laut den neuesten Zahlen des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme ISE in Freiburg lag der Anteil der Erneuerbaren Energien an der Nettostromerzeugung im Jahr 2018 in Deutschland bei 40,4%. Damit liegt der Ökostrom-Anteil am gesamten Stromverbrauch wesentlich höher, als es in der Vergangenheit prognostiziert wurde.
Selbst unter Umweltminister Jürgen Trittin hatte die rot-grüne Bundesregierung (1998-2005) für 2020 das Ziel, 20% der Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien zu beziehen und 50% bis 2050. Als Mitglied der grünen Bundestagsfraktion habe ich immer dazu gedrängt die Regierungsziele weit über 20% für 2020 anzuheben. Wie vielen anderen war mir klar, dass die Wachstumsrate weitaus höher sein kann und gleichzeitig mit wirklich ambitionierten Zielen höhere Investitionstätigkeiten für Erneuerbare und Abschaltgeschwindigkeiten für konventionelle Kraftwerke bewirkt werden können.
Wie wir heute sehen, waren selbst die rot-grünen Regierungsziele keineswegs ambitioniert, sondern geradezu zurückhaltend. Die nachfolgenden Bundesregierungen der letzten 13 Jahre waren in dieser Hinsicht noch weniger ambitioniert und dennoch, obwohl der Ausbau der Erneuerbaren vor allem seit 2010 durch verschiedene Gesetzesnovellen gedrosselt worden ist, hat sich ihr Anteil seitdem (19,2% in 2010) mehr als verdoppelt.
Die Tatsache, dass der Ökostrom-Anteil trotz starkem politischem Gegenwind so stark angestiegen ist, lässt sogar den Umkehrschluss zu, dass er ohne solchen womöglich bereits heute bei 50%, wenn nicht darüber liegen könnte. Es ist mehr als wahrscheinlich, dass damit auch die deutschen Klimaschutzziele für 2020 hätten erreicht werden können, da der Zuwachs an Erneuerbaren Energien mit dem Rückgang fossiler Energiegeneration und deren klimaschädlichen Emissionen einhergeht.
Aktuell sieht der derzeitige Koalitionsvertrag der Bundesregierung vor, den Anteil der Erneuerbaren Energien bis 2030 um 65% zu erhöhen, mit dem Zwischenziel von 40%-45% bis 2025. Auch dies wird als „ambitioniertes Ziel“ erklärt, was absurd ist, da ja 2018 schon 40% erreicht sind. Es könnte und müsste also alles viel schneller gehen. Das einzig sinnvolle und ambitionierte Ziel einer deutschen Bundesregierung wäre, die 100%ige Umstellung auf Ökostrom bis 2030, was aus Klimaschutzgründen dringend erforderlich ist.
Das Wort „ambitioniert“ wird von politischer Seite häufig missbraucht um die Blicke für die in Wahrheit schwachen Ziele zu vernebeln. Klimaschutz wird von politischer Seite vor allem dadurch verhindert und gedrosselt, dass eben keine ambitionierten Ziele ausgegeben werden, sondern vielmehr unzureichende Zielsetzungen als ehrgeizig verkauft werden. Die deutsche Energiepolitik ist dafür das beste Beispiel. Erst wenn die aktuellen politischen Bremsen gelöst werden, können die Erneuerbaren Energien ihr volles wirtschaftliches Potential mit Vollversorgung bis 2030 entfalten.