„Der Einstieg in den Kohleausstieg“

Hans-Josef Fell: Kohlekommission versagt beim Klimaschutz

„Ich will, dass ihr handelt, als würde euer Haus brennen, denn das tut es“ so die 16 jährige Greta Thunberg auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos. Dem Energieexperten Hans-Josef Fell zufolge rief sie dazu auf, den Ausstoß von klimaschädlichen Treibhausgasen wie CO2 so schnell wie möglich zu stoppen. „Ich will, dass Ihr in Panik geratet, dass Ihr die Angst spürt, die ich jeden Tag spüre“.

Die Lösung ist so einfach, dass ein kleines Kind sie verstehen kann: Wir müssen den Ausstoß von Treibhausgasen stoppen.

Es ist schon toll, wie einfach und richtig Greta Thunberg die Lösung beschreibt, die diese durch die fossile/atomare Weltwirtschaft reich gewordenen aber gleichzeitig ökologisch blinden Entscheidungsträger in Davos einfach nicht sehen können oder wollen.

Auch im Beschluss der Kohlekommission, die lediglich eine Empfehlung an die Bundesregierung darstellt, ist nichts zu sehen von dieser Dringlichkeit und den einfachen Lösungsstrategien zur Rettung des schon viel zu hoch aufgeheizten Planeten. Erst 2038 soll das letzte Kohlekraftwerk geschlossen werden. Ungeheure Mengen an Klimagasemissionen werden bis dahin weiter aus deutschen Kohlekraftwerken in die schon heute überlastete Atmosphäre ausgestoßen und das nur, weil die verschiedenen Bundesregierungen unter Kanzlerin Merkel den einst erfolgreichen Ausbau der Erneuerbare Energien in Deutschland massiv ausgebremst haben. 2030 sollen immer noch die Hälfte der jetzigen Kohlekraftwerke dazu beitragen das Klima weiter zerstören.

Längst könnten die Kohlekraftwerke ohne Versorgungssicherheitsprobleme in Deutschland abgeschaltet sein, wenn es nur den politischen Willen und entsprechende Beschlüsse dazu in den letzten Jahren gegeben hätte. Der Beschluss der Kohlekommission, sofern er denn von der Bundesregierung übernommen wird, wird aber wie bisher nur dazu führen, dass die unflexiblen Kohlekraftwerke weiter den schnellen Ausbau der Erneuerbaren Energien mitsamt ihrer Speichertechnologien blockieren. Zudem werden die Strompreise unnötig lange zu hoch sein. Denn es ist ja genau anders herum als BDI & Co. behaupten. Mit höherem Anteil der Erneuerbaren Energien sinkt der Strompreis, u.a. aufgrund des Wegfalls der hohen Brennstoffkosten. Was längst verschiedene Studien der EU-Kommission, des Ökoinstitutes und der EWG/LUT auch jüngst wieder aufzeigten.

Doch BDI & Co haben in einer Stellungnahme mit zweifelhaftem wissenschaftlichem Hintergrund wie immer das Gespenst der Strompreissteigerungen an die Wand gemalt und auch deshalb einen Ausgleich für angebliche steigende Strompreise durchgesetzt. Die Deutsche Welle hatte in einem hervorragend recherchierten Artikel auf die mehr als fragwürdige Rolle des BDI hingewiesen. In der Tat könnte der Kohleausstieg zu steigenden Stromkosten führen, wenn er mit klimaschädlichen Erdgaskraftwerken, statt mit Erneuerbaren Energien kompensiert wird. Offensichtlich sieht der BDI genau dies als Kohleausstiegsstrategie, ganz im Sinne seiner potenten Mitgliedsunternehmen aus der Erdgaswirtschaft, deren Tätigkeiten nicht nur klimaschädlich, sondern auch geopolitisch vollkommen verantwortungslos sind.

Dass nun 40 Milliarden Euro an Unterstützung in den Strukturwandel der Kohle-Regionen gesteckt werden sollen, ist ein gutes Ergebnis, wenn es denn tatsächlich in klimaschützende Investitionen fließen sollte. Dazu muss ein Umstieg auf 100% Erneuerbare Energien gehören, an Stelle neuer Erdgaskraftwerke. Der schon jahrzehntelang ausbleibende, großflächige Ausbau der Schieneninfrastruktur mit längst überfälligen neuen Schnellbahnstrecken vor allem in den Osten Deutschlands und weiterführend in die von einem ähnlichen Strukturwandel betroffenen Gebiete Polens, des Baltikums und der Ukraine gehört ebenfalls dazu.

Wichtig ist, dass die Gelder für den Strukturwandel auch in das Bildungssystem fließen. Massive Verbesserung der Infrastrukturen und  der Ausbildung des Lehrpersonals an Schulen, Hochschulen und in der Erwachsenenbildung. Nur so kann man der Unwissenheit vieler Entscheidungsträger und in weiten Teilen der Bevölkerung entgegengetreten, der Unwissenheit, wie dringend und existenziell die Herausforderungen des Klimawandels sind und, dass 100% Erneuerbare Energien bis 2030 dafür eine unverzichtbare Notwenigkeit darstellen. Wenn dies alles glaubhaft auf den Weg gebracht wäre, könnte Greta Thunberg ihre Mitschüler und Mitschülerinnen auffordern auch Freitags wieder in die Schule zu gehen. Doch dies eben nicht zu erwarten, u.a. aufgrund des Beschlusses der Kohlekommission. Deshalb ist die Schülerbewegung Fridays For Future als Durchsetzungsmittel weiter dringend notwendig und muss ausgeweitet werden.

Die Bundesregierung könnte natürlich den Beschluss der Kohlekommission als klimapolitisch unzulänglich  zurückweisen und endlich Gesetze auf den Weg bringen, die eine Transformation der deutschen Wirtschaft einleiten, deren klare Zielvorgaben eine Nullemissionswirtschaft mit 100% Erneuerbaren Energien bis 2030 und eine kohlenstoffsenkende Landwirtschaft sind. Andere, wie jüngst die US-Hauptstadt Washington, D.C. tun dies schon, hier wurde sogar ein Gesetz zur Umstellung auf 100% Erneuerbare Energien bis 2032 beschlossen.

enervis: Kohleausstieg 2038 führt zu moderat steigenden Strompreisen am Großhandelsmarkt und spürbar geringeren CO2-Emissionen

„Der Berg kreißte und gebar… einen Kohleausstieg bis zum Jahr 2038“, befindet die  Unternehmensberatung enervis energy advisors und fährt fort: „Das Kommissionsvotum liegt sehr nah an dem schon vor drei Jahren von enervis für die Agora Energiewende analysierten Ausstiegspfaden. Die Kommissionsempfehlung setzt nun den Startschuss der politischen Diskussion. Aus energiewirtschaftlicher Sicht bleiben eine Reihe offener Fragen und erheblicher Unsicherheiten. Neben der konkreten Umsetzung von Stilllegungen, belässt es der Abschlussbericht auch bei möglichen Strompreiseffekten nur bei vagen Aussagen. Allerdings ist dieser Aspekt von herausragender Bedeutung. Es wird mit großer Wahrscheinlichkeit, wie im Bericht angedeutet, zu Entschädigungszahlungen an Kohlekraftwerksbetreiber kommen und auch aus Verbraucherperspektive wird der Ausstiegspfad Spuren hinterlassen.

enervis hat den Effekt des von der Kohlekommission empfohlenen Kohleausstiegspfades 2038 auf den Großhandelsstrompreis und die CO2-Minderung aus Kohlekraftwerken analysiert. Mit dem enervis-Strommarktmodell wurde eine vergleichende Szenariobetrachtung vorgenommen. Dem von der Kommission skizzierten Ausstiegspfad wurde ein Referenzpfad gegenübergestellt. In diesem Referenzpfad orientiert sich die Laufzeit der Kohlekraftwerke allein an deren technischer und ökonomischer Lebensdauer, welche insgesamt deutlich über den Annahmen des Ausstiegspfads 2038 liegt.

‚Unsere Modellierungen zeigen, dass das Stromgroßhandelspreisniveau bei einer Umsetzung des von der Kommission empfohlenen Kohleausstiegspfads 2038 moderat über dem Niveau eines Vergleichsszenarios ohne forcierten Kohleausstieg liegt. Allerdings sind auf der anderen Seite signifikante CO2-Einsparungen aus einer deutlich geringeren Kohleverstromung zu erwarten.‘ so Mirko Schlossarczyk, Strommarktexperte der enervis. Der Jahresbasepreis des Szenarios Kohleausstieg 2038 liegt im Referenzjahr 2022 um etwa 2,50 Euro/MWh über den Prognosen des Referenzpfades. Im Referenzjahr 2030 liegt der Jahresbasepreis im Szenario Kohleausstieg 2038 etwa 3 Euro/MWh höher. Im Mittel der Jahre bis 2040 liegt die Preisdifferenz beim Jahresbasepreis bei etwa 3,50 Euro/MWh. Jedoch sind durch einen forcierten Kohleausstiegspfad 2038 spürbar geringere CO2-Emissionen aus der Kohleverstromung zu erwarten. Im Referenzjahr 2022 werden aus der Kohleverstromung etwa 34 Millionen Tonnen CO2 weniger emittiert als im Vergleichsszenario. Im Referenzjahr 2030 liegen die CO2-Emissionen aus Kohlekraftwerken circa 67 Millionen Tonnen unter denen eines Szenarios ohne forcierten Kohleausstieg.

Allerdings zeigen die Ergebnisse der enervis-Szenariomodellierungen auch, dass eine vorgezogene Stillsetzung von Kohlekraftwerken die Diskussionen um die Versorgungssicherheit weiter befeuern dürfte. Das derzeitige Strommarktdesign auch in Zukunft unterstellt, ist in einem Szenario Kohleausstieg 2038 beispielsweise der Bedarf an Nachfrageflexibilitäten, Stromspeichern und Power to X-Technologien größer und wird früher benötigt. Daneben zeigen die Modellierungen einen signifikanten Bedarf an zusätzlichen Gaskraftwerken. Dies belegt, so Julius Ecke von enervis, dass der beschriebene Ausstiegspfad nicht ohne Anstrengungen zu erreichen ist: „Um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten und damit letztendlich den Kohleausstieg à la Kommission zu ermöglichen, müssen wir nicht nur über den Phase-Out der Kohle sprechen, sondern auch über den Phase-In von Gaskraftwerken, KWK und Speichern. Hier werden zeitnah vernünftige Anreize und dann auch Investitionen benötigt.“ Die Empfehlung der Kohlekommission ist daher nur der Auftakt eines langen und intensiven Ringens um die künftige Struktur der Stromerzeugung sowie des deutschen Strommarktes und strahlt weit über die Energiewirtschaft und den Industriestandort Deutschland hinaus.“

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