Altmaier stellt Nationale Industriestrategie 2030 vor
Bundeswirtschaftsminister Altmaier hat am 05.02.2019 seine „Nationale Industriestrategie 2030“ vorgestellt. Sie soll, so das BMWi in einer Medienmitteilung, „gemeinsam mit den Akteuren der Wirtschaft einen Beitrag zu leisten zur Sicherung und Wiedererlangung von wirtschaftlicher und technologischer Kompetenz, Wettbewerbsfähigkeit und Industrie-Führerschaft auf nationaler, europäischer und globaler Ebene. Die vorgelegte Industriestrategie entwickle erstmals eine zusammenhängende und an grundsätzlichen Erwägungen orientierte nationale und europäische Industriestrategie.“ Dokumentation und Kurzkommentar.
Sie definiert, in welchen Fällen ein Tätigwerden des Staates ausnahmsweise gerechtfertigt oder gar notwendig sein kann, um schwere Nachteile für die eigene Volkswirtschaft und das gesamtstaatliche Wohl zu vermeiden. Sie ist zugleich ein Beitrag zur Gestaltung einer zukunftsfesten Marktwirtschaft und Basis für eine ordnungspolitische Debatte. Solarify dokumentiert das Vorwort des Ministers (Hervorhebungen im Original).
Das Vorwort
„Der vorliegende Entwurf entwickelt erstmals eine zusammenhängende und an grundsätzlichen Erwägungen orientierte nationale und europäische Industriestrategie. Mit ihr soll eine rationale Antwort auf eine der wichtigsten Fragen der Gegenwart ermöglicht werden:
Wie können wir unser hohes Maß an privatem und öffentlichem Wohlstand dauerhaft erhalten und ausbauen – unter den Bedingungen zunehmender Globalisierung, enorm beschleunigter Innovationsprozesse und expansiv beziehungsweise protektionistisch betriebener Wirtschaftspolitik anderer Länder?
Seit Ludwig Erhard hat unser Staat unmittelbar Verantwortung für die Schaffung und den Erhalt von Wohlstand übernommen. Sein Programmsatz „Wohlstand für alle“ formuliert ein weitreichendes politisches Versprechen an alle Bürgerinnen und Bürger, über alle sozialen Schichten hinweg.
In über sieben Jahrzehnten ist es gelungen, dieses Versprechen in einem Maße einzulösen, das sich seinerzeit niemand vorstellen konnte. Heute ist das Wohlstandsversprechen von Ludwig Erhard – neben Freiheit und Sicherheit – Teil der Staatsraison der Bundesrepublik Deutschland. Es wird von Wirtschaft, Sozialpartnern und Staat gemeinsam gewährleistet.
Ermöglicht wurde unser hohes Maß an Wohlstand durch die Soziale Marktwirtschaft. Sie hat sich als weltweit erfolgreichstes Wirtschaftsmodell durchgesetzt. Sie war und ist jeder Form von Planwirtschaft überlegen. Vor 40 Jahren wurden sogar in China Elemente von Marktwirtschaft eingeführt. Seit dem Ende des Kalten Krieges erlebt die Marktwirtschaft einen weltweiten Siegeszug.
In Deutschland hat es gleichwohl immer wieder industriepolitische Eingriffe des Staates in die Wirtschaft gegeben: Von der Airbus-Gründung im Jahre 1969 über „Rettungsversuche“ für einzelne Unternehmen (Salzgitter, Holzmann, Opel, Quelle) bis hin zur Ansiedlung von Photovoltaik-Unternehmen oder der Produktion von Halbleitern und Mikrochips. Manche Eingriffe gingen fehl, weil sie zu kurz griffen und der Staat ganz grundsätzlich nicht der bessere Unternehmer ist. Und weil sie – anders als z.B. bei Airbus – auf punktuelle Effekte zielten, Fehlallokationen auslösten, aber keinerlei strategische Funktion erfüllten.
Die vorgelegte Industrie-Strategie wählt daher bewusst einen völlig anderen Ansatz. Sie definiert, in welchen Fällen ein Tätigwerden des Staates ausnahmsweise gerechtfertigt oder gar notwendig sein kann, um schwere Nachteile für die eigene Volkswirtschaft und das gesamtstaatliche Wohl zu vermeiden. Sie ist zugleich ein Beitrag zur Gestaltung einer zukunftsfesten Marktwirtschaft und Basis für eine ordnungspolitische Debatte, die geführt werden muss.
Die globalen wirtschaftlichen Kräfteverhältnisse sind enorm in Bewegung geraten. Der Weltmarkt befindet sich in einem Prozess rasanter und tiefgreifender Veränderung. Durch die Beschleunigung von Globalisierung und Innovation einerseits, sowie durch die Zunahme staatlicher Interventionen und Abkehr von multilateralen Vereinbarungen andererseits. Dies betrifft Länder und Unternehmen gleichermaßen. Alte Akteure verschwinden, neue entstehen. Handelsströme verändern sich. Es gibt viele Gewinner – aber eben auch große Verlierer. Die Karten werden weltweit neu gemischt. Und wir stehen erst am Anfang dieses Umbruchs.
Für Deutschland stellt sich dadurch die Frage, wie auf diese neuen Entwicklungen und Verschiebungen reagiert und gehandelt werden muss. Als weltweit erfolgreicher Industriestandort muss Deutschland den Anspruch haben, diese Entwicklung aktiv und erfolgreich mit zu gestalten, anstatt sie passiv zu erdulden, zu erleiden und geschehen zu lassen. Denn eines steht fest: die Konkurrenz schläft nicht und es steht viel auf dem Spiel:
Würden technologische Schlüsselkompetenzen verloren gehen und infolgedessen unsere Stellung in der Weltwirtschaft substanziell beschädigt, hätte das dramatische Folgen für unsere Art zu leben, für die Handlungsfähigkeit des Staates und für seine Fähigkeit zur Gestaltung in fast allen Bereichen der Politik. Und irgendwann auch für die demokratische Legitimität seiner Institutionen.
Die erfolgreiche Bewältigung und Gestaltung der neuen globalen Herausforderungen und Entwicklungen liegt in unmittelbarem nationalen und europäischen Interesse Deutschlands und aller Mitgliedsstaaten der Europäischen Union. Wir wollen innovative Technologien stärker fördern und strategisch wichtige Bereiche schützen.
Bloßes Abwarten und Nichtstun reichen nicht aus, die Übernahme falscher Praktiken kommt nicht in Betracht. In vielen Fällen ist die Stärkung und Revitalisierung von Marktwirtschaft die beste Antwort auf unaufhaltsame neue technologische und industrielle Umbrüche. Grundsätzlich gilt: Wir brauchen mehr, nicht weniger Marktwirtschaft, wenn wir die Zukunftsfähigkeit unserer Wirtschaft bewahren wollen.
In manchen Fällen stellen wir fest, dass die Summe der betriebswirtschaftlichen Einzelentscheidungen der Unternehmen eines Landes nicht ausreicht, um globale Kräfte- und Wohlstandsverschiebungen auszugleichen oder zu verhindern: Denn ein Unternehmen hat sein Fortkommen im Blick, nicht das des gesamten Landes. In diesen Fällen – und nur in diesen – findet aktivierende, fördernde und schützende Industriepolitik ihre Berechtigung: Wenn es die Marktkräfte innerhalb der Volkswirtschaft eines Landes nicht vermögen, deren Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit aufrecht zu erhalten. Dies ist die Verantwortung und Aufgabe des Staates.
Die vorgelegte Strategie baut auf den bewährten Prinzipien der Sozialen Marktwirtschaft auf und entwickelt Kriterien, anhand derer die Notwendigkeit staatlichen Handels ausnahmsweise begründet oder in der Regel verneint werden kann. Dies dient der wirksamen Begrenzung staatlicher Eingriffe ebenso, wie ihrer Legitimation in Fällen, in denen sie aus übergeordneten volkswirtschaftlichen Erwägungen geboten sind.
Als mein Vorhaben zur Erarbeitung einer Industriestrategie im letzten Herbst öffentlich wurde, erhielt ich viel Zustimmung – auch von Seiten, von denen ich es nicht erwartet hätte: Aus Wirtschaft, Gesellschaft und Politik, über Parteigrenzen hinweg. Daneben gab es auch kritische Reaktionen. Beides hat mich darin bestärkt, dass eine Industriestrategie und die mit ihr angestoßene Debatte sinnvoll und dringend notwendig sind.“
Solarify hat Altmaiers Nationale Industriestrategie 2030 angeschaut. Merkwürdig: Das Wort „Erneuerbare Energie“ kommt darin kein einziges Mal vor. Ob das damit zusammenhängt, dass der Staat selbst den Erneuerbaren „schwere Nachteile“ zugefügt hat? Und dann ist Solarify noch ein Satz aufgefallen: „Die vorgelegte Industriestrategie entwickelt erstmals eine … nationale und europäische Industriestrategie“. Aha!
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