Kanadas Wälder CO2-Schleudern

Geschönte Klimabilanz

ARD-Kanada-Korrespondent Georg Schwarte kratzt auf am scheinbar vorbildlichen Klimaschützer-Image Kanadas. Das Land der riesigen Wälder, idyllischen Seen und sauberen Luft schönt nämlich seine Klimabilanz kräftig. Denn das drittgrößte Waldgebiet der Erde ist, anders als bisher angenommen und von der Regierung Trudeau stets stolz verkündet, gar keine CO2-Senke.

Bergwald – Foto © Dieter Fichtner, Agentur Zukunft für Solarify

Klimaschutz sei oberste Priorität der Regierung, heißt es zwar offiziell.  Robson Fletcher von CBC News sagte jedoch vor kurzem: „Kanadas Wälder stoßen tatsächlich mehr Kohlenstoff aus, als sie aufnehmen – trotz allem, was man auf Facebook gehört hat. Unsere bewirtschaftete Waldfläche ist seit 2001 keine Netto-Kohlenstoffsenke mehr.“

Und Dominique Blain, wissenschaftliche Direktorin bei der kanadischen Klimaschutzbehörde, erklärt unumwunden, Kanadas Wälder emittierten seit 15 Jahren mehr Kohlendioxid als sie aufnähmen: „Wenn die Bäume wachsen, nehmen sie CO2 aus der Atmosphäre auf. Sie werden also zum Speicher. Aber wenn Bäume verfaulen, durch Schädlinge absterben oder durch Waldbrände verbrennen, werden sie zur CO2-Quelle.“

Fletcher: „Sie haben vielleicht gehört, dass Kanadas Wälder riesige Kohlenstoffsenken sind, die alle Arten von CO2 aufsaugen – mehr als wir produzieren -, so dass wir uns keine Sorgen um unsere Treibhausgasemissionen machen müssen. Diese Behauptung wurde in den sozialen Medien verbreitet und von Experten und Politikern wiederholt. Das wäre für unser Land praktisch, wenn es real wäre. Das Erreichen unserer Emissionsminderungsziele wäre ein Kinderspiel. Aber, wie die meisten Dinge, die zu gut klingen, um wahr zu sein, ist auch dieses falsch.“

Wälder emittieren eine große Menge an „verstecktem“ Kohlenstoff
“ Ungezählte Waldemissionen“ stellen ein großes Loch im Klimaplan von British Columbia (B.C.) dar und zeigen die Notwendigkeit einer Strategie zur Verringerung der Waldemissionen in der Provinz, so der neue Bericht der Umweltgruppe Sierra Club B.C.. Die klimaschädlichen Kohlenstoffemissionen, die 2017 und 2018 aus den Wäldern von B.C. freigesetzt worden seien, seien mehr als dreimal so hoch wie die Emissionen aus allen anderen zusammengenommenen Quellen 2016 gewesen, schätzt der Bericht: Der überwiegende Teil der etwa 237 Millionen Tonnen, die von den Wäldern von B.C. freigesetzt wurden, resultierte aus einer weiteren rekordverdächtigen Wildfeuersaison, die mehr als 13.000 Quadratkilometer Land verbrannte. „Unsere Wälder helfen derzeit nicht im Kampf gegen den Klimawandel“, sagte Jens Wieting, ein Aktivist der Gruppe.

Kein Wunder also, dass Kanada seine Wälder schon immer ausgeschlossen hat, wenn es seine gesamten Treibhausgasemissionen berechnete. Fletcher: „Wir hatten diese Möglichkeit, im Rahmen internationaler Abkommen, und es lag in unserem Interesse, die Bäume aus der Gesamttabellierung herauszunehmen, da sie unsere Gesamtemissionen erhöht hätten.“ Erst in den vergangenen Jahren habe Kanada einen anderen Weg eingeschlagen. Man argumentiere jetzt bei den Vereinten Nationen, dass etwa Waldbrände und Insektenbefall nicht in die Emissionsstatistik aufgenommen werden sollten, und dass bei der Anrechnung der für Minderungsziele relevanten Emissionen nur anthropogene Veränderungen in kanadischen Wäldern berücksichtigt werden sollten. Demnach würden die Forstaktivitäten Kanadas tatsächlich jedes Jahr als Netto-Kohlenstoffsenke gelten. „Aber selbst dann würden sie unsere Emissionen aus anderen Quellen nicht ausgleichen. Nicht einmal annähernd,“ so Fletcher.

Kanadas bewirtschaftete Wälder trugen 2016 mit rund 78 Megatonnen zu den Emissionen bei. 2015, vor allem aufgrund der wütenden Waldbrände emittierten diese Wälder satte 237 Megatonnen mehr Kohlendioxid in die Atmosphäre, als sie aufgenommen haben. Geerntetes Holz gibt seinen Kohlenstoff langsamer an die Atmosphäre ab. „Die letztendliche Zersetzung von Holzprodukten ist tatsächlich Teil unserer Treibhausgasbilanz“, sagte Blain, wobei Wissenschaftler die damit verbundenen Kohlenstoffemissionen über einen Zeitraum von Jahrzehnten schätzen. Im Durchschnitt sind die forstwirtschaftlich genutzten Flächen seit 2001 eine Nettosenke von rund 26 Megatonnen pro Jahr. Die jährlichen Emissionen Kanadas belaufen sich auf rund 700 Megatonnen.

Selbst bei günstiger Bilanzierung würden Kanadas Forstwirtschaften nur etwa drei bis vier Prozent der gesamten Treibhausgasproduktion pro Jahr ausgleichen. Das sei weit entfernt von den klimaneutralen – oder gar CO2-negativen – Behauptungen, die über Kanada und seine Wälder aufgestellt würden. Tony Lemprìere, Klimapolitik-Manager der kanadischen Forstbehörde sagt dagegen: „Es geht um das, was wir kontrollieren können, Emissionen durch Holzernte, solche Dinge. Aber wir können keine Waldbrände kontrollieren.“ Also tauchen sämtliche CO2-Emissionen durch die ständig größer werdenden Waldbrände, durch Pilz- und Schädlingsbefall, der wiederum durch Klimawandel befördert wird, in Kanadas offizieller Klima-Statistik nicht auf. Begründung: Nicht Menschen-gemacht, nicht kontrollierbar. Für Kritiker rechnet sich Kanada so seine Klimabilanz schön. Lemprìere widerspricht: Es gehe nicht um Optik, sondern um das, was Kanada steuern könne.

Fletcher: „Was die Behauptungen betrifft, dass die kanadische Naturlandschaft uns bereits klimaneutral – oder sogar CO2-negativ – macht? ‚Ich glaube nicht, dass sie einer wissenschaftlichen Prüfung standhalten würden‘, sagt Blain“.

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