Experten plädieren für steuerliche Forschungsförderung

Opposition will Forschung stärken

Die Mehrheit der Sachverständigen trat in einer öffentlichen Anhörung des Bundestagsfinanzausschusses am 18.02.2019 für die Einführung einer steuerlichen Forschungsförderung in Deutschland ein – so der parlamentseigene Pressedienst heute im bundestag. So erklärte die Unternehmensberatung Ernst and Young (E&Y), die steuerliche Förderung von Forschung und Entwicklung biete sich als Instrument an, um eine im internationalen Vergleich ersichtliche Lücke in der bisherigen Förderlandschaft zu schließen. Denn gerade dadurch werde das ausdrückliche Ziel der Großen Koalition verfolgt, die Digitalisierung des Mittelstands voranzutreiben.

In der von der Ausschussvorsitzenden Bettina Stark-Watzinger (FDP) geleiteten Anhörung ging es um drei Initiativen von Oppositionsfraktionen. So sieht etwa ein von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen eingebrachter Gesetzentwurf (19/4827) vor, dass kleine und mittlere Unternehmen, die Forschung betreiben, einen „Forschungsbonus“ erhalten sollen. Dieser Bonus soll 15 Prozent aller Ausgaben im Bereich Forschung und Entwicklung (FuE) betragen und allen Unternehmen bis zu 249 Mitarbeitern gewährt werden. Die Einführung einer Forschungsförderung mittels einer Steuergutschrift schlägt die FDP-Fraktion in einem Antrag (19/3175) vor. Die Innovationsaktivitäten von kleinen und mittleren Unternehmen seien seit etwa eineinhalb Jahrzehnten rückläufig, heißt es im Antrag der FDP-Fraktion. Die AfD-Fraktion schlägt in ihrem Antrag (19/4844) ein einfaches Instrument der indirekten Förderung neben der direkten Projektförderung vor. Konzipiert werden solle sie als Steuergutschrift („tax credit“) auf Basis des Gesamtvolumens der Aufwendungen für Forschung und Entwicklung in Unternehmen.

Aus Sicht des Zentralverbands des deutschen Handwerks (ZDH) ist es von zentraler Bedeutung, dass eine steuerliche Förderung von Forschung und Entwicklung ausschließlich neben die existierenden Programme tritt und diese keineswegs eingeschränkt wird. Die Förderung müsste gezielt für kleine und mittlere Unternehmen eingeführt werden. Nach Ansicht von Christian Rammer vom Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung sind die Anreize für kleine und mittlere Unternehmen insgesamt zu gering.

Dagegen erklärte der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA), die steuerliche Forschungsförderung solle ohne eine Größenbeschränkung auskommen. Innovationen würden oftmals in Netzwerken von Unternehmen aller Größen generiert: „Im Wettbewerb um die Ansiedlung großer forschender Unternehmen sollte Deutschland nicht von vornherein klein beigeben.“

Auch für den Siemens-Konzern ist das Vorhandensein einer steuerlichen Forschungsförderung von zentraler Bedeutung. In der Stellungnahme des Konzerns, der weltweit rund 43.000 Forscher und Entwickler beschäftigt, heißt es, 29 von 35 OECD Mitgliedstaaten würden über attraktive steuerliche Instrumente zur Förderung von Forschung und Entwicklung verfügen. Deutschland verzichte bisher auf ein entsprechendes Standortangebot. Auch für Siemens ist „grundsätzlich nicht ersichtlich, weshalb die Forschungstätigkeit von größeren Unternehmen nicht förderungswürdig sein sollte“.

„Eine steuerliche Forschungsförderung muss allen Unternehmen zugänglich sein, um effiziente Fördereffekte zu erzielen“, erklärte auch der Bundesverband der deutschen Industrie (BDI). „Der BDI unterstützt die Vorhaben der Bundestagsfraktionen von Bündnis 90/Die Grünen, FDP und AfD, um Innovationspotenziale zu fördern und um eine höhere Forschungsdynamik der in Deutschland ansässigen Unternehmen zu erzielen“, erklärte der Spitzenverband.

Die Einführung einer steuerlichen Forschungsförderung in Ergänzung zur bewährten Projektförderung sei eine Maßnahme zur Erhöhung der Attraktivität des Innovationsstandorts Deutschland, hieß es vom Deutschen Industrie und Handelskammertag (DIHK). „Die stärkste Wirkung erzeugt eine solche Förderung aus unserer Sicht allerdings, wenn sie potenziell allen Unternehmen offen steht, nicht nur kleineren und mittleren“, so der DIHK. Die KfW Bankengruppe beurteilte die Vorstöße grundsätzlich positiv und als Ergänzung zu bestehenden Förderprogrammen.

Nach Ansicht von Professorin Monika Schnitzer von der Ludwig-Maximilians-Universität München hat eine steuerliche Forderung im Vergleich zu direkten Fördermaßnahmen mehrere Vorteile. Während die direkte Förderung immer eine Antragstellung und ein Bewerbungsverfahren durch Behörden erfordere, sei bei einer steuerlichen Forschungsförderung die Förderfähigkeit bereits mit dem Nachweis förderberechtigter Aufwendungen gegeben: „Das Instrument trägt somit zu einer erhöhten Planungssicherheit der Unternehmen hinsichtlich der Förderung risikobehafteter FuE-Vorhaben bei.“ Zudem falle der administrative Aufwand im Vergleich zur klassischen Projektförderung deutlich geringer aus.

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hält eine steuerliche Forschungsförderung hingegen für nicht erforderlich, „weil sie jede Art von Forschung und Entwicklung unterstützt, auf Lenkung verzichtet und somit Abschied von einer gestaltenden Technologiepolitik einleiten würde“. Sie könne auch nicht auf Problemlösungen für gesellschaftliche Ziele orientiert werden, wie zum Beispiel die Steigerung der Energieeffizienz oder die Minderung der Folgen des Klimawandels.

Ebenfalls kritisch mit der steuerlichen Forschungsförderung setzte sich Professor Carsten Dreher (Freie Universität Berlin) auseinander. Der Zusammenhang von privater FuE-Intensität und der Höhe der steuerlichen Forschungsförderung sei nicht belegt. So hätten Schweden und Deutschland keine steuerliche Forschungsförderung, aber hohe Forschungsausgaben und Spitzenplätze in Innovationsranking. Für die US-Bundesstaaten sei nachgewiesen, dass ein Steuerwettbewerb um die großzügigsten FuE-Anreize ein „Nullsummenspiel für alle darstellt“. (hib/HLE)

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