Kritik an Schulzes Plastikgipfel

Abfallvermeidung statt freiwilliger Selbstverpflichtungen gefordert

Wenn es nach Umweltministerin Svenja Schulze geht, sollen Plastikverpackungen weniger und umweltfreundlicher werden. Sie empfing deshalb am 27.02.2019 Vertreter von Handelsketten und Lebensmittelkonzernen zu einem Gespräch über Plastikmüll. „Doch die hängen an den Verpackungen“, schreibt Peter Sonnenberg vom SWR auf tagesschau.de. Der runde Tisch setze die falschen Akzente, kritisiert der Verfahrenstechniker Michael Braungart  – er sei  nicht mehr als „Beschäftigungstherapie“.

Plastikabfall, gelber Sack – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft für Solarify

Laut Braungart, Ideengeber des Cradle-to-Cradle Prinzips (C2C – Krfeislaufwirtschaft), hat die Politik bei dem Thema lange versagt: „Ich würde an so einem Plastik-Runden-Tisch nie teilnehmen, bevor nicht zum Beispiel das PVC verboten ist“, sagte Braungart im Deutschlandfunk. Es werde völlig unnötig chlorhaltiges PVC verwendet, obwohl das bei der Verbrennung giftig sei. Er kritisierte auch, dass zu viel über Plastiktüten gesprochen werde, nicht aber über Zigarettenfilter oder Berge von Windelmüll. Braungart wörtlich: „Es gibt Handlungsbedarf ohne Ende, und man hält man Leute beschäftigt. Das ist so, wie wenn man auf der Titanic sitzt und sagt, oh ja, wir löffeln schon mit dem Teelöffel das Wasser raus aus der Titanic, oh nein, jetzt steigen wir sogar auf den Esslöffel um. Nein, es ist Zeit, das Leck endlich abzudichten und zu handeln.“

Abfallvermeidungsziel und Wiederverwendungsquoten nötig

Laut der Deutschen Umwelthilfe sind ein Abfallvermeidungsziel und Wiederverwendungsquoten nötig, um Verpackungsmüll zu verringern. Zudem  müsse eine gesetzliche Mehrwegquote für Getränkeverpackungen von 70 Prozent umgesetzt werden. Schließlich müsse der Einsatz von Kunststoff aus Neumaterial teurer werden und Standards zur Recyclingfähigkeit von Verpackungen und der Einsatz von Recyclingmaterial müssen verpflichtend sein.

„In Deutschland werden die Verpackungsmengen von Jahr zu Jahr größer. Die aktuelle Abfallpolitik setzt den Vermeidungsgedanken nicht ausreichend um. Neben deutlich höheren Lizenzentgelten für Verpackungen ist vor allem ein Abfallvermeidungsziel notwendig, so wie es bereits in Österreich für Plastikverpackungen beschlossen wurde. Wir erwarten, dass Umweltministerin Schulze die Wirtschaftsakteure beim Runden Tisch in die Pflicht nimmt. Wir brauchen endlich neue und mutige Ansätze zur Abfallvermeidung und keine wohlfeilen Interessenbekundungen des Handels. Unternehmensinitiativen haben bislang noch kein Umweltproblem nachhaltig gelöst“, sagt die Stellvertretende Bundesgeschäftsführerin der DUH, Barbara Metz.

Allein in Deutschland werden jährlich rund 16 Milliarden Einweg-Plastikflaschen mit einem Gewicht von mehr als 450.000 Tonnen hergestellt. Durch Mehrwegflaschen könnte diese riesige Menge Abfall vermieden werden. „Die gesetzliche Mehrwegquote in Höhe von 70 Prozent wird von weiten Teilen des Handels boykottiert und liegt aktuell nur bei 43 Prozent. Umweltministerin Schulze muss vom Bremser zum Gestalter werden und die Mehrwegquote auch mit Sanktionen, wie einer Abgabe auf Einweg, durchsetzen. Abfallvermeidung und Klimaschutz sind nur mit Mehrwegverpackungen erreichbar“, so Metz weiter. Über Getränkeverpackungen hinaus sollten auch für Lebensmittel- und andere Verkaufsverpackungen Wiederverwendungsquoten von 15 Prozent bis zum Jahr 2025 und 30 Prozent bis zum Jahr 2030 festgelegt werden.

Noch immer würden viele Verpackungen hergestellt, die faktisch nicht recyclingfähig sind. Das gilt vor allem für kompliziert und mehrschichtig aufgebaute Verbundstoffe. „Das Ökodesign von Verpackungen ist entscheidend. Für Verpackungen müssen deshalb verbindliche Standards zur Recyclingfähigkeit festgelegt werden. Die bislang im neuen Verpackungsgesetz festgelegten Anreize für ein ökologischeres Verpackungsdesign sind völlig unzureichend“, sagt Thomas Fischer, Leiter Kreislaufwirtschaft der DUH – und: Ohne ausreichende Anreize sind Rezyklate aus Altkunststoff nicht wettbewerbsfähig im Vergleich zu günstigen Neukunststoffen aus fossilem Rohöl. Umweltministerin Schulze muss Bedingungen dafür schaffen, dass die gesammelten Kunststoffe hierzulande nicht nur aufbereitet werden, sondern auch einen Absatz finden. Eine Mindesteinsatzquote für Recyclingmaterialien in bestimmten Verpackungsgruppen würde die Nachfrage dauerhaft ankurbeln“, sagt Fischer. Ein Fondsmodell, unter Verwaltung des Umweltbundesamtes, könnte weitere finanzielle Anreize schaffen und dazu beitragen, eine vorgegebene Mindestquote zum Einsatz von Recyclingmaterial noch deutlich zu übertreffen. Zudem sollten im Rahmen der öffentlichen Beschaffung Produkte mit Anteilen aus Recyclingmaterial verpflichtend bevorzugt werden müssen.

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