Bioenergie nachhaltig nutzen

Bioenergie als Kraftstoff und für Prozesswärme

ESYS schlägt vor, Biomasse dort im Energiesystem zu nutzen, wo andere Erneuerbare an ihre Grenzen stoßen. Denn aus Biomasse lassen sich klimafreundliche Kraftstoffe deutlich effizienter herstellen als mit Wind- und Solarstrom. „Langfristig sollte Bioenergie Kraftstoffe für Flugzeuge, Schiffe und Schwertransporter liefern, denn elektrische Antriebe kommen dafür nicht infrage. Ein zweites sinnvolles Einsatzgebiet sind Industrieanlagen, die eine hohe Prozesswärme benötigen – Bioenergieträger ermöglichen diese hohen Temperaturen“, erklärt Daniela Thrän vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung und vom Deutschen Biomasseforschungszentrum, die zusammen mit Gernot Klepper die ESYS-Arbeitsgruppe geleitet hat.

CO2-Preis als Steuerungsinstrument

Um eine möglichst klimafreundliche Herstellung und Nutzung von Bioenergie anzureizen, schlägt ESYS vor, einen einheitlichen, ausreichend hohen CO2-Preis als Steuerungsinstrument zu etablieren. Idealerweise sollte er alle Treibhausgase in allen Wirtschaftssektoren umfassen – auch die Emissionen aus der Landwirtschaft. Solange es keinen globalen CO2-Preis gibt, kann eine Zertifizierung bei Biomasseimporten dazu beitragen, dass CO2-Mindesteinsparungen und weitere Nachhaltigkeitskriterien erreicht werden. Um die globale Entwaldung einzudämmen, müssten solche Vorgaben allerdings nicht nur für Bioenergie, sondern für alle land- und forstwirtschaftlichen Produkte gelten.

Treibhausgasbilanz von Bioenergie

Schon heute deckt Bioenergie ein Zehntel des Energiebedarfs in Deutschland. Biomasse wird jedoch nicht nur für die Energieversorgung benötigt, sondern auch zur Herstellung von Materialien, Nahrungs- und Futtermitteln. Da die Weltbevölkerung weiter wächst, steigt der Bedarf an Biomasse – und damit auch die Konkurrenz um begrenzte Landflächen.

Wird die Landnutzung durch den Menschen weiter ausgeweitet oder intensiviert, steigt der Druck auf Umwelt und Natur. Bioenergie muss daher unbedingt so erzeugt und genutzt werden, dass sie möglichst geringe Treibhausgasemissionen verursacht, die Artenvielfalt nicht gefährdet und die Qualität von Böden und Gewässern nicht verschlechtert.

Beim Anbau von Agrarpflanzen stellen Lachgasemissionen aus der Stickstoffdüngung die größte Emissionsquelle dar. Aber auch Änderungen in der Landnutzung können erheblich zum Klimawandel beitragen, insbesondere wenn Wälder durch Agrarland ersetzt werden. Denn Wälder speichern in Vegetation und Boden viel mehr Kohlenstoff als Äcker und Weideland. Führt der Anbau von Energiepflanzen dazu, dass Agrarflächen in anderen Gegenden – oft im nichteuropäischen Ausland – ausgeweitet werden, spricht man von indirekten Landnutzungsänderungen. Da deren Ausmaß umstritten ist, können die durch Bioenergie verursachten Treibhausgasemissionen kaum zuverlässig abgeschätzt werden.

Waldholz und Agrarrohstoffe energetisch zu nutzen birgt also große ökologische Risiken. Stattdessen sollte Bioenergie vor allem aus Rest- und Abfallstoffen produziert werden. Würde man das ungenutzte Potenzial an Restholz, Getreidestroh und tierischen Exkrementen heben und den Primärenergieverbrauch wie von der Bundesregierung angestrebt bis 2050 auf 2.000 Terawattstunden pro Jahr senken, könnten Rest- und Abfallstoffe 13 bis 17 Prozent der Primärenergie decken. Werden biobasierte Materialien schadstoffarm und recyclingfreundlich gestaltet, erleichtert das ihre anschließende energetische Verwertung (Kaskadennutzung).

Globale Potenziale

Biomasse wird auf den internationalen Märkten gehandelt. Die Bioenergienutzung in der Bundesrepublik hat somit globale Folgen. Schätzungen, wie groß die weltweit nachhaltig nutzbaren Bioenergiepotenziale in Zukunft sind, schwanken zwischen fünfzig Exajoule – das entspricht in etwa dem heutigen Verbrauch – und mehreren hundert Exajoule pro Jahr. Die Spannweite ist so groß, weil unklar ist, wie stark die landwirtschaftlichen Erträge gesteigert werden können und inwiefern es ungenutztes degradiertes Agrar- und Weideland gibt, auf dem Energiepflanzen angebaut werden könnten.

Einen großen Einfluss auf die verfügbaren Flächen haben auch zukünftige Ernährungsweisen. So könnten mit einer rein pflanzlichen Ernährung weltweit etwa doppelt so viele Menschen von der gleichen Fläche ernährt werden wie heute. Würden weniger Fleisch und Milchprodukte konsumiert, könnte das die Konflikte zwischen Ernährungssicherheit, Bioenergie und Naturschutz entschärfen.

CO2-Entnahme

IPCC-Szenarien zeigen, dass selbst eine sehr schnelle und weitreichende Reduktion der Treibhausgasemissionen allein nicht ausreichen wird, um die Pariser Klimaziele zu erreichen. Zusätzlich sind sogenannte „negative Emissionen“ erforderlich. Eine solche Möglichkeit, den CO2-Gehalt der Atmosphäre abzusenken, ist der Einsatz von Bioenergie mit Kohlendioxidabscheidung und -speicherung (BECCS): Wird Biomasse energetisch genutzt, wird das dabei entstehende Kohlendioxid abgetrennt und dauerhaft unterirdisch gespeichert.

Neben BECCS gibt es weitere CO2-Entnahmetechnologien. Dazu zählen unter anderem:

  • Aufforstung: Bäume nehmen CO2 auf und speichern den Kohlenstoff. Wird Holz geerntet und in langlebigen Produkten verbaut, kann das Speicherpotenzial erhöht werden.
  • Biokohle: Verkohlte Biomasse wird im Boden gespeichert. Die Verkohlung verhindert, dass der Kohlenstoff als CO2 freigesetzt wird.
  • Direct Air Capture: Kohlendioxid wird in technischen Anlagen mit chemischen Bindemitteln aus der Umgebungsluft aufgefangen, komprimiert und unterirdisch gelagert.

Während für Aufforstung, Biokohle und BECCS Anbauflächen benötigt werden, ist Direct Air Capture teurer, energieintensiv und logistisch aufwendig. Sowohl BECCS als auch Direct Air Capture erfordern die in Deutschland umstrittene CCS-Technologie. Voraussichtlich kann nur ein Technologiemix den Gesamtbedarf an negativen Emissionen decken. Soll BECCS einen Beitrag zum Klimaschutz leisten, ist zu berücksichtigen, dass nicht alle Bioenergietechnologien gleichermaßen für die CO2-Abscheidung geeignet sind.

Folgt: Klimapolitische Instrumente