Kommentar von Karsten Neuhoff, Leiter der Abteilung Klimapolitik am DIW Berlin
Haben es diese zwölf Seiten Gesetzestext in sich, Deutschland in Sachen Klimaschutz wieder auf den richtigen Weg zu bringen? Das ist die Frage, die zum jüngst vorgestellten Entwurf eines deutschen Klimaschutzgesetzes in aller Köpfe und Munde sein sollte – zumal nicht nur die Jugend lautstark fordert, dass in Sachen Klima endlich gehandelt wird. Nüchtern betrachtet würde die Antwort vermutlich „ja“ lauten. Stattdessen wird darüber gestritten, ob nun CDU- oder SPD-geführte Ministerien damit schlechter oder besser wegkommen.
Nochmal zur Erinnerung: Deutschland hat sich dazu verpflichtet, seine CO2-Emissionen zu senken – sowohl im Rahmen des Pariser Abkommens und der 2030 Ziele der EU als auch in diversen Wahlprogrammen und Koalitionsvereinbarungen. Stattdessen verharren die Emissionen seit mehreren Jahren auf ihrem hohen Niveau und Deutschland hat mit den Niederlanden die höchsten pro Kopf Emissionen der größeren EU-Länder. Dass ein Gesetz auf den Weg gebracht wird, um Emissionen endlich zu senken, scheint angemessen. Andere Länder sind diesen Weg bereits gegangen.
Im Moment sind in Deutschland die einzelnen Ministerien der Bundesregierung zwar für die Rahmenbedingungen und Gesetzgebung der verschiedenen Sektoren zuständig – es gibt einen Verkehrsminister, der sich um den Verkehr kümmert, eine Landwirtschaftsministerin, die für Landwirtschaft zuständig ist usw. Diese Ministerien werden aber nicht für den CO2-Ausstoß ihrer Sektoren verantwortlich gemacht. Zieht man einen Vergleich mit dem Bundeshaushalt, ist es genau so, als könnten einzelne Ressorts unbegrenzt öffentliche Mittel ausgeben. Die Ministerinnen und Minister würden sich zwar freuen, klar ist aber auch, dass der Haushalt am Ende ein dickes Minus aufweisen würde.
Damit Haushalte und Privatwirtschaft Maßnahmen zur Emissionsminderung ergreifen, sind in den jeweiligen Sektoren klare regulatorische Rahmenbedingungen notwendig, wie zum Beispiel für die energetische Sanierung im Gebäudebereich oder für klimafreundliche Produktionsprozesse in der Industrie. Diese können nur von den entsprechenden Ministerien vorbereitet und umgesetzt werden. Das ist die Logik hinter der Verantwortlichkeit einzelner Ministerien für einzelne Sektoren, die das neue Klimaschutzgesetz etablieren will.
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Nicht anders als bei der Aufstellung des Bundeshaushalts wird im Klimaschutzgesetz festgeschrieben, welches Emissionsbudget die einzelnen Ministerien verhandelt haben. Damit können sie dann, im Rahmen ihrer Aufgaben, eigenverantwortlich umgehen. Die Bundesregierung ist dafür verantwortlich, dass das Endergebnis stimmt, dass die Gesamtemissionen also zielkonform gesenkt werden. Die Ministerien erstatten Bericht darüber, wie sie ihre Emissionsbudgets verwendet haben und verwenden werden. Dabei werden sie von einer unabhängigen Institution kontrolliert – genauso, wie es der Rechnungshof im fiskalischen Kontext macht.
Das vorgestellte Klimaschutzgesetz schafft so einen klaren Rahmen und Verantwortlichkeiten, ohne die es in Sachen Klimaschutz keinen Fortschritt geben kann. Es lässt aber gleichzeitig Freiraum für die Ausgestaltung von Maßnahmen entsprechend der politischen Präferenzen – sei es für Förderungsmechanismen, für marktbasierte oder eher ordnungsrechtliche Ansätze.
Das Beispiel Großbritannien hat gezeigt, dass dieser Freiraum die politische Akzeptanz und damit Langlebigkeit eines Klimaschutzgesetzes sichern kann – in dem Fall über Regierungswechsel und Brexit-Rhetorik hinaus. Das ist eine wichtige Voraussetzung, damit Unternehmen, die auf klimafreundliche Technologien und Praktiken setzen, investieren können. Sie sind auf angemessene und stabile Rahmenbedingungen angewiesen.
Beim Thema Klimaschutz herrscht dringender Handlungsbedarf. Das Klimaschutzgesetz verdient mehr, als nur ein neuer Vorwand für Koalitionsgezänk zu sein. Es verdient zumindest eine ernsthafte Auseinandersetzung mit den Inhalten des Gesetzentwurfs – und bisher fehlt sogar das.
->Quelle: diw.de/diw_01.c.616023.de