Bis 2030 kann Verkehrsleistung der Bahn verdoppelt werden – aber nur, wenn fünf Kernmaßnahmen zügig und entschlossen umgesetzt werden
Mit einem umfassenden Bündel von Maßnahmen kann es gelingen, die Verkehrsleistung auf der Schiene bis zum Jahr 2030 zu verdoppeln. Zentraler Baustein des notwendigen Maßnahmepakets ist ein integraler Taktfahrplan, der den Personenfernverkehr auf der Schiene mit den bereits bestehenden Taktfahrplänen des Nahverkehrs verknüpft. Notwendig ist darüber hinaus unter anderem eine neue Priorisierung der Maßnahmen des Bundesverkehrswegeplans und die „definitive Zusage des Bundes, die priorisierten Projekte inklusive möglicher Kostensteigerungen zu finanzieren“, heißt es in einer Studie des Think Tank Agora Verkehrswende.
Im Zentrum der Analyse mit dem Titel „Railmap 2030: Bahnpolitische Weichenstellungen für die Verkehrswende“ steht die Frage, wie das Versprechen des Koalitionsvertrages umgesetzt werden kann, bis 2030 „doppelt so viele Bahnkunden“ zu gewinnen und mehr Güterverkehr auf die Schiene zu verlagern. Laut Gutachten lässt sich auf diese Weise im Jahr 2030 der Ausstoß von Kohlendioxid (CO2) um rund 14 Millionen Tonnen verringern, im Vergleich zur Status-quo Entwicklung. Allerdings ist die Verdopplung der Schienenverkehrsleistung ein „Kraftakt“ und erfordert „milliardenschwere Investitionen in die Infrastruktur“, so die von dem Berliner Beratungsunternehmen KCW GmbH im Auftrag von Agora Verkehrswende angefertigte Expertise.
„Die Verkehrsleistung auf der Schiene zu verdoppeln ist ein notwendiges und realisierbares Ziel – auch, um Deutschlands Beitrag zur Erderwärmung zu begrenzen. Jetzt kommt es darauf an, zeitnah die ersten Schritte zu tun, um der neuen Bahnpolitik Gestalt zu verleihen“, sagt Urs Maier, Projektleiter bei Agora Verkehrswende.
Das in dem Gutachten als „Railmap 2030“ bezeichnete Aktionsprogramm enthält fünf Kernmaßnahmen, die zu jeweils unterschiedlichen, aber konkreten Zeitpunkten „zügig und entschlossen“ umzusetzen sind, soll das Verdopplungsziel bis zum Jahr 2030 erreicht werden:
- Unverzichtbar ist die schrittweise Einführung des Deutschlandtakts. Er ermöglicht einen Zugverkehr mit kurzen Umsteigezeiten und macht das Bahnfahren wieder attraktiv.
- Die Schieneninfrastruktur ist so auszubauen, dass der Deutschlandtakt umgesetzt werden kann. In Zukunft hat der Infrastrukturausbau dem Taktfahrplan zu folgen, nicht der Fahrplan den Zwängen der Infrastruktur.
- Die Trassenpreise müssen sinken, um Mehrverkehr entstehen zu lassen. Deshalb sollten die Fixkosten der Eisenbahninfrastruktur direkt aus öffentlichen Kassen gezahlt werden. Die Zugbetreiber sollten vorrangig nur für die Kosten des unmittelbaren Zugbetriebs aufkommen.
- Die Digitalisierung der Schieneninfrastruktur inklusive der Stellwerke ist unverzichtbar, um das Schienennetz besser auszulasten. Den Bahnkunden kann die Digitalisierung den Zugang zum Schienentransport durch bessere Informations- und Serviceangebote erleichtern.
- Im Schienengüterverkehr ist ein Innovationsschub notwendig, der durch politische Regulierung zu fördern ist. Digital vernetzte und zunehmend elektrifizierte Waggons ermöglichen den Transport von bisher nicht als „schienenaffin“ geltenden Sammelgütern und Sendungen der Kurier-, Express- und Paketdienste. Langfristig lassen autonom fahrende Waggons sogar die Rückkehr des Schienengüterverkehrs in die Fläche zu.
Allerdings heißt es in der Studie, dass der Weg zur Umsetzung der Verkehrswende auf der Schiene auch durch die besten Beschlüsse auf Bundesebene „nicht wie auf Knopfdruck“ gelingen wird. Voraussetzung ist unter anderem eine „Aufbruchsmentalität zugunsten der Schiene“ und ein „weitgehend störungsfreier Bahnbetrieb“.
Tatsächlich ist aber im Personenfernverkehr die Pünktlichkeitsquote „nicht akzeptabel“ und der Zustand der Fahrzeugflotte wie der Infrastruktur, insbesondere der Brücken, „schlecht“, so die Studie. Weiter heißt es, dass durch den Abbau von Gleisen und Weichen in den vergangenen Jahrzehnten „die Verwundbarkeit des Schienennetzes im Störungsfall rapide angestiegen“ ist. Außerdem herrscht in der gesamten Branche „ein eklatanter Mangel an Personal“ und der Fuhrpark im Schienengüterverkehr ist „überaltert“. Eine „jahrelang verfehlte Unternehmens- und Bundesbahn-Politik fällt den handelnden Akteuren jetzt auf die Füße“, so die Expertise.
Notwendig ist nun eine von einem „breiten gesellschaftlichen Konsens getragene Aufbruchsmentalität zur Attraktivierung des Bahnverkehrs“, die sich allerdings „weder beschließen noch verordnen“ lässt. Dieser Aufbruch muss vor allem von der Deutsche Bahn AG verkörpert und getragen werden. Außerdem sollte der von der Bundesregierung bereits eingesetzte Bahnbeauftragte als verantwortliche Steuerungseinheit fungieren, das Ziel der Verdopplung der Verkehrsleistung auf der Schiene zu realisieren.
„Flankiert werden muss der notwendige Aufbruch durch die angemessene Verteuerung anderer Verkehrsträger“, so Agora-Projektleiter Maier. Dazu gehörten die Erhöhung der Energiesteuer, eine fahrleistungsabhängige Pkw-Maut sowie vergleichbare preisliche Maßnahmen im Flugverkehr. „Die umweltverträgliche Bahn ist im Wettbewerb benachteiligt. Um die Klimaziele zu erreichen muss die Diskriminierung der Schiene zügig beendet werden.“
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