20 Jahre Ökosteuer: finanz- und sozialpolitisch top, umweltpolitisch ein Flop

Beides in den Blick nehmen: Klimaschutz durch Emissionsminderungen und Einkommensungleichheit

Die zum 01.04.1999 eingeführte ökologische Steuerreform sorgt bis heute für niedrigere Rentenbeiträge und höhere Rentenbezüge – Umweltpolitisch war sie hingegen kein Erfolg, die beabsichtigte Lenkungswirkung ist ausgeblieben. Notwendig sei eine Reform, die CO2 angemessen bepreist und einkommensschwache Haushalte entlastet, resümiert das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung Berlin die Erfahrungen mit der Ökosteuer.

Die vor 20 Jahren in Kraft getretene ökologische Steuerreform habe ihre Ziele – die Entlastung der Rentenversicherung und eine bessere Energieeffizienz – nur zum Teil erreicht. Sie generiere Steuereinnahmen, die bis heute das Rentensystem entlasteten, so das DIW.

Sie habe allerdings nicht – wie gewünscht – dazu geführt, dass der Energieverbrauch und somit die Treibhausgasemissionen in Deutschland nachhaltig gesunken seien. Angesichts der drohenden Verfehlung der Energiewende- und Klimaziele müsse die Ökosteuer daher reformiert werden. Zu diesem Schluss kommen zwei Studien aus dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin), die das Jubiläum der Ökosteuer zum Anlass nehmen, Bilanz zu ziehen.

„Umweltpolitisch war die Ökosteuer ein Flop“, stellt Claudia Kemfert fest. Die Energieexpertin, ihre Kollegin Nicole Wägner und ihre Kollegen Wolf-Peter Schill und Aleksandar Zaklan haben die umweltpolitischen Folgen der ökologischen Steuerreform ausgewertet.

Fazit der Wissenschaftler: Die Steuersätze auf die verschiedenen Energieträger seien zu niedrig, um den Verbrauch nachhaltig zu senken. Das gelte insbesondere im Bereich Wärme (Heizöl und Erdgas). Die Besteuerung der Kraftstoffe (Benzin und Diesel) habe zwar zu einer leichten Reduktion der Emissionen im Verkehrsbereich geführt, aber auch hier seien die Erhöhungen zu zaghaft. Grundsätzlich brauche es in diesem Sektor deutlichere Preissignale, damit die Verbraucher Anreize für ein klimafreundlicheres Konsumverhalten bekommen.

Hinzu kommt, dass die  Hinzu kommt, dass die Ökosteuersätze seit dem Jahr 2003 nicht mehr angehoben worden seien. Der Anteil der Steuer an den Energiepreiserhöhungen sei immer kleiner, zum Beispiel beim Strom.

Finanz- und sozialpolitisch insgesamt ein Erfolg

Neben der Senkung von Energieverbrauch und Treibhausgasemissionen hatte die ökologische Steuerreform das Ziel, Steuereinnahmen zu generieren, um im Gegenzug die Sozialabgaben zu senken. Das Aufkommen der Ökosteuer beträgt heute etwa 20 Milliarden Euro pro Jahr, das sind aktuell rund 0,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Mit diesen Mitteln wird die Rentenversicherung bezuschusst.

In ihrer Studie haben Stefan Bach, Hermann Buslei, Michelle Harnisch und Niklas Isaak simuliert, wo Rentenbeitrag und Rentenbezüge ohne die damalige Reform stehen würden. „Ohne die ökologische Reform von damals wäre der Rentenbeitragssatz heute um 1,2 Prozent höher, die Renten selbst wären um 1,5 Prozent niedriger als sie jetzt sind“, fasst Steuerexperte Stefan Bach die Ergebnisse zusammen, „sozialpolitisch kann man also schon von einem Erfolg sprechen“.

„Insgesamt ist die Steuer aufkommensneutral: Das, was Haushalte und die Wirtschaft draufzahlen, wird ihnen an anderer Stelle zurückerstattet“, so Bach weiter. Das Bild sei differenzierter, wenn man die verschiedenen Einkommensgruppen in den Blick nehme. Weil die Ausgaben für Energie in ihrem Budget schwerer wögen und sie kaum von Beitragssenkung und Rentenerhöhung profitierten, seien einkommensschwache Haushalte relativ von der Ökosteuer mehr betroffen als Haushalte mit mittleren oder hohen Einkommen.

Reform kann wichtigen Beitrag zur Erreichung der Klimaziele leisten

Ohne unverzügliches und entschlossenes Handeln werde Deutschland seine Energiewende- und Klimaziele nicht erreichen, denn in keinem Sektor seien die Treibhausgasemissionen bisher hinreichend gesunken. Eine Reform der Energiebesteuerung sei ein wesentliches Element, um hier gegenzusteuern. Vor allem in den Bereichen Wärme und Verkehr, die im Gegensatz zur Industrie nicht vom Emissionshandel erfasst würden, müssten die Energiesteuern deutlich und dauerhaft steigen, und sie müssten stärker an dem jeweiligen CO2-Gehalt der verschiedenen Energieträger ausgerichtet sein.

„Es muss der Grundsatz gelten: je klimaschädlicher, desto stärker besteuert“, mahnt Claudia Kemfert.

Dieser Logik folgend sollte Strom aus erneuerbaren Energien seinerseits weniger stark belastet werden. Teile der Steuermehreinnahmen könnten außerdem für die energetische Gebäudesanierung und den Umbau des Verkehrssystems hin zu mehr Nachhaltigkeit genutzt werden.

Eine Reform der Energiebesteuerung böte auch die Chance, unerwünschte Verteilungswirkungen zu beseitigen, indem einkommensschwache Haushalte gezielt entlastet würden, so die Wissenschaftler.

Hierzu wüden derzeit verschiedene Modelle, zum Beispiel von Rückerstattungen, diskutiert. „Ein solcher Klimabonus oder Ökobonus würde Haushalte mit niedrigen Einkommen deutlich stärker entlasten als eine Senkung von Sozialbeiträgen oder Einkommensteuer“, so Stefan Bach.

„Die Klimastreiks der Jugendlichen einerseits, und die durch eine Erhöhung der Dieselsteuer ausgelösten Proteste der Gelbwesten in Frankreich andererseits, zeigen exemplarisch, dass wir bei einer Reform der Energiesteuern beides in den Blick nehmen müssen: den Klimaschutz durch Emissionsminderungen und die Einkommensungleichheit“, fasst Claudia Kemfert zusammen.

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