MCC-Kurzdossier Straßenverkehr
Die von der Bundesregierung eingesetzte Verkehrskommission hat nur einen Minimalkonsens geschafft – ihr jetzt vorgelegter Rumpfbericht bringt Deutschland klimapolitisch noch stärker in die Defensive; angesichts von EU-Vorgaben drohen hohe Ausgleichszahlungen. Im Zentrum der Diskussion stehen die Treibhausgas-Emissionen im Straßenverkehr. Wie sich diese sowie weitere schädliche Nebenwirkungen des Autoverkehrs effizient und sozialverträglich verringern lassen, davon handelt das neue MCC-Kurzdossier „Straßenverkehr“.
Der Straßenverkehr hat unbestreitbaren Nutzen – und steht zugleich massiv in der Kritik. Um die Mobilität von morgen zu sichern und die Nebenwirkungen effizient und sozialverträglich zu verringern, ist kluge und vorausschauende Regulierung gefragt. Das neue MCC-Kurzdossier „Straßenverkehr“ gibt einen Überblick über die Politik-Instrumente und den Stand der Forschung zu ihrer Wirkung.
1. Das Problem
In keinem Bereich hat das Bemühen, die Treibhausgas-Emissionen zu senken, so wenig Erfolg wie im Verkehrssektor. In Deutschland etwa stiegen sie von 1990 bis 2017 um 2 Prozent – die Gesamtemissionen dagegen sanken immerhin um 28 Prozent. Das weitaus größte Gewicht innerhalb des Sektors hat der Straßenverkehr. Bei der Entscheidung des Einzelnen über das Ob und Wie des Fahrens wird dieser „externe Effekt“, wie es Ökonomen ausdrücken, nicht angemessen berücksichtigt. Ebenso wie andere Effekte, vor allem die Kosten von Staus, lokaler Luftverschmutzung und Unfällen.
2. Der Handlungsdruck
Das 2015 beschlossene Weltklimaabkommen von Paris macht es zwingend, endlich auch im Verkehrssektor die Emissionen drastisch zu verringern. Zumal E-Mobilität und Digitalisierung das Fahren billiger und bequemer machen und so das Fahrzeugaufkommen noch steigern dürften. Zugleich wächst auch hinsichtlich der anderen externen Effekte das Problembewusstsein, insbesondere bei der Luftverschmutzung.
3. Die Lösungsansätze
Mobilität erhalten, Nebenwirkungen minimieren – das geht wegen der komplexen Zusammenhänge nur durch ein Bündel von Maßnahmen. Im Fokus stehen fünf Instrumente, zu deren Wirkung es umfangreiche wissenschaftliche Erkenntnisse gibt.
Spritsteuern. Ein Anstieg der Spritpreise um 10 Prozent reduziert den Pkw-Verkehr in Europa um 3 bis 4,5 Prozent, in den USA (mit weniger Bussen und Bahnen) um 1 bis 3 Prozent. Das mindert CO2-Emissionen, Staus, Luftverschmutzung und Unfälle. Ein sozialverträglich gestalteter Ausbau der Spritsteuern ist daher zum Erreichen von Klima- und Umweltzielen wichtig. Hier ist Potenzial ungenutzt – seit dem Jahr 2000 sind die Sätze in den damals 15 EU-Ländern real nicht gestiegen. Spritsteuern erhöhen zudem den Anreiz, sparsamere Autos zu kaufen; dies wird freilich dadurch relativiert, dass Verbraucher künftige Ersparnisse systematisch unterschätzen.
Standards. Die Politik kann die „kurzsichtigen“ Verbraucher sozusagen zu ihrem Glück zwingen, durch Vorgaben für geringeren Spritverbrauch von Neuwagen. Sie muss aber zwei unerwünschte Folgen einkalkulieren. Sparsamere Motoren sind Anreiz, mehr zu fahren, nach verschiedenen Schätzungen kostet das 5 bis 30 Prozent der ursprünglichen Einsparung („Rebound-Effekt“). Zudem ziehen Standards, die die Neuwagen verteuern, auch die Preise und damit die Lebensdauer der meist schmutzigeren Gebrauchten in die Höhe („Gruenspecht-Effekt“); Abwrackprämien können das abmildern. Problematisch ist im politischen Alltag der Wunsch, die Lasten gleichmäßig auf die Hersteller zu verteilen: Im Ergebnis gelten oft für schwere Fahrzeuge laschere Ziele, was ihnen zu höheren Marktanteilen verhelfen kann.
Kfz-Steuern. Die Strategie, über eine moderne Fahrzeugflotte die Nebenwirkungen des Straßenverkehrs zu mindern, verfolgen die meisten EU-Länder auch mit nach CO2-Emission gestaffelten Steuern auf das Auto. Die Lenkungswirkung ist Studien zufolge insgesamt moderat – und bei einer einmaligen Vorab-Steuer (auf die Zulassung) größer als bei einer jährlichen Steuer (auf das Halten des Fahrzeugs). Kontraproduktiv wird es, wenn die Politik über schlecht austarierte Bonus-Malus-Regelungen die Autonachfrage nicht nur auf effiziente Fahrzeuge umlenkt, sondern, wie geschehen in Frankreich, ankurbelt.
Mautsysteme. Eine Fülle von Forschungsliteratur beleuchtet auch die Auswirkungen der immer stärker genutzten Straßenbenutzungsgebühren. Diese werden idealerweise nach Ort und Zeit differenziert. In London, Stockholm und Mailand sorgten sie für 30 bis 50 Prozent weniger Staus und 9 bis 19 Prozent weniger Luftverschmutzung – und treffen, obwohl anfangs umstritten, auf breite Akzeptanz. Das Thema ist auch finanzpolitisch bedeutsam: Wenn die Mineralölsteuer als Einnahmequelle versiegt, weil Autos weniger oder gar nicht mehr tanken, kann der Ausbau von Mautsystemen die Lücke schließen.
Fahrverbote. Zufahrtsbeschränkungen für emissionsintensive Fahrzeuge in „Umweltzonen“ können die Belastung, etwa durch Feinstaub, senken: Empirische Daten für Deutschland zeigen eine Reduktion um 4 bis 9 Prozent. Zugleich sind Fahrverbote ein wirksamer Hebel, um den oben unter „Standards“ erklärten Gruenspecht-Effekt zu verringern – und die Modernisierung der Fahrzeugflotte voranzutreiben.<
4. Die Flankierung
Eine wichtige Ergänzung zu der auf Nachhaltigkeit ausgerichteten Regulierung des Straßenverkehrs ist der Ausbau öffentlicher Verkehrssysteme. Erstens ist belegt, dass dies den Rückhalt einer solchen Politik in der Bevölkerung signifikant unterstützt. Zweitens ist dann die Preiselastizität der Nachfrage nach Individualverkehr deutlich höher: Stehen Alternativen bereit, bewirken Spritsteuern und Straßenbenutzungsgebühren stärkere Verhaltensänderungen. Drittens zeigt sich, dass etwa zusätzliche Bahnverbindungen unmittelbar die Bilanz bei Staus, Luftqualität und Verkehrsunfällen verbessern.
Und: Personen aus einkommensschwachen Haushalten fahren überdurchschnittlich oft mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Deshalb sind Subventionen in diesem Bereich auch Teil einer Politik des sozialen Ausgleichs.
->Quellen:
- mcc-berlin.net/fstrassenverkehr
- MCC-Kurzdossier „Straßenverkehr“ (2 Seiten, PDF – 0,3 MB)